Hirnforschung: Aufforderung zum Tanz
Übung macht den Meister, weiß der Volksmund. Aber vielleicht genügt es manchmal sogar schon, einfach genau zuzuschauen. Denn wie Forscher seit Längerem vermuten, werden dieselben Hirnareale sowohl beim Ausführen als auch beim bloßen Beobachten einer Handlung aktiv.
Corinne Jola von der University of Surrey und ihr Team wählten gezielt Probanden aus, die für Tanzdarbietungen schwärmten, selbst aber noch nie getanzt hatten. Mindestens fünf Mal im Jahr gingen die 20 Versuchsteilnehmer entweder ins Ballett oder sahen sich traditionelle indische Tänze an. Die Kontrollgruppe bildeten Teilnehmer ohne entsprechende Interessen. Im Experiment präsentierten zwei professionelle Tänzerinnen den Probanden zunächst fünf Minuten lang klassisches Ballett, anschließend indischen "Bharatanatyam".
Gleichzeitig mit den Vorführungen stimulierten die Forscher die Neurone des primären motorischen Kortex mittels Magnetfeldern und maßen dabei die Spannungsänderungen in Hand- und Armmuskulatur – so genannte motorisch evozierte Potenziale (MEP). Beim klassischen Tanz spielen vor allem die Arme eine wichtige Rolle, während indische Tänzerinnen ihre Finger gestenreich einsetzen.
Tatsächlich wiesen die erfahrenen Ballettzuschauer größere Amplituden in den MEPs der Armmuskulatur auf, wenn sie die vertraute Ballettdarbietung sahen. Demnach schien allein das Zuschauen die motorischen Hirnareale zu aktivieren – die Probanden ahmten die Bewegungen quasi innerlich nach. Die Liebhaber indischer Tänze zeigten allerdings entgegen der Erwartungen der Forscher keine erhöhten MEPs in der Fingermuskulatur. Die gestenreichen Bewegungen könnten möglicherweise zu kompliziert für die Nachahmung sein.
Derartig verstärkte Muskelreaktionen hatten Forscher bisher nur bei Menschen registriert, die Bewegungen beobachteten, die sie auch selbst gut beherrschten. Doch auch regelmäßiges Zuschauen kann offenbar den gleichen Effekt haben.
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