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Verhaltensforschung: Aufs Wort

Kleinkinder lernen ab dem zweiten Lebensjahr im Schnitt zehn neue Wörter pro Tag. Dabei erfassen sie die Bezeichnungen von den Dingen in ihrer Welt auch, indem sie sich die Namen von unbekannten Gegenständen im Ausschlussverfahren erschließen. Diese Fähigkeit des "Fast Mappings" scheint jedoch nicht nur dem Menschen eigen zu sein.
Bordercollie Rico
Kleinkinder lernen die Bezeichnungen von den Dingen in ihrer Welt nicht nur durch explizite Erläuterung, sondern können sich diese auch indirekt erschließen. Werden Kinder beispielsweise aufgefordert, das "chromfarbene Tablett zu bringen, und nicht das rote", so bringen sie – wenn sie zwischen einem rotem und einem olivgrünem Tablett auswählen müssen – das olivgrüne, auch wenn sie den Namen "chromfarben" zuvor noch nie gehört hatten.

Kinder sind also in der Lage, sich die Bezeichnung von Gegenständen im Ausschlussverfahren zu erschließen, und die auf diese Weise erworbene Kenntnis in ihren Wortschatz zu integrieren – ein Prozess, der als als "Fast Mapping" oder "schnelles Zuordnen" bezeichnet wird. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass dies als spezielle Anpassung an das Lernen von Sprache nur beim Menschen vorkommt. Andererseits könnte es aber auch sein, dass diese Form des Lernens durch Ausschluss auf generellen Lernmechanismen beruht, die der Mensch möglicherweise mit anderen Tieren teilt. Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie um Julia Fischer sind daher der Frage nachgegangen, ob auch ein Hund in der Lage sein könnte, die Beziehung zwischen einem Wort und dem Objekt, auf welches sich das Wort bezieht, auf indirekte Weise zu lernen.

Rico | Der Versuchshund "Rico": Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben an diesem Bordercollie nachgewiesen, dass Hunde in der Lage sind, sich menschliche Worte für Gegenstände in ihrer Umgebung im Ausschlussverfahren zu erschließen.

Vergleichen Sie hierzu auch das Video unter "Medien", dass zeigt, wie Rico die ihm genannten Gegenstände apportiert.
Ihr Versuchstier war ein Bordercollie namens "Rico", der vor Versuchsbeginn bereits die Namen von über 200 Spielzeugen kannte. Zunächst musste Rico unter Beweis stellen, dass er auch unter kontrollierten Bedingungen die richtigen Gegenstände apportieren kann. Hierzu verteilte Fischer zehn von den 200 dem Hund bekannten Spielzeugen im Versuchsraum, während Rico und seine Besitzerin im Nachbarraum warteten. Die Besitzerin forderte dann den Hund auf, erst einen und danach einen anderen jeweils zufällig ausgewählten Gegenstand zu bringen. Mit Erfolg: In 37 von 40 Fällen brachte er den richtigen Gegenstand und bewies damit, dass er diese Gegenstände und ihre Namen tatsächlich kannte.

Anschließend sollte Rico seine Fähigkeit zum Fast Mapping unter Beweis stellen. Die Forscher boten ihm ein völlig neues, unbekanntes Spielzeug zusammen mit sieben bereits bekannten Objekten an und forderten ihn zunächst auf, einen der bekannten Gegenstände zu apportieren. Erst im zweiten oder dritten Versuch eines Durchgangs nannte die Besitzerin dann ein völlig neues Wort: "Rico! Wo ist die Socke?"

Auch hier bewies der Bordercollie seine Fähigkeiten: Er brachte vom ersten Versuchsdurchlauf an im Test den neuen Gegenstand und lag insgesamt in sieben von zehn Fällen richtig. Offensichtlich konnte er tatsächlich das neue Wort im Ausschlussverfahren mit dem neuen Gegenstand in Verbindung bringen.

Vier Wochen nach diesem Versuch überprüften die Wissenschaftler, ob der Hund sich die Bezeichnungen der neuen Gegenstände auch gemerkt hatte. Die Max-Planck-Forscher platzierten jeweils eines der Objekte zusammen mit vier absolut neuen und vier ihm bereits bekannten Gegenständen in einem Raum. Zunächst forderten die Forscher den Hund auf, ein ihm bekanntes Objekt und dann das Zielobjekt zu bringen.

Und tatsächlich: Auch vier Wochen nach der ersten und einzigen Konfrontation mit diesem Gegenstand apportierte der Hund das Zielobjekt korrekt in drei von sechs Durchgängen – eine Erfolgsquote, die mit der von dreijährigen Kindern vergleichbar ist. In den anderen Fällen brachte Rico einen der unbekannten Gegenstände, aber nie einen der zuvor bekannten.

Der Hund Rico war also in der Lage, menschliche Worte mit spezifischen Gegenständen in seiner Umwelt zu verbinden. Durch seine umfassende Erfahrung beim Lernen von Bezeichnungen begriff er, dass Dinge Namen haben. Dadurch konnte er – wie ein Kleinkind – ein neues unter einer Anzahl von bekannten Objekten identifizieren und mit dem neuen Namen in Verbindung bringen. "Diese kognitiven Fähigkeiten, die es einem Tier erlauben, eine Vielzahl von Klängen und Geräuschen richtig zu interpretieren" erläutert Julia Fischer, "scheint sich also unabhängig und viel früher als die Fähigkeit entwickelt zu haben, diese akustischen Signale auch selber zu produzieren, also sprechen zu können."

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