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Soziale Insekten: Ausgebremster Wehrdienst

Termiten-Arbeiter sind wahre Multitalente - auch außerhalb ihrer koloniepflegenden Tätigkeiten: Die Tiere stecken in einem frühen Entwicklungsstadium und können daher noch sowohl den Karriereweg zu Soldaten als auch zu Nachwuchsproduzenten einschlagen. Zwei Genprodukte entscheiden, wohin es geht.
Termiten
Im Kastenwesen der sozialen Insekten hat jeder eine klare Aufgabe: Manche sorgen für Nachwuchs, andere für das Wohl aller, und eine dritte Clique kümmert sich darum, dass sie dies in Ruhe tun können. Königin, Arbeiterin, Soldat – alles extra herangereifte Spezialisten, so scheint es.

Doch bei Termiten stimmt das Bild nicht ganz. Auch diese ursprünglichen Insekten haben ein streng hierarchisches System, doch sind die Arbeiter hier nicht das Endstadium einer Entwicklung, sondern nur ein Zwischenstand – im Prinzip Jugendliche vor der Pubertät. Denn die mit Nahrungsbeschaffung, Grabungsarbeiten und Brutpflege befassten Tiere können sich noch zu fortpflanzungsfähigen Koloniegenossen differenzieren oder aber nach einem weiteren Vorstadium die Verteidigungstruppen der Gemeinschaft verstärken. Grundlage für oder wider die militärische Laufbahn ist eine Variante des Juvenilhormons, das sich bei frisch gebackenen Kriegerindividuen in zwei- bis fünffacher Menge findet. Bleibt der Hormonspiegel hingegen konstant, schlüpft bei der nächsten Häutung schlicht wieder ein vorpubertärer Arbeiter.

Nun sollte die Berufsfindung in Sozialstaaten nicht dem Zufall überlassen werden – welchen Sinn hätte beispielsweise eine Riesenarmee ohne Nahrungslieferanten und Nachwuchs? Es muss also eine genetische Basis und Steuerung der Prozesse geben. Gesucht, gefunden: In früheren Studien entdeckte die Arbeitsgruppe um Michael Scharf von der Universität von Florida in Gainesville, dass zwei Hexamerine dabei eine entscheidende Rolle spielen. Diese Gruppe von Proteinen greift vor allem bei noch jugendlichen Insekten in zahlreiche Speicherprozesse und die Bindung von Hormonen ein. Nun wollten die Forscher wissen, ob eine Blockade der entsprechenden Gene die Entwicklung zum Soldaten eher fördert oder hemmt.

Also legten die Forscher die beiden Erbanlagen mittels RNA-Interferenz still und spritzten ihren sechsbeinigen Versuchskaninchen außerdem eine gute Dosis Juvenilhormon, um einen Entwicklungsschub auszulösen. In der Kontrollgruppe – zusätzliches Juvenilhormon, aber normale Hexamerin-Produktion – reiften erwartungsgemäß mehr Vorstadiums-Soldaten heran. In Hexamerin-blockierten Artgenossen ohne zusätzliche Hormone ebenfalls, und das auch in ähnlichem Ausmaß. Eine wahre Soldatenflut aber ernteten die Wissenschaftler in der dritten Abteilung, der sie sowohl Hormon verabreicht als auch die Hexamerine ausgeschaltet hatten.

"Dies ist der Beginn einer neuen Ära soziogenomischer Forschung in der hochgradig unterrepräsentierten eusozialen Insektenordnung Isoptera"
(Xuguo Zhou et al.)
Die Proteine lösen das Erwachsenwerden also nicht aus, sondern unterdrücken den Sprung in die Verteidigungsreihen. Doch auf welche Weise? Zwei mögliche Erklärungen mit jeweils guten Argumenten warten auf nähere Untersuchung. So könnten die Hexamerine zum einen als Hormonfänger dienen: Indem sie das Juvenilhormon binden und somit dem Insekten-Stoffwechsel entziehen, fehlt den unreifen Termitenkörpern schlicht der nötige Schalter, der die Verwandlung anknipst. Oder aber den Hexamerinen kommt die Aufgabe zu, den Ernährungsstatus der Kolonie zu signalisieren: Fehlt der Futternachschub, sind Arbeiter vonnöten, nicht Soldaten. Dazu passt, dass viele Hexamerine in Zeiten der intensiven Brutpflege verstärkt hergestellt werden und so die Zahl der Versorger hoch halten.

Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Obwohl noch völlig unbekannt ist, wie es funktioniert, scheinen die Soldaten ihrerseits einen Einfluss auf das Entwicklungsschicksal der Arbeiter zu haben: Sie halten die Juvenilhormon-Gehalte bei ihren Baugenossen niedrig und fördern so womoglich den Schritt in Richtung Nachwuchsproduzent. Damit käme den Hexamerinen weit mehr Bedeutung zu, als bislang vermutet. Dementsprechend sehen Scharf und seine Kollegen ihre Studie auch als "Beginn einer neuen Ära soziogenomischer Forschung in der hochgradig unterrepräsentierten eusozialen Insektenordnung Isoptera". Zu deutsch: Termiten sind spannender, als viele Insektenforscher bislang wahrhaben wollen.

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