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News: Bewegende Ruhe

Absoluten Stillstand gibt es in der Welt der Quantenmechanik nicht. Das verbietet schon die heisenbergsche Unschärferelation. Doch die Nullpunktsbewegung zu messen, erfordert einen erheblichen Aufwand.
Quanten-Labor
"Die Welt, in der wir leben, gehorcht den Prinzipien der klassischen Physik. Wir sehen Gegenstände an einem bestimmten Ort", sagt Miles Blencowe, seines Zeichens Theoretischer Physiker am Dartmouth College. "In der mikroskopischen Welt, der Quantenwelt, können sich Dinge jedoch an zwei Orten gleichzeitig befinden. Die heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass je mehr wir versuchen, einen Gegenstand an einem Ort zu fixieren, desto mehr stören wir ihn, bis er uns schließlich entwischt und wir gar nicht mehr wissen, wo er ist. Doch irgendwie wandelt sich die atomare zu unserer gewohnten Welt, wenn wir uns immer größere Systeme anschauen. Gerade diesen Übergang zwischen Quanten- und klassischer Welt wollen Wissenschaftler erforschen."

Das indes ist nicht eben leicht. Schließlich kommt die Quantennatur in der Regel nur bei allerkleinsten Systemen so richtig zum Tragen. Wird der Maßstab größer, dann schwindet langsam der diffuse Schleier des Unbestimmten. Es bedarf also eines erheblichen Messaufwands, die subtilen Effekte nachzuweisen. Immerhin, anhand von Fullerenen konnten Wissenschaftler bereits an verhältnismäßig großen, fast schon makroskopischen Objekten quantenmechanische Phänomene nachvollziehen wie etwa die Beugung am Spalt. Aber längst nicht alle Kunststücke aus dem quantenphysikalischen Kabinett sind alltagstauglich. Wie sieht es beispielsweise mit Heisenbergs Unschärferelation aus?

Hierfür haben Wissenschaftler um Matthew LaHaye von der University of Maryland ein Experiment ersonnen: Ein mit Gold beschichteter Silicium-Nitrid-Streifen von 200 Nanometer Breite und 8 Mikrometer Länge ist dabei frei schwingend in eine Lücke eines Wafers eingespannt. In direkter Nachbarschaft auf dem Material sitzt ein so genannter Einzel-Elektronen-Transistor – im Prinzip eine kleine Metallinsel, auf die – der Name deutet es an – einzelne Elektronen von dem schwingenden Resonatorstreifen überspringen können. Das wiederum lässt sich mit einer empfindlichen Messelektronik erfassen, sodass über den Transistor, der quasi als Verstärker und Abstandssensor dient, die Bewegung des vibrierenden Streifens nachzuvollziehen ist.

Die Idee ist nun, die Apparatur soweit herabzukühlen, dass die thermische Bewegung des Streifens immer mehr abnimmt und schließlich nur noch eine Restbewegung aufgrund der Unschärferelation übrig bleibt, die selbst am absoluten Nullpunkt der Temperaturskala nicht verschwindet. Dazu wiederum gilt es zwei Hürden zu überwinden: Zum einen muss eine extrem tiefe Temperatur erreicht werden, ab der die thermischen Schwingungen nicht mehr die Nullpunktsschwingung überdecken. Der absolute Nullpunkt ist schon aus theoretischen Gründen nicht zu erreichen, aber prinzipiell kann man ihm beliebig nahe kommen. Zum anderen muss die Messmethode empfindlich genug sein, die verschwindende Bewegung zu erfassen. Beides lässt sich mit derzeitiger Technik noch nicht erreichen, aber LaHaye und sein Team sind offensichtlich auf dem besten Weg dorthin.

So besitzt der vibrierende Streifen bislang eine Eigenfrequenz von rund 20 Megahertz, das würde jedoch eine Kühlung auf höchstens ein Millikelvin hinab erfordern, um die Temperaturbewegung weit genug abzubremsen – 60 Millikelvin erreichen die Forscher derzeit mit ihrer Apparatur. Andere Gruppen konnten jedoch bereits kleinere Schwingelemente mit entsprechend größerer Eigenfrequenz bauen, die eine nicht ganz so tiefe Kühlung benötigt – so gesehen: durchaus ein erreichbares Ziel.

Allerdings ist es nicht nur die Kühlung, die noch Schwierigkeiten bereitet. So liegt die Empfindlichkeit des Einzel-Elektronen-Transistors noch um einen Faktor zehn von dem Wert entfernt, der theoretisch nötig wäre, die unscheinbare Nullpunkts-Zitterbewegung des Resonatorstreifens zu erfassen. Aber auch hier besteht noch Spielraum: So lässt sich der Transistor nach Auffassung von Blencowe noch näher an den schwingenden Streifen platzieren und damit die erforderliche Empfindlichkeit erreichen.

Noch ist es also nicht soweit, dass sich an einem mikroskopischen System die Nullpunktsbewegung nachweisen lässt. Aber es scheint so, also seien Wissenschaftler buchstäblich nur noch einen klitzekleinen Schritt davon entfernt.

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