COP29 in Baku: Klimakonferenz in Trumps Schatten
Mit rund fünf Milliarden Tonnen jährlich sind die USA der zweitgrößte Verursacher von CO2-Emissionen weltweit nach China. Diesen enormen Beitrag zur globalen Erwärmung wollte die Regierung Biden nach und nach senken. Doch nun sind die Chancen dafür selbst massiv geschrumpft – und das pünktlich zum Beginn des 29. Weltklimagipfels der Vereinten Nationen. Der alte und neue US-Präsident Donald Trump rühmte Erdöl und Erdgas gleich in seiner Siegesrede von West Palm Beach in Florida aus um drei Uhr morgens als »flüssiges Gold«, von dem die USA mehr besäßen als Russland und Saudi-Arabien.
»Drill, baby, drill« hatte einer von Trumps zentralen Wahlversprechen geheißen. Um das unbegrenzte Bohren durchzusetzen, hat er angekündigt, zu Beginn seiner Präsidentschaft »für einen Tag Diktator« zu sein und handstreichartig Beschränkungen dafür aufzuheben, fossile Brennstoffe zum Beispiel in Naturschutzgebieten zu gewinnen. Zudem will Trump das viele hundert Milliarden US-Dollar schwere Förderprogramm Bidens für grüne Technologien streichen. Und er will die Mitwirkung seines Landes am Klimavertrag von Paris aufkündigen, wie er es schon 2019 getan hatte.
Die neue, radikal wissenschaftsfeindliche Tonlage, die nun in der Klimapolitik aus Washington zu erwarten ist, stimmte kurz vor der Wahl Trumps prominenter Unterstützer Tucker Carlson an. Nicht CO2-Emissionen seien daran schuld, dass es stärkere Hurrikane gebe, sondern Abtreibungen. Die Extremwetterereignisse seien eine göttliche Strafe für diese »Menschenopfer«. So hoch war der Gaga-Faktor in der Klimadebatte wohl noch nie.
Schwierige Ausgangslage schon vor der US-Wahl
Die Vorzeichen für die COP29, die am Montag in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku beginnt, könnten nach dem Wahlsieg Trumps schlechter kaum sein. Vertreter von 200 Regierungen wollen dort unter den Augen von tausenden Beobachtern aus Umweltorganisationen, Wissenschaft und Wirtschaft eigentlich zusammenkommen, um die nächsten Schritte hin zu den globalen Klimazielen abzustecken.
Die Ausgangslage für den Gipfel war schon vor dem Trump-Sieg schwierig genug: Trotz Klimavertrag von Paris, trotz Rekordtemperaturen und brutalen Extremwetterereignissen, trotz eines Stroms alarmierender Studien wächst der weltweite CO2-Ausstoß nach einer kurzen, pandemiebedingten Pause wieder.
Allein die Emissionen, die beim Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas entstehen, haben 2023 die Marke von 40 Milliarden Tonnen jährlich geknackt. Hinzu kommt das CO2 aus brennenden Wäldern und Feuchtgebieten, wie etwa dem brasilianischen Pantanal. Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre hat mit rund 420 parts per million (ppm) einen neuen Höchstwert erreicht – und beunruhigender noch, die Zuwachsrate nimmt selbst zu. Lag sie bis in die 1990er Jahre unter 1,5 ppm pro Jahr, waren es in den frühen 2000er Jahren schon zwei ppm pro Jahr und zuletzt mehr als drei ppm.
Dieser Trend spiegelt wider, dass die Fähigkeit von Ozean, Wäldern und anderen Ökosystemen, zusätzliches Kohlendioxid entweder aufzunehmen oder in Biomasse umzuwandeln, zunehmend erschöpft ist. Nicht nur in Deutschland setzen Wälder im Saldo inzwischen mehr CO2 frei, als sie aufnehmen. Auch andere natürliche Puffer und Speicher rund um den Globus machen schlapp oder kippen sogar um und werden zu zusätzlichen CO2-Quellen.
Die Klimapolitik beeindruckt das Klima nicht
Der Ausstoß des potenten Treibhausgases Methan nimmt ebenfalls zu. Das International Methane Emissions Observatory, das zum 26. Weltklimagipfel in Glasgow 2021 initiiert worden war, hat seither Unternehmen und Regierungen 1100 riesige Leckagen des Gases zum Beispiel in Pipelines und Bohrlöchern gemeldet, die aus dem Weltraum detektiert worden sind. Dem Leiter des Programms zufolge wurde nur in fünf bis zehn Fällen etwas gegen das Ausströmen von Methan unternommen.
Dass die Treibhausgase zunehmen, hat messbare Folgen bei den Temperaturen. Sowohl im Meer als auch an Land registrieren Klimaforscher immer neue Rekordwerte. Und wie die UN-Umweltagentur (UNEP) im Oktober in ihrem so genannten »Lücken-Report« bekannt gab, befindet sich die Menschheit trotz aller klimapolitischer Bemühungen seit der COP1 im Jahr 1995 in Berlin weiter auf dem Kurs, die Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,6 Grad bis 3,1 Grad Celsius zu erhöhen. Der EU-Klimadienst Copernicus gab am Mittwoch bekannt, dass 2024 mit großer Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen wird und erstmals ein Jahr die Marke von 1,5 Grad Erwärmung überschreitet.
Die Wetterextreme von heute – wie die katastrophalen Überschwemmungen im Südosten der USA, in Westafrika, Tschechien und Spanien allein in den vergangenen Wochen – sind den wissenschaftlichen Analysen zufolge nur ein harmloser Vorgeschmack auf das, was Mensch und Natur in einer solchen »Heißzeit« droht. Der Klimavertrag von Paris besagt deshalb, dass die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad und maximal auf 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden muss.
Eine zur COP29 im Journal »BioScience« veröffentlichte Übersichtsstudie von Klimaforschern beginnt vor diesem Hintergrund in einem Telegrammstil, der so gar nicht nach nüchterner Wissenschaft klingt: »Wir befinden uns am Rand einer unumkehrbaren Klimakatastrophe. Es handelt sich zweifellos um einen globalen Notfall. Ein Großteil der Lebensgrundlagen auf der Erde ist gefährdet. Wir treten in eine kritische und unvorhersehbare neue Phase der Klimakrise ein«, schreiben die Autoren, zu denen auch Johan Rockström, der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) gehört.
Immerhin: Erneuerbare Energien wachsen
In einer anderen aktuellen Studie legen Forscher im Journal »Global and Planetary Change« dar, dass selbst bei der erdgeschichtlichen Rekorderwärmung an der Grenze von Paläozän und Eozän vor 56 Millionen Jahren, die Geologen als PETM abkürzen, nicht so viel erwärmendes CO2 in so kurzer Zeit in die Atmosphäre gelangt sei wie jetzt: »Die Rate an Kohlenstofffreisetzung während des PETM war die höchste in den vergangenen 66 Millionen Jahren, betrug aber nur ein Zehntel der heutigen Rate«, schreiben sie. Selbst wenn die Menschheit ihre CO2-Emissionen auf null bringe, werde »die Erwärmung, die Eisschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels für mindestens 100 000 Jahre anhalten«.
Zur Ausgangslage für den Klimagipfel von Baku gehören aber auch positive Trends: Bei dem Ziel, erneuerbare Energiequellen auszubauen, gibt es weltweit durchaus Fortschritte. Die Internationale Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) hat im Oktober in einem umfassenden Report bekannt gegeben, dass 2023 weltweit ein wahrer Boom eingesetzt hat. Mit 473 Gigawatt wurde fast doppelt so viel Kapazität installiert wie noch im Vorjahr. 83 Prozent aller neuer Kraftwerkskapazitäten kamen dabei aus erneuerbaren Energiequellen – allen voran Fotovoltaik.
China führt die Liste der Länder mit dem größten Zuwachs an. In Deutschland stammen inzwischen mehr als 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. IRENA machte aber zugleich klar, wie viel noch zu tun ist: Um die globalen Ziele zu erreichen, müssten weltweit pro Jahr 1,5 Billionen US-Dollar in erneuerbare Energien, 717 Milliarden Dollar in den Netzausbau und satte 2,3 Billionen Dollar in mehr Energieeffizenz investiert werden. Der gesamte Investitionsbedarf bis 2030 beläuft sich demnach auf 31 Billionen Dollar.
Mehr Geld für den Klimaschutz zu mobilisieren, soll deshalb zu den inhaltlichen Schwerpunkten der COP29 zählen. So hat es deren Präsident Mukhtar Babayev angekündigt. Der 57-Jährige ist seit 2018 Minister für Ökologie und natürliche Ressourcen des autoritär regierten Gastgeberlandes. Obwohl Aserbaidschan selbst sehr stark von Erdölexporten lebt, hat Babayev sich eindeutig zum 1,5-Grad-Ziel bekannt und sich das Ziel gesetzt, dass der Gipfel in Baku nicht in der Reihe vergessener COPs stehen, sondern ein »Fundament für die gesamte weitere Klimapolitik sein wird«.
Dauerthema: Das liebe Geld
Seine oberste Verhandlungspriorität als COP29-Präsident sei es eine »Einigung auf ein faires und ehrgeiziges neues kollektives quantifiziertes Ziel für die Klimafinanzierung zu erzielen, das der Dringlichkeit und dem Ausmaß des Problems angemessen ist und die Bedürfnisse und Prioritäten der Entwicklungsländer berücksichtigt«, bekräftigte Babayev in einem Brief an alle Vertragsstaaten.
Christoph Bals, der Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, lobt, Babayev liege richtig, wenn er sehr grundsätzliche Finanzfragen zur Diskussion stellen wolle. Zum Beispiel zur Rolle von Entwicklungsbanken und dazu, wie private Gelder in den Klimaschutz gelenkt werden könnten. »Sollen die Ziele für Klimaschutz, Anpassung und zur Bewältigung der Schäden erreicht werden, bedarf es mindestens einer Verzehnfachung der bislang mobilisierten 100 Milliarden Dollar jährlich», sagt er.
Das Ziel von einer Billion Dollar jährlich, die allein über die Klimafonds im Rahmen der UN fließen und vor allem ärmeren Ländern bei der grünen Entwicklung helfen sollen, trifft auch bei den Unterhändlern der Bundesregierung grundsätzlich auf Sympathie. Dass Deutschland angesichts des Auseinanderbrechens der Ampelkoalition in Baku höhere Mittel zusagen kann, ist aber nahezu ausgeschlossen. Ohnehin will die Regierung dafür eintreten, dass auch Länder wie China künftig in die Klimafonds einzahlen. Auf einen Status als Entwicklungsland kann sich die Volksrepublik demnach nicht länger berufen.
Zweites wichtiges Thema in Baku wird sein, zu welchen neuen Reduktionszielen sich die 200 Staaten verpflichten. Der große Fortschritt des Klimavertrags von Paris war es, dass die Länder nach 20 Jahren gegenseitiger Schuldzuweisungen vereinbarten, dass alle im Dienst der Klimaziele handeln müssen. Es gibt jedoch keine harten Vorgaben und Quoten dafür. Jedes Land muss aber eigene Nationally Determined Commitments, also in Eigenregie festgelegte Klimaziele, transparent bei den Vereinten Nationen hinterlegen. Der »Lücken-Report« zeigt dann auf, ob diese so genannten NDCs taugen, das 1,5-Grad-Ziel zu halten – und weil dem nicht so ist, geht es nun darum, die nationalen Klimaziele »nachzuschärfen«, wie es im Verhandlerjargon heißt.
Hat die Klimapolitik eine Zukunft?
Spätestens bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz 2025 im brasilianischen Belém, am Rand des derzeit austrocknenden Amazonas, müssen diese neuen Ziele stehen. Verhandelt wird in Baku auch darüber, wie Länder sich dabei internationale Kooperationen anrechnen können. So will zum Beispiel die Schweiz einen erheblichen Teil seines Klimaziels durch Projekte in Ghana erreichen. Bei solchen Kooperationen kann es zum Beispiel darum gehen, Entwaldung zu vermeiden oder Brennholz in Dörfern durch Solarenergie zu ersetzen. Bei Umweltorganisationen geht jedoch die Sorge um, dass bei solchen Deals die CO2-Ersparnisse künstlich hochgerechnet werden. In Baku sollen Regeln gefunden werden, das zu vermeiden.
Bis zur Wahlnacht in den USA musste das Gastgeberland Aserbaidschan selbst damit rechnen, im Zentrum kritischer Aufmerksamkeit zu stehen, und das nicht nur wegen Sorgen vor Menschenrechtsverstößen im Umgang mit anreisenden und einheimischen Klimaaktivisten. Das Land hat bisher keine ambitionierten eigenen Klimaziele vorgelegt. Die Emissionen sind allein seit 2010 um 38 Prozent gestiegen. Beim »Petersberger Klimadialog« des deutschen Außenministeriums im Frühjahr sorgte der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew für große Beunruhigung, als er sagte, die eigenen Öl- und Gasreserven seien ein Geschenk Gottes und ihre Nutzung ein Recht der Öl- und Gasstaaten.
All das wird durch den Wahlsieg Trumps verblassen. Sagten EU-Unterhändler schon vorher, sie erwarteten »die schwierigsten Verhandlungen seit Paris 2015«, steht die Frage im Raum, ob das drohende Ausscheiden der USA aus dem Klimavertrag – oder sogar aus der ganzen UN-Klimakonvention – ein Wirkungstreffer für die internationale Umweltpolitik werden könnte. »Die Wahl von Trump ist für die internationale Klimapolitik eine Katastrophe«, kommentierte die Energieökonomin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Trump werde Posten in Regierung, Energieministerium und Umweltbehörde mit Klimawandelleugnern besetzen und Förderung für grüne Technologien wohl nicht ganz abschaffen, aber reduzieren.
Noch größer ist die Sorge vor einem Ansteckungseffekt. Andere Länder könnten sich auf die USA berufen und eigene Klimaziele zurückschrauben, so wie es in Deutschland bereits die FDP fordert. Nachdem Trump in seiner ersten Amtszeit aus dem Paris-Vertrag ausgestiegen war, hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft errechnet, dass dies auf Dauer die globale CO2-Reduktion um mehr als ein Drittel schmälern könnte. Ein wichtiger Faktor dabei war es, dass die globalen Klimaschutzbemühungen insgesamt an Schwung verlieren, wenn die USA als westliche Führungsmacht dabei ausfallen. Nicht nur die Energieökonomin Claudia Kemfert spricht deshalb mit Blick auf die USA von einem »schwarzen Tag für die Klimapolitik«.
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