Ringheiligtum: Mini-Stonehenge in Dänemark ausgegraben

Stonehenge ist das berühmteste Rundheiligtum seiner Zeit. Doch im 3. Jahrtausend v. Chr. gab es in Europa zahlreiche ähnliche Anlagen, die jedoch selten so markant die Landschaft bis heute zieren wie Stonehenge. Der Grund: Sie waren nicht aus Steinpfeilern, sondern aus Holzpfosten gebaut. Ein solches Rundheiligtum haben Archäologen nun in Aars in der norddänischen Kommune Vesthimmerland entdeckt. Die Ausgräber Sidsel Wåhlin und Andreas Bo Nielsen vom Vesthimmerland Museum weisen den Fund den so genannten Glockenbecherleuten zu, wie das Museum in einer Presseinformation mitteilt. Diese auch Glockenbecherphänomen genannte Gruppe aus der Zeit zwischen 2600 und 2200 v. Chr. könnte den Steinkreis in Stonehenge erbaut oder verwaltet haben, ebenso vergleichbare Anlagen wie das bei Stonehenge gelegene Woodhenge und das Rondell von Pömmelte in Sachsen-Anhalt.
Die neu entdeckte Anlage in Vesthimmerland zählte 45 Holzpfosten, die im Abstand von zwei Metern zu einem Rund von 30 Meter Durchmesser aufgestellt waren. Innerhalb der Palisadenreihe standen weitere Pfosten; insgesamt hatte man zirka 80 Holzstämme in den Boden gerammt, erklärt Wåhlin gegenüber der dänischen Rundfunkanstalt »DR«. Die Archäologen datieren die Kreisanlage in die Zeit von 2600 bis 1600 v. Chr., also an den Übergang von der Jungsteinzeit in die Bronzezeit. Ähnlich wie die Rituallandschaft in Stonehenge mehrere Monumente umfasst, liegen auch zwei Kilometer von Aars entfernt weitere Reste einer bereits bekannten Rundanlage sowie ein Gräberfeld und Siedlungen aus der späten Jungsteinzeit.
Heiligtümer für einen Sonnenkult?
Archäologen deuten die Rundanlagen jener Zeit als Ritualplätze, die eng mit dem Lauf der Sonne verbunden waren. In Stonehenge beispielsweise verläuft die Hauptachse der Anlage entlang einer Nordost-Südwest-Bahn – dort lässt sich während der Sommersonnenwende im Juni der Sonnenaufgang und zur Wintersonnenwende im Dezember der Sonnenuntergang beobachten. Vergleichbare Orientierungen haben Fachleute in Pömmelte erkannt: Auf der Sichtachse, die durch die beiden Haupteingänge verlief, sah man an den Tagen, die zwischen den Sonnenwenden und den Tag-und-Nacht-Gleichen liegen, die Sonne auf- beziehungsweise untergehen. In der Anlage in Aars waren womöglich ähnliche Sichtachsen verbaut, erklärte Wåhlin gegenüber »The Guardian«.
Über Teile Europas hinweg hatten die Menschen damals wohl dieselben Glaubensvorstellungen. Sie lebten fast alle als Bauern, ihr Tagewerk war demnach stark am Jahreskreislauf und an der Sonne ausgerichtet. Als rituelle Zentren für eine Art Sonnenkult könnten die Rundanlagen gedient haben. In Stonehenge oder Pömmelte legen die Funde von Opferschächten, Gruben und Gräbern nahe, dass man die Orte einst als Heiligtümer aufsuchte. Im Rund von Aars haben die Archäologen offenbar noch keine solchen Befunde dokumentiert, die Grabungen sind aber auch noch nicht abgeschlossen.
Fachleute definieren die Gruppe der Glockenbecherleute anhand von Männergräbern, die mit bestimmten Objekten ausgestattet waren: Glockenbechern, Kupferdolchen, Pfeilspitzen und Armschutzplatten für Bogenschützen. Das Glockenbecherphänomen war in ganz Europa, jedoch nicht flächendeckend verbreitet. Dennoch scheinen die Gruppen über weite Distanzen in Kontakt gestanden zu haben und waren teils vom europäischen Festland auf die Britischen Inseln gewandert. Eine große Genanalyse aus dem Jahr 2018 ergab, dass die Glockenbecherlaute von Pömmelte mit denen von Stonehenge verwandt waren.
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