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Medien: "Das Fernsehen eignet sich nicht für Debatten über Tierversuche"

Ende letzten Jahres publizierte das Fachmagazin "Nature" einen Artikel zur "Basler Deklaration": Um Widerstände gegen Tierversuche zu verringern, sollten Wissenschaftler mit der Öffentlichkeit in Dialog treten, so der Tenor der Erklärung. Der Kölner Fernsehjournalist und Moderator Ranga Yogeshwar hält in der aktuellen Ausgabe dagegen. Er verteidigt die Tierversuche nicht, sieht aber im Fernsehen nicht das geeignete Medium, um darüber zu informieren und zu diskutieren.
Affenhand
Spektrumdirekt: Sie sind der Meinung, Forscher würden sich auf dünnes Eis begeben, wenn sie ihre Tierversuche im Fernsehen verteidigten. Ist es aber nicht die Pflicht eines Wissenschaftlers, derartige Experimente in der Öffentlichkeit zu erklären – auch im Fernsehen?

Ranga Yogeshwar: Ich widerspreche Ihnen nicht direkt. Das Medium Fernsehen ist aber ein sehr emotionales Medium. Ein so komplexes Thema wie Tierversuche lässt sich auf rationaler Ebene nur noch sehr schwer oder gar nicht dokumentieren und diskutieren, wenn Gefühle eingebracht werden – etwa durch Bilder oder Filmaufnahmen von Tests an Affen oder Hunden. Danach können Sie die Zuschauer, die ja keine Fachleute sind, nicht mehr von diesen zum Teil gewaltigen Emotionen lösen und mit rationalen Argumenten überzeugen.

Liegt der Fehler dann nicht eher bei den Fernsehmachern, die mit diesen Emotionen spielen?

Man muss begreifen, wie das Medium Fernsehen funktioniert: Das Fernsehen ist nicht geeignet, um sehr differenzierte und in der Sache auch emotional schwierige Themen zu behandeln – damit ist es überfordert. Es stößt hier einfach an eine Grenze.

Vor Kurzem berichteten wir über die Erforschung des Rett-Syndroms – einer tödlichen Krankheit, die junge Mädchen treffen kann: Sie wird angeblich behindert, weil Universitäten ein patentiertes Mausmodell nicht nutzen dürfen. Könnten deshalb nicht auch umgekehrt die Forscher die emotionale Karte spielen und mit der Bekämpfung von Krankheiten argumentieren, die ohne Tierversuche vielleicht erschwert würde?

Ranga Yogeshwar | Von 1987 an arbeitete Ranga Yogeshwar als Wissenschaftsredakteur und Moderator beim WDR. Zu den von ihm betreuten Sendungen zählen "Quarks und Co", "Globus", "Kopfball" oder "Wissen vor 8". Er ist Autor mehrerer Bücher und wurde vielfach für seine Arbeit geehrt. Seit 2008 ist er freiberuflich tätig.
Natürlich, das könnten sie. Ich habe selbst im Jackson Lab in Harvard gedreht, wo die meisten patentierten Genmäuse weltweit gezüchtet werden. Meine Argumentationslinie ist jedoch sehr geradlinig: Mir geht es nicht um Tierversuche ja oder nein – das ist nicht mein Thema.

Mir geht es darum, in welchem Forum ein ethisch problematisches Thema am geeignetsten im Detail beleuchtet und diskutiert werden kann. Das lässt sich im Massenmedium Fernsehen heute unter diesem Quotendruck nicht mehr bewerkstelligen. Meine Sendung Quarks und Co läuft normalerweise mit gutem Zuspruch, die durchschnittliche Sehdauer des einzelnen Zuschauers beträgt jedoch nicht einmal eine halbe Sendung.

Das bedeutet?

Stellen Sie sich einen normalen Universitätsvortrag vor, und das Publikum verhielte sich wie im Fernsehen: Es herrschte dann ein ständiges Kommen und Gehen wie in der Bahnhofshalle. In dieser Atmosphäre können Sie kein komplexes Thema behandeln, dem die Zuhörer von Anfang an bis zum Ende folgen müssten. So etwas funktioniert heute schon bei einer normalen Fernsehsendung wegen der veränderten Sehgewohnheiten fast nicht mehr.

Was wäre denn dann das geeignete Medium, um die Öffentlichkeit über Sinn – oder Unsinn – von Tierversuchen aufzuklären?

Der Printbereich wäre hierfür deutlich besser geeignet, vor allem dann, wenn die entsprechenden Artikel nicht bebildert werden. Sobald sie Fotos zeigen, lösen diese Bilder emotionale Reaktionen aus – was vollkommen natürlich ist, denn das Thema ist eben hochemotional: Aufnahmen eines schreienden Versuchsaffen mit panischen Augen schockieren uns, unabhängig von Sinn und Unsinn der Tests.

Nun erreicht gerade das Fernsehen deutlich mehr Menschen als die meisten Printprodukte: Müssten die Forscher dann nicht erst recht ins Fernsehen, um die Öffentlichkeit über ihr Tun aufzuklären?

Sie gehen von einer Grundthese aus, die nicht zutrifft: dass das Fernsehen Abbild gesellschaftlicher Entwicklungen ist. Fernsehen unterliegt, wie Printmedien auch, eigenen Gesetzen. Das zeigt sich momentan beispielsweise sehr schön in der Debatte um Herrn zu Guttenberg: Wie weit ist diese tatsächlich gesellschaftlich relevant? In Wahrheit hat sie doch mit gesellschaftlichen Anforderungen herzlich wenig zu tun. Ob er nun seine Doktorarbeit abgeschrieben hat oder nicht, ändert nichts an meinem eigenen Leben.

Als vor einigen Monaten im Verteidigungsministerium eine Nachforderung von Airbus für den neu entwickelten Militärtransporter A400M in Milliardenhöhe einging, wurde dies in den Medien dagegen kaum aufgenommen. Dabei hat dies eine viel stärkere Auswirkung auf mein Leben, da es auch um meine Steuergelder geht. Es wird einfach ungleich gewichtet – und das würde es einem Wissenschaftler erschweren, sachlich über Tierversuche aufzuklären, ohne heftige Emotionen zu wecken.

Angenommen, es würde eine Reportage zum Thema Sinn und Unsinn von Tierversuchen gedreht: Wie soll ein Wissenschaftler reagieren, wenn Fernsehmacher auf ihn zukommen? Wenn er ablehnt, muss er doch befürchten, dass der Beitrag erst recht einseitig ausfällt und seinen Standpunkt in der Öffentlichkeit schwächt.

Was sollte man von einer Debatte zum Thema "Tierversuche" im Fernsehen erwarten? Wer inszeniert oder redigiert diese Debatte? Treten dem Forscher beispielsweise die Macher einer reißerischen, auf Quote bedachten Sendung gegenüber, kann er a priori nicht erwarten, dass dort eine sachliche Debatte stattfindet.

Man muss nur die Besetzung von Talkshows betrachten: Warum werden dort immer wieder nur bestimmte Leute eingeladen? Die Auswahl dieser Gäste deutet doch schon an, dass es den Redakteuren nicht ausschließlich um die sachliche Klärung eines Themas geht, sondern um eine möglichst lebendige, vielleicht sogar polemische Diskussion. Wie sähe also wohl eine Talkshowrunde zum Thema "Tierversuche" aus? Auf der einen Seite säße wahrscheinlich ein Tierschützer, ein kritischer Journalist, der die Pharmaindustrie im Visier hat, und ein Topmodel, das sich gegen das Tragen von Pelzen ausspricht – und auf der anderen Seite ein Wissenschaftler von der Universität, der Tierversuche macht. Wenn er Glück hat, gesellt man ihm noch einen Patienten an die Seite, der an einer seltenen Krankheit leidet.

Sie können fest damit rechnen, dass diese Sendung turbulent wird und dass schlimme Bilder von Tierversuchen gezeigt werden. Die Diskussion wühlt die Seelen der Zuschauer auf, führt aber nicht zu einer sachlichen Klärung der Frage, ob Tierversuche nötig sind oder nicht.

Aber wie kann sich der Wissenschaftler aus der Affäre ziehen, wenn das Fernsehen auf ihn zukommt?

Der Forscher sollte sich im Klaren sein, dass das Fernsehen weder Gesetzgeber noch Gericht darstellt. Existiert ein rechtliches Problem mit Tierversuchen an seinem Institut, muss diese Arbeit ohnehin gestoppt werden – unabhängig von einem Auftritt der Beteiligten im Fernsehen. Laufen die Versuche dagegen mit einer Genehmigung und unter Beachtung aller rechtlichen und ethischen Vorgaben ab, muss sich der Wissenschaftler fragen, was er von einer Teilnahme im TV hat. Er sammelt dort keine weiteren Pluspunkte für seine Arbeit ein – dafür kenne ich das Medium Fernsehen nach 25 Jahren gut genug.

Wäre es denn umgekehrt eine Option für die Forscher, von sich aus in die Offensive zu gehen und für ihr Tun zu werben – statt passiv zuzusehen, wie die öffentliche Meinung vielleicht zu ihren Ungunsten beeinflusst wird?

Das ist aus verschiedenen Gründen kompliziert. Für einen Laien ist es sehr schwer zu begreifen, dass der Weg von der Grundlagenforschung im Labor hin zu einem einsatzfähigen Medikament etwa gegen Parkinson sehr lang und mühselig ist. Wirbt ein Wissenschaftler für seine Tierversuche mit der Begründung, dass er an Parkinson forsche, suggeriert er diesem Laien, die Krankheit könne vielleicht morgen schon heilbar sein. Es ist für viele Menschen nicht durchschaubar, dass viele dieser Experimente an Labormäusen etc. der Grundlagenforschung dienen, die womöglich erst Jahrzehnte später zu einer Arznei führt. Verkürzte Darstellungen wecken also falsche Hoffnungen.

Wer offensiv für seine Tierversuche werben möchte, muss zudem darlegen können, dass es definitiv dafür keine Alternativen gibt. Tritt nur ein Kontrahent auf, der das Gegenteil behauptet, hat der Wissenschaftler sofort verloren. Denn der Zuschauer kann nicht überprüfen, ob diese Behauptung tatsächlich belastbar ist oder nicht.

Dennoch: Haben nicht auch Laien ein Recht darauf zu erfahren, warum Tierversuche gemacht werden – wenn nicht im Fernsehen, so zumindest aus der Zeitung?

Wenn sie in die breite Öffentlichkeit gehen, müssen die Forscher damit rechnen, dass sie auf Gegner treffen, die kategorisch jegliche Tierversuche ablehnen. Diese erreicht man selbst mit dem vernünftigsten Argument nicht, weil sie zu 100 Prozent von ihrer Meinung überzeugt sind. Unter ihnen befinden sich aber leider auch einige Extremisten, die äußerst aggressiv reagieren. Welcher Wissenschaftler kann und will sich ihnen gegenüber exponieren? Sobald er sich in der breiten Öffentlichkeit positioniert, teilt er seinen Namen und Wirkungsort mit. Viele Forscher geben aus Angst vor Fanatikern nichts nach außen – und diese Angst kann ich sehr gut nachvollziehen.

Als Journalist muss ich mich in meinem Selbstverständnis mit Tierversuchen kritisch, sachlich und fair auseinandersetzen. Mein Pragmatismus sagt mir andererseits, dass dies aus dem oben genannten Grund im TV oft nicht funktionieren kann. Mir geht es nicht darum, Dinge unter den Teppich zu kehren – im Gegenteil. Aber in Anbetracht dieser Medienlandschaft macht es wenig Sinn, über denn Sinn und Zweck von Tierversuchen im Fernsehen zu berichten.

Herr Yogeshwar, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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