Bangladesch : Das schleichende Gift im Brunnenwasser
Es ist die größte Vergiftungswelle der Geschichte: Millionen Bengalen leiden an Arsenvergiftung durch belastetes Brunnenwasser. Ein Schnelltest könnte verseuchte Brunnen aufspüren.
Elf Millionen Brunnen, darunter drei Millionen Hausbrunnen: Seitdem Bangladesch im Jahr 1971 in die Unabhängigkeit entlassen wurde, haben Hilfsorganisationen erhebliche Anstrengungen unternommen, die Wasserversorgung im Land auf sichere Füße zu stellen. Eine gut gemeinte Aktion: Mit Hilfe der Brunnen wollten die Vereinten Nationen und die UNICEF den Menschen endlich Zugang zu sauberem Wasser verschaffen.
Doch in den oberen hundert Metern Boden liegt ein Problem, mit dem niemand gerechnet hatte: Über Millionen Jahre hat sich hier Arsen angesammelt. Nun wird es mit dem Wasser nach oben gepumpt. Dadurch sterben die Bengalen nicht mehr an Cholera, sondern durch schleichende chronische Vergiftung, die über viele Jahre hinweg zum Tod führt. Ein Problem riesigen Ausmaßes, das erst in den 1990er Jahren erkannt wurde: Experten sprechen von der größten Vergiftungswelle in der Menschheitsgeschichte. 50 Millionen Menschen sind betroffen, so die Weltgesundheitsorganisation.
Biosensor im Feldversuch
Um ARSOlux im Feld zu testen, reiste der Mikrobiologe gemeinsam mit einer Handvoll Leipziger Kollegen nach Bangladesch. Das Land am Indischen Ozean ist sehr klein. Schätzungsweise 150 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Wie viele es genau sind, wissen selbst die Landesbehörden nicht.
Hunger, Armut, Umweltkatastrophen und Übervölkerung bestimmen das Leben. Über Wohl und Wehe der Menschen entscheidet die Geografie des Landes: Die Hauptstadt Dhaka liegt nur 6 Meter über dem Meeresspiegel. Regelmäßig wird die Küstenregion Bangladeschs mit ihren 15 Millionen Einwohnern überflutet. Steigt der Meeresspiegel infolge des Klimawandels an, werden solche Hochwasser sogar noch häufiger werden. Auch Wirbelstürme fordern immer mehr Opfer.
Wie groß der Leidensdruck durch die Arsenvergiftung dennoch werden kann, erfährt das Leipziger Forscherteam bei seiner Reise. Eins der von ihnen besuchten Dörfer liegt rund 25 Kilometer von der Hauptstadt Dhaka entfernt: Nawapara zählt 5200 Einwohner, die in Wellblechhütten auf zehn bis zwanzig Quadratmetern hausen. Kaum vorstellbar, wie sie hier die Monsunzeit überleben. Die ärmlichen Wohnungen bestehen meist aus einem Raum. Ein Bett, ein Schrank, ein paar Stühle, ein Tisch. Für mehr reicht der Platz nicht aus. Auch ein kleiner Fernseher steht in beinahe jeder Hütte. Der Strom fällt mehrmals täglich aus – durch die Klimaanlagen in den Städten ist das Netz chronisch überlastet.
Die Wissenschaftler testen hier systematisch die Brunnen, die dem Dorf Wasser spenden. Aus einer Liste erfahren die Einwohner, wie es um die Qualität ihrer "Tubewells", den typischen Rohrbrunnen vor den Hütten, bestellt ist: Sichere Quellen erhalten ein grünes Kreuz, mit Arsen belastete ein rotes.
Wechselnde Belastungen
In dieser Gegend findet die deutsche Abordnung stark schwankende Kontaminationen – einige Wasserstellen sind völlig unbelastet, einige liefern nur ungenießbares Wasser. In anderen Regionen seien die Quellen wesentlich homogener, erläutert die Mikrobiologin Carola Endes, auch sie Mitglied der Gruppe.
Auch ein bengalischer Mediziner begleitet die Deutschen nach Nawapara. Achmed Salam reist mit so genannten Satellitenkliniken über die Dörfer und hilft Menschen, die sich die Fahrt ins nächst gelegene Krankenhaus nicht leisten können. In einer der Wellblechhütten sitzt er auf einer Matratze und untersucht einen Mann aus dem Nachbarort. Der Mann ist Mitte 40 und trägt ein Tuch um die Hüften. Sein Körper ist sehr dünn und mit Pigmentstörungen und dunklen Flecken übersät. Auffallend sind auch die schwarz gefärbten Fingernagelbetten. An den Fingergelenken wölben sich kleine Knötchen. Er klagt über permanente Müdigkeit. Außerdem leide er an Übelkeit. Wenn er sich wäscht, brenne ihm das Wasser auf der Haut.
"Die Arsenvergiftung erkennen Sie an dunklen Flecken im Gesicht und am ganzen Körper. An den Fußsohlen und Händen entstehen Verhärtungen unter der Haut. Die Glieder verlieren ihre Beweglichkeit und müssen amputiert werden, und im Körper entstehen Krebsgeschwüre", erklärt der bengalische Arzt, während er den Mann untersucht. Häufig werden die Kranken zusätzlich stigmatisiert. Die Hautveränderungen gelten als unansehnlich, weshalb viele der Betroffenen von ihren Familien ins Haus verbannt werden.
Unterdessen testen die Leipziger Wissenschaftler weiter das Wasser der Dorfbrunnen. Auf einem Tisch mitten auf dem Dorfplatz haben sie die Messgeräte ausgelegt: viele Glasröhrchen mit den gefriergetrockneten Bakterien und den so genannten Luminometer. Er ist das Herz des Arsenschnelltestverfahrens. Die Kosten für den Test wären mit zwei Euro pro Analyse eigentlich sehr gering, wäre da nicht dieses elektronische Lichtmessgerät. Es erfasst die Menge des von den lumineszierenden Bakterien abgestrahlten Lichts und damit indirekt die Arsenkonzentration – und es ist teuer: 3000 Euro kostet die Anschaffung. Aus diesem Grund müssen die Tests von zentraler Stelle organisiert und flächendeckend übers Land durchgeführt werden.
Nach zwei Stunden Wartezeit, die die Bakterien brauchen, um aktiv zu werden, kann Carola Endes die Ergebnisse ablesen. Bis zu 10 Mikrogramm pro Liter gelten laut der Weltgesundheitsorganisation unbedenklich. Hier aber notiert die Forscherin zwischen 200 und 300 Mikrogramm pro Liter; ein tödlicher Mix.
Verhängnisvolle Kombination
Doch die Brunnen allein verursachen noch nicht ein Dilemma solchen Ausmaßes. Das Arsenproblem ist eine Kombination aus Armut und halbherziger Hilfe reicher Länder. Das Wasser aus den Brunnen müsste gereinigt werden, so wie es in Westeuropa üblich ist. Denn Arsen findet man in vielen Böden. Auch in Deutschland.
"In Rheinland Pfalz wurden die bisher höchsten Arsenwerte weltweit gemessen", erklärt der Mineraloge Wolfgang Czegka von der sächsischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig. "Die Maxquelle in Bad Dürkheim ist eine der Quellen mit den höchsten Arsenwerten, die wir weltweit kennen. Es sind bis zu 17 Milligramm pro Liter, also Milligramm Arsen pro Liter in dieser Quelle!" Selbst Czegka scheint erstaunt über diese Mengen. "Ich habe gerade noch einmal nachgelesen."
Würden die Rheinland-Pfälzer dieses Wasser trinken, hätten sie auf Dauer keine Überlebenschance. Doch Probleme gibt es in Deutschland trotzdem nicht. Strenge Trinkwasservorschriften und teure Wasserfiltersysteme schützen die Menschen. Um auf Nummer sicher zu gehen, ist ungefiltertes Wasser aus Grundwasserbrunnen grundsätzlich nicht für die Trinkwassernutzung freigegeben.
"Hohe Arsenmengen im Trinkwasser sind geogen verursacht. Das hat nichts mit der Tätigkeit des Menschen zu tun", erklärt der Geochemiker Frank W. Junge, ebenfalls Mitarbeiter der sächsischen Akademie der Wissenschaften: "Arsen ist ein natürliches Element. Das kommt überall vor. Auch in Bangladesch haben die hohen Arsenkonzentrationen einen natürlichen Ursprung. Verantwortlich sind die Wassermassen, die aus dem Himalaja von den Flüssen in Richtung Bengalischer Golf gespült werden. Und das Gangesdelta, wo Bangladesch liegt, ist im Prinzip das Ende einer sehr langen Kette. Arsen hat sich dort über Millionen von Jahren angesammelt. Das ist kein Problem von vorgestern, sondern von Millionen Jahren. Mit ihrer Brunnenbohrerei haben sie das leider wieder mobilisiert."
Aufklärung vonnöten
Bei der Filtrierung stehen Ingenieure eigentlich vor keiner unlösbaren Aufgabe: Arsen liegt im Trinkwasser meistens in Form von Arsentrioxid – auch als Arsenik bekannt – vor, das sich leicht mit Metallen wie etwa Eisen verbindet. So kann es aus dem Wasser geholt werden. Ein Nebeneffekt dieses Oxidationsprozesses ist allerdings, dass Rost entsteht. Einige Filter produzieren deshalb braunes Wasser. Obendrein schmeckt das Wasser schal und ist den Bengalen in den Sommermonaten zu warm. Da das Arsen geruchs- und geschmacklos ist und nicht unmittelbar auf den Organismus wirkt, würden viele Menschen bestehende Filter links liegen lassen, erläutert Anke Neumann, die im Auftrag des Schweizer Wasserforschungsinstituts vor Ort Filtersysteme testet.
"Um den Menschen in Bangladesch zu helfen, müssen wir einen weiten Weg gehen", sagt der Geograf Konrad Siegfried vom Helmholtzzentrum, einen Abend vor der Abreise aus Bangladesch. "Die Bevölkerung muss besser aufgeklärt werden. Kampagnen, die die Leute vor dem Gift warnen, gibt es nicht. Das wäre der erste Schritt. Und dann müssen wir uns in die Menschen hineinversetzen. Man muss lernen, wie sie zu denken. Erst dann haben wir eine Chance zu helfen."
Lange unterhält sich Friedrich mit Salamat Khandker, Mediziner und Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation. Der Bengale hat eine erschreckend nüchterne Sicht auf die Situation. "Wir können nichts dafür, dass unser Wasser voller Arsen ist. Deshalb brauchen wir Hilfe von außen. Die Regierung hat keine Ressourcen mehr. Das Land wird regelmäßig überflutet. Dann der Hunger. Warum sollen sich die Leute für Arsen im Wasser interessieren, wenn sie froh sind, nicht gleich morgen zu sterben?"
Beide sind sich im Klaren darüber, dass es sehr schwer wird, von Deutschland aus eine Messkampagne zu organisieren. Desinteresse und Korruption bei den zuständigen Behörden kommen ihnen immer wieder in die Quere. Doch für Aufklärung zu sorgen, wäre immerhin ein Anfang. Danach müssten die Dörfer eigentlich mit Wasserleitungs- und Filtersystemen ausgestattet werden. Unter den gegebenen Voraussetzungen eine beinahe unlösbare Aufgabe.
Doch in den oberen hundert Metern Boden liegt ein Problem, mit dem niemand gerechnet hatte: Über Millionen Jahre hat sich hier Arsen angesammelt. Nun wird es mit dem Wasser nach oben gepumpt. Dadurch sterben die Bengalen nicht mehr an Cholera, sondern durch schleichende chronische Vergiftung, die über viele Jahre hinweg zum Tod führt. Ein Problem riesigen Ausmaßes, das erst in den 1990er Jahren erkannt wurde: Experten sprechen von der größten Vergiftungswelle in der Menschheitsgeschichte. 50 Millionen Menschen sind betroffen, so die Weltgesundheitsorganisation.
Ein internationales Forscherteam hat jüngst ein Messverfahren entwickelt, das den Arsengehalt im Wasser einfach und schnell vor Ort nachweisen kann. Einer der Erfinder ist Hauke Harms vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. "Das Prinzip ist ganz einfach", erklärt der Mikrobiologe. "Wir verwenden Kolibakterien, die sich gegen Arsen zur Wehr zu setzen können. Bei Kontakt mit dem Gift schalten sie einen Abwehrmechanismus ein, der das Arsen, das in die Zelle eindringt, immer wieder herauspumpt." Für ihren ARSOlux genannten Biosensor haben sich die Forscher diesen Schalter zu Nutze gemacht: "Wir haben ihn mit Genen eines lichtemittierenden Enzyms gekoppelt. Wenn nun die genveränderten Bakterien mit Arsen in Kontakt kommen, leuchten sie, und diese Lichtabgabe können wir messen. Und zwar in genauer Mengenangabe."
Biosensor im Feldversuch
Um ARSOlux im Feld zu testen, reiste der Mikrobiologe gemeinsam mit einer Handvoll Leipziger Kollegen nach Bangladesch. Das Land am Indischen Ozean ist sehr klein. Schätzungsweise 150 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen. Wie viele es genau sind, wissen selbst die Landesbehörden nicht.
Hunger, Armut, Umweltkatastrophen und Übervölkerung bestimmen das Leben. Über Wohl und Wehe der Menschen entscheidet die Geografie des Landes: Die Hauptstadt Dhaka liegt nur 6 Meter über dem Meeresspiegel. Regelmäßig wird die Küstenregion Bangladeschs mit ihren 15 Millionen Einwohnern überflutet. Steigt der Meeresspiegel infolge des Klimawandels an, werden solche Hochwasser sogar noch häufiger werden. Auch Wirbelstürme fordern immer mehr Opfer.
Vor allem aber leidet beinahe ein Viertel der Bengalen an Hungersnot. Sie sterben, noch ehe das Arsen zum Zuge kommt. Weder bei der Bevölkerung, noch bei den staatlichen Stellen stehen die Vergiftungen daher an erster Stelle der zu lösenden Probleme. Diesen Platz nehmen Hunger und Umweltkatastrophen ein.
Wie groß der Leidensdruck durch die Arsenvergiftung dennoch werden kann, erfährt das Leipziger Forscherteam bei seiner Reise. Eins der von ihnen besuchten Dörfer liegt rund 25 Kilometer von der Hauptstadt Dhaka entfernt: Nawapara zählt 5200 Einwohner, die in Wellblechhütten auf zehn bis zwanzig Quadratmetern hausen. Kaum vorstellbar, wie sie hier die Monsunzeit überleben. Die ärmlichen Wohnungen bestehen meist aus einem Raum. Ein Bett, ein Schrank, ein paar Stühle, ein Tisch. Für mehr reicht der Platz nicht aus. Auch ein kleiner Fernseher steht in beinahe jeder Hütte. Der Strom fällt mehrmals täglich aus – durch die Klimaanlagen in den Städten ist das Netz chronisch überlastet.
Die Wissenschaftler testen hier systematisch die Brunnen, die dem Dorf Wasser spenden. Aus einer Liste erfahren die Einwohner, wie es um die Qualität ihrer "Tubewells", den typischen Rohrbrunnen vor den Hütten, bestellt ist: Sichere Quellen erhalten ein grünes Kreuz, mit Arsen belastete ein rotes.
Wechselnde Belastungen
In dieser Gegend findet die deutsche Abordnung stark schwankende Kontaminationen – einige Wasserstellen sind völlig unbelastet, einige liefern nur ungenießbares Wasser. In anderen Regionen seien die Quellen wesentlich homogener, erläutert die Mikrobiologin Carola Endes, auch sie Mitglied der Gruppe.
Die Bodenbeschaffenheit und eine Vielzahl weiterer Bedingungen führen zu diesen Unterschieden.
Auch ein bengalischer Mediziner begleitet die Deutschen nach Nawapara. Achmed Salam reist mit so genannten Satellitenkliniken über die Dörfer und hilft Menschen, die sich die Fahrt ins nächst gelegene Krankenhaus nicht leisten können. In einer der Wellblechhütten sitzt er auf einer Matratze und untersucht einen Mann aus dem Nachbarort. Der Mann ist Mitte 40 und trägt ein Tuch um die Hüften. Sein Körper ist sehr dünn und mit Pigmentstörungen und dunklen Flecken übersät. Auffallend sind auch die schwarz gefärbten Fingernagelbetten. An den Fingergelenken wölben sich kleine Knötchen. Er klagt über permanente Müdigkeit. Außerdem leide er an Übelkeit. Wenn er sich wäscht, brenne ihm das Wasser auf der Haut.
"Die Arsenvergiftung erkennen Sie an dunklen Flecken im Gesicht und am ganzen Körper. An den Fußsohlen und Händen entstehen Verhärtungen unter der Haut. Die Glieder verlieren ihre Beweglichkeit und müssen amputiert werden, und im Körper entstehen Krebsgeschwüre", erklärt der bengalische Arzt, während er den Mann untersucht. Häufig werden die Kranken zusätzlich stigmatisiert. Die Hautveränderungen gelten als unansehnlich, weshalb viele der Betroffenen von ihren Familien ins Haus verbannt werden.
Unterdessen testen die Leipziger Wissenschaftler weiter das Wasser der Dorfbrunnen. Auf einem Tisch mitten auf dem Dorfplatz haben sie die Messgeräte ausgelegt: viele Glasröhrchen mit den gefriergetrockneten Bakterien und den so genannten Luminometer. Er ist das Herz des Arsenschnelltestverfahrens. Die Kosten für den Test wären mit zwei Euro pro Analyse eigentlich sehr gering, wäre da nicht dieses elektronische Lichtmessgerät. Es erfasst die Menge des von den lumineszierenden Bakterien abgestrahlten Lichts und damit indirekt die Arsenkonzentration – und es ist teuer: 3000 Euro kostet die Anschaffung. Aus diesem Grund müssen die Tests von zentraler Stelle organisiert und flächendeckend übers Land durchgeführt werden.
Nach zwei Stunden Wartezeit, die die Bakterien brauchen, um aktiv zu werden, kann Carola Endes die Ergebnisse ablesen. Bis zu 10 Mikrogramm pro Liter gelten laut der Weltgesundheitsorganisation unbedenklich. Hier aber notiert die Forscherin zwischen 200 und 300 Mikrogramm pro Liter; ein tödlicher Mix.
Verhängnisvolle Kombination
Doch die Brunnen allein verursachen noch nicht ein Dilemma solchen Ausmaßes. Das Arsenproblem ist eine Kombination aus Armut und halbherziger Hilfe reicher Länder. Das Wasser aus den Brunnen müsste gereinigt werden, so wie es in Westeuropa üblich ist. Denn Arsen findet man in vielen Böden. Auch in Deutschland.
"In Rheinland Pfalz wurden die bisher höchsten Arsenwerte weltweit gemessen", erklärt der Mineraloge Wolfgang Czegka von der sächsischen Akademie der Wissenschaften in Leipzig. "Die Maxquelle in Bad Dürkheim ist eine der Quellen mit den höchsten Arsenwerten, die wir weltweit kennen. Es sind bis zu 17 Milligramm pro Liter, also Milligramm Arsen pro Liter in dieser Quelle!" Selbst Czegka scheint erstaunt über diese Mengen. "Ich habe gerade noch einmal nachgelesen."
Würden die Rheinland-Pfälzer dieses Wasser trinken, hätten sie auf Dauer keine Überlebenschance. Doch Probleme gibt es in Deutschland trotzdem nicht. Strenge Trinkwasservorschriften und teure Wasserfiltersysteme schützen die Menschen. Um auf Nummer sicher zu gehen, ist ungefiltertes Wasser aus Grundwasserbrunnen grundsätzlich nicht für die Trinkwassernutzung freigegeben.
"Hohe Arsenmengen im Trinkwasser sind geogen verursacht. Das hat nichts mit der Tätigkeit des Menschen zu tun", erklärt der Geochemiker Frank W. Junge, ebenfalls Mitarbeiter der sächsischen Akademie der Wissenschaften: "Arsen ist ein natürliches Element. Das kommt überall vor. Auch in Bangladesch haben die hohen Arsenkonzentrationen einen natürlichen Ursprung. Verantwortlich sind die Wassermassen, die aus dem Himalaja von den Flüssen in Richtung Bengalischer Golf gespült werden. Und das Gangesdelta, wo Bangladesch liegt, ist im Prinzip das Ende einer sehr langen Kette. Arsen hat sich dort über Millionen von Jahren angesammelt. Das ist kein Problem von vorgestern, sondern von Millionen Jahren. Mit ihrer Brunnenbohrerei haben sie das leider wieder mobilisiert."
Aufklärung vonnöten
Bei der Filtrierung stehen Ingenieure eigentlich vor keiner unlösbaren Aufgabe: Arsen liegt im Trinkwasser meistens in Form von Arsentrioxid – auch als Arsenik bekannt – vor, das sich leicht mit Metallen wie etwa Eisen verbindet. So kann es aus dem Wasser geholt werden. Ein Nebeneffekt dieses Oxidationsprozesses ist allerdings, dass Rost entsteht. Einige Filter produzieren deshalb braunes Wasser. Obendrein schmeckt das Wasser schal und ist den Bengalen in den Sommermonaten zu warm. Da das Arsen geruchs- und geschmacklos ist und nicht unmittelbar auf den Organismus wirkt, würden viele Menschen bestehende Filter links liegen lassen, erläutert Anke Neumann, die im Auftrag des Schweizer Wasserforschungsinstituts vor Ort Filtersysteme testet.
"Um den Menschen in Bangladesch zu helfen, müssen wir einen weiten Weg gehen", sagt der Geograf Konrad Siegfried vom Helmholtzzentrum, einen Abend vor der Abreise aus Bangladesch. "Die Bevölkerung muss besser aufgeklärt werden. Kampagnen, die die Leute vor dem Gift warnen, gibt es nicht. Das wäre der erste Schritt. Und dann müssen wir uns in die Menschen hineinversetzen. Man muss lernen, wie sie zu denken. Erst dann haben wir eine Chance zu helfen."
Lange unterhält sich Friedrich mit Salamat Khandker, Mediziner und Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation. Der Bengale hat eine erschreckend nüchterne Sicht auf die Situation. "Wir können nichts dafür, dass unser Wasser voller Arsen ist. Deshalb brauchen wir Hilfe von außen. Die Regierung hat keine Ressourcen mehr. Das Land wird regelmäßig überflutet. Dann der Hunger. Warum sollen sich die Leute für Arsen im Wasser interessieren, wenn sie froh sind, nicht gleich morgen zu sterben?"
Beide sind sich im Klaren darüber, dass es sehr schwer wird, von Deutschland aus eine Messkampagne zu organisieren. Desinteresse und Korruption bei den zuständigen Behörden kommen ihnen immer wieder in die Quere. Doch für Aufklärung zu sorgen, wäre immerhin ein Anfang. Danach müssten die Dörfer eigentlich mit Wasserleitungs- und Filtersystemen ausgestattet werden. Unter den gegebenen Voraussetzungen eine beinahe unlösbare Aufgabe.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben