Biophysik: Den Hummeln gleich
Hummeln können - trotz anders lautender Gerüchte - fliegen. Fledermäuse auch. Wie sie das tun, blieb Physikern lange ein Rätsel. Dabei scheinen die flatternden Säuger die gleichen aerodynamischen Tricks einzusetzen wie die Kerbtiere.
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass – Hummeln nicht fliegen können. So lautet eine Anekdote, die gern als Beispiel für verblendeten wissenschaftlichen Dogmatismus zitiert wird. Dabei wollte der französische Entomologe Antoine Magnan lediglich ironisch überspitzt auf eine Erkenntnislücke hinweisen: 1934 zitiert er in seinem Buch "Le vol des insects" die Berechnungen des Mathematikers André Sainte-Laguë, wonach eine Tragfläche von der Größe eines Hummelflügels bei typischer Hummelgeschwindigkeit nicht genug Auftrieb erzeugt, um den Insektenkörper in der Luft zu halten.
Nun hatten die beiden Wissenschaftler sicherlich auch schon einmal ein flugfähiges Exemplar der schwarzgelben Brummer gesichtet, und auch in den 1930er Jahren war durchaus bekannt, dass ein Hummelflügel eben doch ein wenig anders ausschaut als eine starre Flugzeugtragfläche. Das Rätsel blieb dennoch.
Das fledermaustechnische Aufschlagrätsel konnte der schwedische Biologe Anders Hedenström von der Universität Lund im vergangenen Jahr knacken. Er hatte Blütenfledermäuse der Art Glossophaga soricina darauf dressiert, Honig von einer Feder im Schwebflug zu naschen. Die fliegerischen Künste wurden dabei im Windkanal mit Hochgeschwindigkeitskameras gefilmt.
Ergebnis: Die Fledermäuse kippen beim Aufwärtsschlag ihren Schwingen derart, dass die Luft vorbeiströmen kann. Ähnlich machen es auch – man ahnt es schon – Insekten.
Dabei offenbarte sich, dass während des Abschlags an der Vorderkante des Flügels – der Anströmkante – Wirbel entstehen. Diese Vorderkantenwirbel sind in der technischen Fliegerei berühmt-berüchtigt: Sie entstehen, wenn der Anstellwinkel der Tragfläche zu steil ist. Dadurch kann die Luftströmung oberhalb der Tragfläche – die normalerweise durch ihre im Vergleich zur Unterseite höheren Geschwindigkeit für den Auftrieb sorgt – dem Tragflächenprofil nicht mehr folgen. Die Luftströmung reißt ab, der Auftrieb setzt schlagartig aus – das Flugzeug stürzt ab!
Und just solche Vorderkantenwirbel beobachteten die biologischen Flugforscher bei ihren Versuchsfliegern. Ergo: Fledermäuse können doch nicht fliegen? Halt! Fledermäuse sind keine Flugzeuge. Ihre Tragflächen wissen die Aerodynamik durchaus zu nutzen.
Den Trick mit dem Vorderkantenwirbel beherrschen auch – Insekten. 1996 hatte der britische Zoologe Charles Ellington das Insektenflugrätsel gelöst – zwar nicht bei Hummeln, sondern bei Tabakschwärmern. Doch auch hier sorgen stabile Vorderkantenwirbel für den Auftrieb.
Ein kleiner Unterschied zwischen Fledermäusen und Insekten bleibt allerdings bestehen. Denn im Gegensatz zu den Säugertragflächen ist ein Insektenflügel steif und kann nur als Ganzes gedreht und gekippt werden, um die Auftriebswirbel nicht abreißen zu lassen. Die Kerbtiere kompensieren dieses Manko durch ihre hohe Schlagfrequenz.
Dagegen setzten die Flattertiere ihre langen Finger ein, um ihren Flugapparat aktiv der Aerodynamik anzupassen. "Die Fledermäuse kontrollieren die Krümmung ihrer Flügel äußerst subtil", betont Hedenström. Schlussfolgerung: Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Fledermäuse – wie Hummeln – tatsächlich fliegen können.
Nun hatten die beiden Wissenschaftler sicherlich auch schon einmal ein flugfähiges Exemplar der schwarzgelben Brummer gesichtet, und auch in den 1930er Jahren war durchaus bekannt, dass ein Hummelflügel eben doch ein wenig anders ausschaut als eine starre Flugzeugtragfläche. Das Rätsel blieb dennoch.
Genauso schleierhaft erschienen auch die Flugkünste einer ganz anderen Tiergruppe: den Fledermäusen. Denn auch bei ihnen könnte man zu dem Schluss kommen, dass sie eigentlich des Fliegens nicht mächtig sein dürften. Schließlich haben die flatternden Säuger – im Gegensatz zu Vögeln – keine Federn. Und die erweisen sich für die Fliegerei als durchaus praktisch, da sie sich beim Abschlag luftdicht verschließen lassen und so Auftrieb erzeugen, beim Aufschlag dagegen die Luft durchlassen und damit den Abtrieb vermindern.
Das fledermaustechnische Aufschlagrätsel konnte der schwedische Biologe Anders Hedenström von der Universität Lund im vergangenen Jahr knacken. Er hatte Blütenfledermäuse der Art Glossophaga soricina darauf dressiert, Honig von einer Feder im Schwebflug zu naschen. Die fliegerischen Künste wurden dabei im Windkanal mit Hochgeschwindigkeitskameras gefilmt.
Ergebnis: Die Fledermäuse kippen beim Aufwärtsschlag ihren Schwingen derart, dass die Luft vorbeiströmen kann. Ähnlich machen es auch – man ahnt es schon – Insekten.
Doch wie sieht es mit dem viel wichtigeren Abschlag aus? Auch dieses Geheimnis hat Hedenström zusammen mit seinen Kollegen jetzt gelüftet. Abermals konnten sich Blütenfledermäuse an Honigspenden laben, mussten dafür ihre Flugkünste im Windkanal preisgeben.
Dabei offenbarte sich, dass während des Abschlags an der Vorderkante des Flügels – der Anströmkante – Wirbel entstehen. Diese Vorderkantenwirbel sind in der technischen Fliegerei berühmt-berüchtigt: Sie entstehen, wenn der Anstellwinkel der Tragfläche zu steil ist. Dadurch kann die Luftströmung oberhalb der Tragfläche – die normalerweise durch ihre im Vergleich zur Unterseite höheren Geschwindigkeit für den Auftrieb sorgt – dem Tragflächenprofil nicht mehr folgen. Die Luftströmung reißt ab, der Auftrieb setzt schlagartig aus – das Flugzeug stürzt ab!
Und just solche Vorderkantenwirbel beobachteten die biologischen Flugforscher bei ihren Versuchsfliegern. Ergo: Fledermäuse können doch nicht fliegen? Halt! Fledermäuse sind keine Flugzeuge. Ihre Tragflächen wissen die Aerodynamik durchaus zu nutzen.
"Die Fledermäuse kontrollieren die Krümmung ihrer Flügel äußerst subtil"
(Anders Hedenström)
Denn die gefährlichen Wirbel lösen sich nicht sofort ab, sondern erhöhen vorübergehend den Auftrieb. Noch bevor die Luftströmung schließlich abreißt, verändern die Tiere den Anstellwinkel ihrer Flügel und stabilisieren so die Auftriebskräfte. Etwa vierzig Prozent des Auftriebs, so schätzen die Forscher, verdanken die Fledermäuse dieser Verwirbelung. (Anders Hedenström)
Den Trick mit dem Vorderkantenwirbel beherrschen auch – Insekten. 1996 hatte der britische Zoologe Charles Ellington das Insektenflugrätsel gelöst – zwar nicht bei Hummeln, sondern bei Tabakschwärmern. Doch auch hier sorgen stabile Vorderkantenwirbel für den Auftrieb.
Ein kleiner Unterschied zwischen Fledermäusen und Insekten bleibt allerdings bestehen. Denn im Gegensatz zu den Säugertragflächen ist ein Insektenflügel steif und kann nur als Ganzes gedreht und gekippt werden, um die Auftriebswirbel nicht abreißen zu lassen. Die Kerbtiere kompensieren dieses Manko durch ihre hohe Schlagfrequenz.
Dagegen setzten die Flattertiere ihre langen Finger ein, um ihren Flugapparat aktiv der Aerodynamik anzupassen. "Die Fledermäuse kontrollieren die Krümmung ihrer Flügel äußerst subtil", betont Hedenström. Schlussfolgerung: Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Fledermäuse – wie Hummeln – tatsächlich fliegen können.
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