Zoologie: Mehrere Wege gen Himmel
Wenn Insekten abheben, dann können sie dass mit Schwung, energiesparend oder mit allerlei Sicherheitsmargen. Auf Letzteres setzen gerade die erklärten Vielflieger unter den Sechsbeinern - und erklären im Zweifel Treibstoffsparen zum Schnickschnack.
Im Jahr 1934 haben ja so einige daran gearbeitet, sich einen zweifelhaften Namen zu machen – August Magnan und André Sainte-Lague gehörten sicherlich dazu. Ihr Vergehen hängt ihnen, obwohl vergleichsweise harmlos und jedenfalls gänzlich folgenlos, bis heute an: Hummeln – das bewiesen Magnan und Sainte-Longue mit gesundem Selbstvertrauen und vermeintlich mathematisch zweifelsfrei –, Hummeln können nicht fliegen. Womit sie sich und ihr wissenschaftliches Streben zum berüchtigten Standardbeleg für weltfremde Hybris und abgründige Selbstbezüglichkeit der Naturwissenschaftswelt machten. Dass ihr Werk längst auch mathematisch widerlegt ist, änderte am Kultstatus ihrer Schlussfolgerung gar nichts.
Dabei muss schon sehr boshaft sein, wer in Ansatz und Themenwahl der beiden nicht etwas Schalk und Selbstironie entdeckt – schließlich dürfte an den Fenstern der höchsten Elfenbeinturmzimmer auch in den 1930ern gelegentlich ein durchaus flugfähiges Exemplar schwarzgelb Gestachelter vorbeigebrummt sein. So hat die Fingerübung der Franzosen, vielleicht gar von ihnen gewollt, vor allem eins geleistet: Sie lieferte vielen Amüsierten und Entsetzten den Anstoß für allerlei Verbesserungen auf dem Feld der theoretischen Aeronautik. Und das bis heute, wo Douglas Altshuler und seine Kollegen vom Caltech uns ganz genau erklären, warum sich ein flügelschlagender Bienenbrummer eigentlich wirklich in der Luft hält.
Die Forscher stehen in einer langen Reihe von tüchtigen Insektenflug-Analysten, die schon längst auf eines hingewiesen hatten: Insekten-, Vogel- und Flugzeugflügel können nicht einfach im gleichen Windkanal untersucht werden, ohne sich zuvor über Biomechanik und allerlei im wirklichen Leben relevante Mikro-Flugparameter Gedanken zu machen.
Der Flügel eines Insekts ist etwa keineswegs unbeweglich aerodynamisch wie ein angeströmter Flugzeugflügel und schlägt auch nicht, wie Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras zeigen, vergleichsweise simpel auf und ab wie ein gefiederter Wildgansflügel. Stattdessen ist der Stolz von Haut- und Zweiflüglern bieg- und beweglich genug, um am Flügelkugelgelenk zu rotieren, Ober- und Unterseite im Schlagrhythmus gezielt zu wechseln und damit sowohl beim Vorwärts- als auch bei Rückwärtschlagen Auftrieb zu erzeugen.
Mit diesen seitlichen Hubschrauberflügeln können Insekten durchaus Flugakrobatisches leisten. Das System ist zudem flexibel genug, um Modelle sowohl für winzige Energiesparer als auch für Schwertransporter mit im Notfall zuschaltbarem Leistungsschub zu liefern. Zwei Extreme – den Flugapparat der luftigen Taufliege Drosophila melanogaster und der eher sturmfesten Honigbiene Apis mellifera – verglichen die Forscher um Altshuler nun im Detail.
Die leichten Taufliegen verlassen sich insbesondere auf den Flügelabschlag, so erkannten Wissenschaftler schon früher: Kräftige Flügelabschläge mit hohen Amplituden (genauer: Schlagwinkeln von 145 und 165 Grad zwischen oben und unten) sorgen für den Löwenanteil des Auftriebs, der Anteil bei der Rückführung der Flügel in den Ausgangszustand verblasst dagegen. Ganz anders die Biene, so die Wissenschaftler: Hier folgen flache Auf- und Abschläge aufeinander, die zwar beide Auftrieb liefern, dafür aber weit schneller aufeinander folgen müssen und eine präzisere Flügelsteuerung verlangen.
Was kein Beinbruch sein muss – oder auf gut wissenschaftlich: Die anfallenden aerodynamischen Kräfte sind proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit der Flügelspitze – die ihrerseits wiederum ein Produkt von Flügelschlagamplitude, -schlagfrequenz und -länge ist. Weswegen im Prinzip sowohl ähnliche Auftriebsleistungen bei niedriger Frequenz und hoher Amplitude als eben auch hoher Amplitude und entsprechend niedriger Frequenz – möglich sind. Zu Deutsch: Fliegen können Taufliegen wie Bienen. Welchen Vorteil aber bringt das eine, welches das andere System?
Um das herauszufinden, testeten die Wissenschaftler fliegende Bienen unter anderem im Extrembereich – genauer gesagt in einem Luftgemisch, das die Atmosphäre für das Versuchsobjekt dünn wie in 9200 Metern Höhe machte. Die Biene ist dieser Anforderungen gewachsen, fanden die Forscher – kompensiert den Auftriebsverlust aber kaum durch eine höhere Frequenz, sondern fast ausschließlich durch eine um 48 Prozent deutlich erhöhte Amplitude des Flügelschlages. Dies verdeutlicht, so schlussfolgern die Forscher, dass auch bei nahe Normalnull fliegenden Bienen die Flügelschlagfrequenz schon nahezu ausgereizt ist, eine mögliche Amplitudenerhöhung aber noch Sicherheitsreserven bietet.
Der Flug der Bienen sei damit offenbar gegenüber allfälligen Anforderungen flexibler als jener der Taufliegen – vielleicht gleichen die Bienen so etwa die ständigen, teilweise drastischen Wechsel ihrer Nutzlast aus und bleiben auch bei schlechtem Flugwetter besser belastbar. Insgesamt entlarvt ein wenig Rumrechnerei sowie eine Simulation mit einem Flugroboter-Modell aber auch, dass die im Normalfall frequenzlastige und amplitudenarme Flugweise der Bienen auch mehr Energie verschlingt als nötig, verwundern sich die Forscher – merkwürdig gerade bei einem Insekt, dass seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit schweißtreibender Nektarspedition durch die Luft erarbeitet.
Vielleicht, so meinen die Forscher, können sich die gut ernährten Bienen aber leisten, zusätzliche Energie für ökologisch nützliche Features einzusetzen. Ähnliches beobachten Vogelflugforscher beim Kolibri – sein sehr energieraubender Flugstil wird wohl nur dadurch möglich, dass er sich eben mit der überlegenen Flugleistung auch neue Nahrungsquellen erschließt. Die Biene könnte demnach so etwa wie der Kolibri des Insektenreiches sein – also teures Superkerosin tanken, weil sie mit ihrem durstigen Hochleistungsmotor, auch wenn es hart wird, routiniert durch das Tankstellennetz kommt.
Dabei muss schon sehr boshaft sein, wer in Ansatz und Themenwahl der beiden nicht etwas Schalk und Selbstironie entdeckt – schließlich dürfte an den Fenstern der höchsten Elfenbeinturmzimmer auch in den 1930ern gelegentlich ein durchaus flugfähiges Exemplar schwarzgelb Gestachelter vorbeigebrummt sein. So hat die Fingerübung der Franzosen, vielleicht gar von ihnen gewollt, vor allem eins geleistet: Sie lieferte vielen Amüsierten und Entsetzten den Anstoß für allerlei Verbesserungen auf dem Feld der theoretischen Aeronautik. Und das bis heute, wo Douglas Altshuler und seine Kollegen vom Caltech uns ganz genau erklären, warum sich ein flügelschlagender Bienenbrummer eigentlich wirklich in der Luft hält.
Die Forscher stehen in einer langen Reihe von tüchtigen Insektenflug-Analysten, die schon längst auf eines hingewiesen hatten: Insekten-, Vogel- und Flugzeugflügel können nicht einfach im gleichen Windkanal untersucht werden, ohne sich zuvor über Biomechanik und allerlei im wirklichen Leben relevante Mikro-Flugparameter Gedanken zu machen.
Der Flügel eines Insekts ist etwa keineswegs unbeweglich aerodynamisch wie ein angeströmter Flugzeugflügel und schlägt auch nicht, wie Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras zeigen, vergleichsweise simpel auf und ab wie ein gefiederter Wildgansflügel. Stattdessen ist der Stolz von Haut- und Zweiflüglern bieg- und beweglich genug, um am Flügelkugelgelenk zu rotieren, Ober- und Unterseite im Schlagrhythmus gezielt zu wechseln und damit sowohl beim Vorwärts- als auch bei Rückwärtschlagen Auftrieb zu erzeugen.
Mit diesen seitlichen Hubschrauberflügeln können Insekten durchaus Flugakrobatisches leisten. Das System ist zudem flexibel genug, um Modelle sowohl für winzige Energiesparer als auch für Schwertransporter mit im Notfall zuschaltbarem Leistungsschub zu liefern. Zwei Extreme – den Flugapparat der luftigen Taufliege Drosophila melanogaster und der eher sturmfesten Honigbiene Apis mellifera – verglichen die Forscher um Altshuler nun im Detail.
Die leichten Taufliegen verlassen sich insbesondere auf den Flügelabschlag, so erkannten Wissenschaftler schon früher: Kräftige Flügelabschläge mit hohen Amplituden (genauer: Schlagwinkeln von 145 und 165 Grad zwischen oben und unten) sorgen für den Löwenanteil des Auftriebs, der Anteil bei der Rückführung der Flügel in den Ausgangszustand verblasst dagegen. Ganz anders die Biene, so die Wissenschaftler: Hier folgen flache Auf- und Abschläge aufeinander, die zwar beide Auftrieb liefern, dafür aber weit schneller aufeinander folgen müssen und eine präzisere Flügelsteuerung verlangen.
Was kein Beinbruch sein muss – oder auf gut wissenschaftlich: Die anfallenden aerodynamischen Kräfte sind proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit der Flügelspitze – die ihrerseits wiederum ein Produkt von Flügelschlagamplitude, -schlagfrequenz und -länge ist. Weswegen im Prinzip sowohl ähnliche Auftriebsleistungen bei niedriger Frequenz und hoher Amplitude als eben auch hoher Amplitude und entsprechend niedriger Frequenz – möglich sind. Zu Deutsch: Fliegen können Taufliegen wie Bienen. Welchen Vorteil aber bringt das eine, welches das andere System?
Um das herauszufinden, testeten die Wissenschaftler fliegende Bienen unter anderem im Extrembereich – genauer gesagt in einem Luftgemisch, das die Atmosphäre für das Versuchsobjekt dünn wie in 9200 Metern Höhe machte. Die Biene ist dieser Anforderungen gewachsen, fanden die Forscher – kompensiert den Auftriebsverlust aber kaum durch eine höhere Frequenz, sondern fast ausschließlich durch eine um 48 Prozent deutlich erhöhte Amplitude des Flügelschlages. Dies verdeutlicht, so schlussfolgern die Forscher, dass auch bei nahe Normalnull fliegenden Bienen die Flügelschlagfrequenz schon nahezu ausgereizt ist, eine mögliche Amplitudenerhöhung aber noch Sicherheitsreserven bietet.
Der Flug der Bienen sei damit offenbar gegenüber allfälligen Anforderungen flexibler als jener der Taufliegen – vielleicht gleichen die Bienen so etwa die ständigen, teilweise drastischen Wechsel ihrer Nutzlast aus und bleiben auch bei schlechtem Flugwetter besser belastbar. Insgesamt entlarvt ein wenig Rumrechnerei sowie eine Simulation mit einem Flugroboter-Modell aber auch, dass die im Normalfall frequenzlastige und amplitudenarme Flugweise der Bienen auch mehr Energie verschlingt als nötig, verwundern sich die Forscher – merkwürdig gerade bei einem Insekt, dass seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit schweißtreibender Nektarspedition durch die Luft erarbeitet.
Vielleicht, so meinen die Forscher, können sich die gut ernährten Bienen aber leisten, zusätzliche Energie für ökologisch nützliche Features einzusetzen. Ähnliches beobachten Vogelflugforscher beim Kolibri – sein sehr energieraubender Flugstil wird wohl nur dadurch möglich, dass er sich eben mit der überlegenen Flugleistung auch neue Nahrungsquellen erschließt. Die Biene könnte demnach so etwa wie der Kolibri des Insektenreiches sein – also teures Superkerosin tanken, weil sie mit ihrem durstigen Hochleistungsmotor, auch wenn es hart wird, routiniert durch das Tankstellennetz kommt.
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