Direkt zum Inhalt

News: Der halbe Hahn

Wer waren die Vorfahren der Vögel? Eine Frage, die das 1999 vorgestellte Fossil Archaeoraptor liaoningensis trotz erster Hoffnung nicht beantwortete. Dafür wissen Forscher nun aber, was sich wirklich hinter dem vermeintlichen missing link verbirgt.
Bild
Im Oktober 1999 machte das Magazin National Geographic Schlagzeilen. Nachrichtensendungen, Zeitungen und Internetseiten berichteten begeistert über den im November-Heft beschriebenen Fund eines Fossils, das endlich die Lücke zwischen Vögeln und Dinosauriern zu schließen schien. Noch heute ist der Archaeoraptor weltberühmt – als eine der geschicktesten Fälschungen in der Paläontologie.

Denn die versteinerten Überreste des vermeintlichen Bindeglieds aus der frühen Kreidezeit stammten nicht etwa von einem einzigen Tier, sondern von mindestens zweien: Kopf, Rumpf und Hinterbeine erwiesen sich als Überreste eines oder gar mehrerer Vögel, womöglich sogar verschiedener Arten, während der Schwanz eindeutig zu einem – flugunfähigen – Dromaeosaurier gehörte.

Wobei der Schwanz tatsächlich etwas Besonderes darstellte. Als Xing Xu damals mit den Fossilresten und durch die Kritik der Kollegen mit vielen Zweifeln nach China zurückkehrte, machte er sich auf die Suche nach dem Gegenstück zu den präsentierten Steinplatten. Im Falle der Schwanzreste stieß er damit auf den kleinsten Theropoden, Microraptor zhaoianus, den er dann zusammen mit Kollegen ein Jahr später, im Dezember 2000, detailliert in Nature beschrieb [1].

Unklarheit herrschte allerdings noch über die Knochen des vorderen Körperabschnittes. Die Aufnahmen mit einem hochauflösenden Röntgen-Computertomographen, durchgeführt von Tim Rowe und seinen Kollegen von der University of Texas, ließen vermuten, dass sich die Fossilmontage aus zwei oder mehr Arten und mindestens zwei, eventuell fünf Einzelexemplaren zusammensetzte. Die Fälscher waren dabei reichlich raffiniert vorgegangen: So hatten sie beispielsweise Beinknochen längs gespalten und die Einzelstücke so angeordnet, als wären sie das rechte und das linke Bein [2].

Zhonghe Zhou vom Institute of Vertebrate Paleontology and Paleoanthropology der Chinese Academy of Sciences – ein Kollege Xus – hat das Rätsel um den Vogelkörper nun geklärt. Demnach handelt es sich anders als angenommen doch nur um eine Art, und die Überreste stammen auch nur von einem Individuum, und zwar der Spezies Yanornis martini, die ebenfalls in der frühen Kreidezeit lebte [3].

Knochen für Knochen vermaßen Zhou und seine Mitarbeiter und verglichen sie mit jenem Exemplar von Yanornis, das für die Erstbeschreibung der Art verwendet wurde. Die Übereinstimmung der Daten war so groß, dass die Forscher keinen Zweifel an der gemeinsamen Zuordnung hegen. Und ihnen liegt damit nun ein weiteres, beinahe vollständiges Fossil jener Art vor, das ihnen noch einige Neuigkeiten zur Morphologie der Tiere offenbaren konnte.

Ein kürzlich gefundenes Fossil von Yanornis martini bot konservierte Reste des Mageninhalts und damit einen Blick auf die Speisekarte dieser kreidezeitlichen Vögel. Offenbar handelte es sich dabei um Fischfresser, wie Rückenwirbel eines Knochenfisches und Flossenstrahlen zeigen.

Somit ist die gefälschte Chimäre nun endgültig getrennt und die jeweilige Herkunft geklärt. Und wenn sie auch auf die Berühmtheit eines missing link verzichten muss, unwichtig sind die Einzelteile sichtlich keineswegs.
  • Quellen
[1] Nature 408: 705–708 (2000)
[2] Nature 410: 539–540 (2001)
[3] Nature 420: 285 (2002)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.