GRAIL: Der Mond bekommt Zwillinge
Was den Mond im Innersten zusammenhält: Das sollen zwei Sonden herausfinden, die demnächst um unseren Begleiter kreisen - Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Das Antlitz des Mondes stellt für die Wissenschaft fast so etwas wie ein offenes Buch dar – was aber tief in seinem Inneren vorgeht, blieb bislang ein Geheimnis. Erkundungen durch Europäer, Japaner, Inder, Chinesen und US-Amerikaner sorgten dafür, dass die Mondoberfläche detailliert abgebildet wurde; sie kartografierten die Minerale des Erdtrabanten und suchten nach Hinweisen auf Wasser oder potenziellen Landeplätzen für bemannte Mondmissionen. Nun möchte Maria Zuber, leitende Wissenschaftlerin der NASA-Mission Gravity Recovery and I<7b>nterior Laboratory (GRAIL), in eine neue Dimension vorstoßen: Mit Hilfe von GRAIL, deren Reise am 8. September beginnt, will sie das unbekannte Innenleben des Mondes aufdecken.
Die GRAIL-Mission besteht aus zwei Sonden, die nahezu baugleich mit den beiden GRACE-Satelliten sind: Diese kreisen seit 2002 im Rahmen des Gravity Recovery and Climate Experiment um die Erde und kartieren die Gravitation der Erde so exakt, dass sie Veränderungen in Grundwasserspeichern oder Ozeanströmen bemerken. Die Ausgaben für GRAIL konnten unter anderem deshalb bei "nur" 496 Millionen Dollar gehalten werden, weil die Ingenieure die bereits erprobte Technologie nahezu vollständig übernahmen. Kostensparend wirkt sich zudem die Reiseroute aus: Statt sie direkt zum Mond zu schicken, schwenken die Sonden erst nach dreieinhalb Monaten sanft in die Umlaufbahn des Trabanten ein – nur wenig Treibstoff ist dann nötig, um sie abzubremsen.
Hochpräzise Technik vom Feinsten
Außer den jeweils vier Kameras, die sich an Bord der Sonden befinden und vor allem Bilder für die Öffentlichkeit schießen sollen, trägt GRAIL nur ein einziges Instrument – und das weist nicht einmal Richtung Mond. Während die beiden Raumfahrzeuge in 55 Kilometer Höhe über der Mondoberfläche durchs All rasen, misst ein hochfrequenter Radiowellensender den exakten Abstand der beiden Sonden, die parallel zueinander in einer Distanz von 60 bis 225 Kilometer fliegen. Sobald sich eine Sonde einem sehr dichten Objekt – etwa einem Berg auf dem Mond – nähert, wird sie etwas stärker angezogen und dadurch kurzfristig beschleunigt, was die Entfernung zu ihrem Begleiter vergrößert. Damit GRAIL die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, müssen derartige Bewegungen selbst noch im Mikrometerbereich gemessen werden – eine Präzisionsarbeit, die nur möglich ist, wenn die Ingenieure verschiedene Störfaktoren einrechnen: den gravitativen Einfluss ferner Planeten, die Bewegungen von Platten, auf denen Empfangsstationen auf der Erde stehen, und sogar den Druck, den Sonnenlicht auf die Solarpaneele der Sonden ausübe, so Zuber.
Das Schwerefeld des Mondes wurde zwar bereits mit geringerer Präzision kartiert, indem man von der Erde aus maß, wie sich die Geschwindigkeit einer einzelnen Mondsonde während des Umlaufs veränderte. Sobald diese aber hinter dem Himmelskörper verschwand, erlosch auch das nötige Signal. SELENE (Kaguya), eine japanische Mission, die 2007 begann, erfasste die Gravitation auf der erdabgewandten Seite daher mit Hilfe eines Relaissatelliten, der in größerer Höhe um den Mond kreiste und damit Funkkontakt zu SELENE und Erde hielt.
Eines der vorrangigen Ziele der Forscher wird die Erforschung des Aufbaus des tiefen Mondinneren sein. Erste Hinweise auf seine Struktur lieferten Retroreflektoren, die einst Apollo-Astronauten auf dem Mond zurückließen. Forscher schießen Laserstrahlen auf diese Spiegel, die zum Teil in irdische Teleskope reflektiert werden. In diesen Daten deutete sich ein leichtes Wackeln an, was auf einen weichen Kern schließen lässt. Zuber denkt, dass GRAIL diese Vermutung belegen dürfte. Und vielleicht spürt die Mission auch überraschende Eigenschaften des Mondkerns auf – ob beispielsweise Verbindungen wie Titanoxid auskristallisierten und in den Kern absanken, als der Mond noch ein glutflüssiger Magmaball war.
Über den Mond hinaus - und dann?
Insgesamt könnten die Daten Aufschluss geben, wie sich die Planeten des inneren Sonnensystems abkühlten und schalenförmig ausbildeten. "Es geht weit über Erkenntnisse zum Mond hinaus", sagt der Geologe Brad Joliff von der Washington University in St. Louis, Missouri. "Die Ergebnisse helfen uns zu verstehen, wie sich Gesteinskörper ausdifferenzieren." Indem GRAIL Gestein im Umfeld von Einschlagkratern beprobt, könnte die Mission zudem dazu beitragen, dass Planetologen die Dynamik von riesigen Asteroideneinschlägen besser modellieren.
Noch unklar sei jedoch, welche Pläne die NASA zur weiteren Erkundung des Mondes hegt, wenn die nur 90 Tage dauernde GRAIL-Mission endet, meint Chip Shearer, ein Planetengeologe von der University of New Mexico in Albuquerque und Vorsitzender der Lunar Exploration Analysis Group der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde. Eine Reihe von Missionen, die eigentlich das mittlerweile gestrichene Constellation-Programm der NASA unterstützen sollten, laufen nun aus – Constellation sollte bis 2020 wieder Menschen auf den Mond bringen. Das wahrscheinlich letzte Teilvorhaben, der Lunar Atmosphere and Dust Environment Explorer, startet 2013 und erforscht den Einfluss des Feinstaubs auf der Mondoberfläche.
Zwei wichtige Projekte wurden jedoch gekippt: Eines sollte unter Federführung von Joliff Gesteinsproben vom größten lunaren Einschlagkrater in der Nähe des Südpols sammeln und zur Erde bringen – es wurde zu Gunsten einer ähnlich gearteten Expedition zu einem Asteroiden gestrichen. Und die Fürsprecher des internationalen Lunar Network – ein vormals von der NASA geleitetes Programm, das die Installation von Seismometern auf der Mondoberfläche vorsah – mussten sich sagen lassen, dass sie nun mit allen anderen Anträgen zur Sonnensystemerforschung um die Finanzierung durch die NASA konkurrieren. "Wir wissen genau, was nun in der Mondforschung folgen sollte, aber wir haben keine Ahnung, was tatsächlich kommen wird", meint deshalb Shearer leicht frustriert.
"Ich bin überzeugt, dass wir einige Überraschungen erleben werden", sagt Zuber, die als Geophysikerin am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge arbeitet. Ihre Zuversicht gründet auf den deutlich verbesserten Karten zum lunaren Schwerefeld, die GRAIL liefern soll. Die Dichteschwankungen, die die Sonden im Gestein unter der Oberfläche ermitteln, dürften die turbulente und geologisch aktive Vergangenheit des Mondes erhellen. Sie könnten Hinweise liefern, ob unser Begleiter einen flüssigen Kern besitzt. Und vielleicht geben die Daten entscheidende Aufschlüsse über die unterirdische Struktur der riesigen Einschlagbecken des Mondes: der lunaren Maria.
Die GRAIL-Mission besteht aus zwei Sonden, die nahezu baugleich mit den beiden GRACE-Satelliten sind: Diese kreisen seit 2002 im Rahmen des Gravity Recovery and Climate Experiment um die Erde und kartieren die Gravitation der Erde so exakt, dass sie Veränderungen in Grundwasserspeichern oder Ozeanströmen bemerken. Die Ausgaben für GRAIL konnten unter anderem deshalb bei "nur" 496 Millionen Dollar gehalten werden, weil die Ingenieure die bereits erprobte Technologie nahezu vollständig übernahmen. Kostensparend wirkt sich zudem die Reiseroute aus: Statt sie direkt zum Mond zu schicken, schwenken die Sonden erst nach dreieinhalb Monaten sanft in die Umlaufbahn des Trabanten ein – nur wenig Treibstoff ist dann nötig, um sie abzubremsen.
Hochpräzise Technik vom Feinsten
Außer den jeweils vier Kameras, die sich an Bord der Sonden befinden und vor allem Bilder für die Öffentlichkeit schießen sollen, trägt GRAIL nur ein einziges Instrument – und das weist nicht einmal Richtung Mond. Während die beiden Raumfahrzeuge in 55 Kilometer Höhe über der Mondoberfläche durchs All rasen, misst ein hochfrequenter Radiowellensender den exakten Abstand der beiden Sonden, die parallel zueinander in einer Distanz von 60 bis 225 Kilometer fliegen. Sobald sich eine Sonde einem sehr dichten Objekt – etwa einem Berg auf dem Mond – nähert, wird sie etwas stärker angezogen und dadurch kurzfristig beschleunigt, was die Entfernung zu ihrem Begleiter vergrößert. Damit GRAIL die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, müssen derartige Bewegungen selbst noch im Mikrometerbereich gemessen werden – eine Präzisionsarbeit, die nur möglich ist, wenn die Ingenieure verschiedene Störfaktoren einrechnen: den gravitativen Einfluss ferner Planeten, die Bewegungen von Platten, auf denen Empfangsstationen auf der Erde stehen, und sogar den Druck, den Sonnenlicht auf die Solarpaneele der Sonden ausübe, so Zuber.
Das Schwerefeld des Mondes wurde zwar bereits mit geringerer Präzision kartiert, indem man von der Erde aus maß, wie sich die Geschwindigkeit einer einzelnen Mondsonde während des Umlaufs veränderte. Sobald diese aber hinter dem Himmelskörper verschwand, erlosch auch das nötige Signal. SELENE (Kaguya), eine japanische Mission, die 2007 begann, erfasste die Gravitation auf der erdabgewandten Seite daher mit Hilfe eines Relaissatelliten, der in größerer Höhe um den Mond kreiste und damit Funkkontakt zu SELENE und Erde hielt.
Doch Zuber ist davon überzeugt, dass die Karten von GRAIL alle anderen in den Schatten stellen werden – selbst jene, die GRACE von der Erde erstellt hat. Denn der bremsende Luftwiderstand der Erdatmosphäre zwingt die GRACE-Satelliten in eine Umlaufbahn, die zehnmal so hoch ist wie jene ihrer Mondschwestern.
Eines der vorrangigen Ziele der Forscher wird die Erforschung des Aufbaus des tiefen Mondinneren sein. Erste Hinweise auf seine Struktur lieferten Retroreflektoren, die einst Apollo-Astronauten auf dem Mond zurückließen. Forscher schießen Laserstrahlen auf diese Spiegel, die zum Teil in irdische Teleskope reflektiert werden. In diesen Daten deutete sich ein leichtes Wackeln an, was auf einen weichen Kern schließen lässt. Zuber denkt, dass GRAIL diese Vermutung belegen dürfte. Und vielleicht spürt die Mission auch überraschende Eigenschaften des Mondkerns auf – ob beispielsweise Verbindungen wie Titanoxid auskristallisierten und in den Kern absanken, als der Mond noch ein glutflüssiger Magmaball war.
Über den Mond hinaus - und dann?
Insgesamt könnten die Daten Aufschluss geben, wie sich die Planeten des inneren Sonnensystems abkühlten und schalenförmig ausbildeten. "Es geht weit über Erkenntnisse zum Mond hinaus", sagt der Geologe Brad Joliff von der Washington University in St. Louis, Missouri. "Die Ergebnisse helfen uns zu verstehen, wie sich Gesteinskörper ausdifferenzieren." Indem GRAIL Gestein im Umfeld von Einschlagkratern beprobt, könnte die Mission zudem dazu beitragen, dass Planetologen die Dynamik von riesigen Asteroideneinschlägen besser modellieren.
Noch unklar sei jedoch, welche Pläne die NASA zur weiteren Erkundung des Mondes hegt, wenn die nur 90 Tage dauernde GRAIL-Mission endet, meint Chip Shearer, ein Planetengeologe von der University of New Mexico in Albuquerque und Vorsitzender der Lunar Exploration Analysis Group der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde. Eine Reihe von Missionen, die eigentlich das mittlerweile gestrichene Constellation-Programm der NASA unterstützen sollten, laufen nun aus – Constellation sollte bis 2020 wieder Menschen auf den Mond bringen. Das wahrscheinlich letzte Teilvorhaben, der Lunar Atmosphere and Dust Environment Explorer, startet 2013 und erforscht den Einfluss des Feinstaubs auf der Mondoberfläche.
Zwei wichtige Projekte wurden jedoch gekippt: Eines sollte unter Federführung von Joliff Gesteinsproben vom größten lunaren Einschlagkrater in der Nähe des Südpols sammeln und zur Erde bringen – es wurde zu Gunsten einer ähnlich gearteten Expedition zu einem Asteroiden gestrichen. Und die Fürsprecher des internationalen Lunar Network – ein vormals von der NASA geleitetes Programm, das die Installation von Seismometern auf der Mondoberfläche vorsah – mussten sich sagen lassen, dass sie nun mit allen anderen Anträgen zur Sonnensystemerforschung um die Finanzierung durch die NASA konkurrieren. "Wir wissen genau, was nun in der Mondforschung folgen sollte, aber wir haben keine Ahnung, was tatsächlich kommen wird", meint deshalb Shearer leicht frustriert.
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