Diät: Erfolgreich abnehmen
Zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland sind übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen ist sogar stark übergewichtig. Sie leiden also an Adipositas, wie Mediziner sagen. Ihnen drohen auf Dauer Folgeerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Arthrose. Trotz der drohenden Gesundheitsschäden fällt den meisten das Abnehmen sehr schwer.
Allerdings – so jedenfalls der Eindruck – gibt es auch jene, die überschüssige Pfunde leicht wieder verlieren. Oder sogar solche, die scheinbar nach Belieben schlemmen können, ohne jemals an Gewicht zuzulegen. Dafür könnte es körperliche Gründe geben, vermuten einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Womöglich besitzen diese Menschen hilfreiche Darmbakterien oder einen effektiveren Stoffwechsel als andere. Was ist dran an solchen Hypothesen? Und lassen sich die Erkenntnisse aus der Forschung vielleicht nutzen, um leichter und nachhaltig abzunehmen?
Auf Spurensuche im Blut
Im Fachblatt »Obesity« postulierte der Adipositasforscher Paolo Piaggi im Jahr 2019, dass es Menschen mit einem »verschwenderischen« Stoffwechsel gebe, die leichter abnehmen, und die »sparsamen« Verstoffwechsler, die sich damit schwertun. Charakteristischerweise fänden sich bei einer eiweißarmen kalorienreichen Ernährung in ihrem Blut höhere Konzentrationen des Proteins Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21, kurz FGF21. Das Hormon wird hauptsächlich in der Leber und im Fettgewebe gebildet und ist an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Schon zuvor hatten Forschende erkannt, dass FGF21 die Aufnahme von Zucker in die Zellen von Mäusen mit Diabetes begünstigt, wie sie 2005 im Fachmagazin »The Journal of Clinical Investigation« berichteten.
Weil es auf diese Weise womöglich den Blutzuckerspiegel senkt, galt das Molekül zunächst als »Kandidat für einen Wirkstoff, mit dem sich die Entwicklung von Typ-2-Diabetes verhindern oder therapieren lässt«, sagt Susanne Klaus, Professorin für Energiestoffwechsel am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke. Untersuchungen an Menschen hätten allerdings gezeigt, dass der Wachstumsfaktor nur wenig auf den Insulinstoffwechsel wirke, dafür aber den Fettstoffwechsel der Probandinnen und Probanden positiv beeinflusse, sagt sie. Bei Primaten beobachtete eine Forschungsgruppe, dass diese nach der Gabe von FGF21 weniger aßen und dadurch an Gewicht verloren, »wie sie 2016 im »Journal of Pharmacokinetics and Pharmacodynamics« beschrieb.
In Studien an Menschen stellten Forschende allerdings wiederholt fest, dass die Versuchspersonen teilweise deutlich verschiedene Konzentrationen des Hormons in ihrem Blut hatten. »Zwei Personen, die gleich dick und gleich alt sind, haben trotzdem sehr stark unterschiedliche FGF21-Hormonspiegel«, sagt Klaus. Für diese Variation habe man bisher keine Erklärung. Grundsätzlich haben ältere Menschen mehr FGF21 in ihrem Blut als Jüngere, weswegen es als »Aging Marker« gelte, so Klaus. Allerdings betont sie: »FGF21 ist kein spezifischer Biomarker.« Man könne aus seiner Konzentration nicht ableiten, ob jemand gesund oder krank ist – und auch nicht, ob jemand zu Übergewicht neigt oder nicht. Klaus sieht Ähnlichkeiten zur Forschung über die Genetik der Adipositas: Bisher sind über 1000 Stellen auf den Chromosomen im Erbgut bekannt, die in Zusammenhang mit Übergewicht stehen. Nur in fünf Prozent der Fälle sind allerdings einzelne Gene alleinig für das Entstehen der Adipositaskrankheit verantwortlich. Fachleute gehen davon aus, dass in diesen Fällen Defekte in einem von mindestens 15 Genen auftreten. Generell lasse sich also nicht so einfach anhand von Genen oder anderen Biomarkern feststellen, ob jemand leicht zu- oder abnimmt, sagt Klaus.
Welche Rolle spielt der Biorhythmus?
Hinweise darauf, dass der menschliche Stoffwechsel individuell unterschiedlich ist, liefert der Biorhythmus. »Unser Körper verstoffwechselt Mahlzeiten je nach Tageszeit unterschiedlich«, sagt die Biologin Olga Ramich, Leiterin der Arbeitsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke. Das haben Ramich und ihr Team in einer Studie an gesunden Probanden und Menschen mit einem Diabetes-Vorstadium gezeigt, die im Jahr 2017 im Fachjournal »Scientific Reports« erschienen ist . Dafür verantwortlich ist die innere Uhr, die auf einem zentralen, auf Licht reagierenden Taktgeber im Hypothalamus basiert. Es gibt Hinweise darauf, dass etwa die Insulinsensitivität einem 24-Stunden-Rhythmus unterliegt, der zumindest teilweise von der Master-Clock im Gehirn gesteuert wird. Zusätzlich besitzen auch die Zellen im Körper einen eigenen Zeitmesser. Wenn man nun regelmäßig zur »falschen« Zeit isst oder schläft, kann das den Gleichklang zwischen diesem peripheren und zentralem Taktgeber stören, was beim Entstehen von Übergewicht eine Rolle spielen könnte.
In einer aktuellen Studie, die Ramich und Kollegen 2021 im Fachmagazin »Diabetes« veröffentlicht haben, kamen sie etwa zum Ergebnis, dass das Hormon Insulin die innere Uhr in den menschlichen Fettzellen umstellt. Es wird nach der Nahrungsaufnahme von der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet. »Jedes Mal, wenn wir essen, verschieben wir unsere innere Uhr ein bisschen in Richtung der Essenszeit. Unser Körper versucht, sich anzupassen«, erklärt Ramich. Wer etwa im Schichtdienst in der Nacht isst, stellt die periphere Uhr im Fettgewebe um, die zentrale Uhr aber nicht. Infolgedessen laufen die inneren Taktgeber nicht mehr synchron, wodurch Glukose- und Fettstoffwechsel durcheinandergeraten. So haben Schichtarbeiter zum Beispiel nach dem Essen nachts einen überdurchschnittlich hohen Blutglukosespiegel und eine zunächst geringere Insulinantwort als tagsüber. Das ist wahrscheinlich dadurch bedingt, dass Insulinsensitivität und Glukosetoleranz in der biologischen Nacht erniedrigt sind. Außerdem reduziert sich der Energiebedarf von Menschen in Schichtarbeit, wie Forschende im Jahr 2014 im Fachjournal »Proceedings of the National Academy of Sciences« berichteten. Daher hätte diese Personengruppe ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Adipositas oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erklärt Ramich. Hinzu kommt, dass ein gestörter zirkadianer Rhythmus den Fettstoffwechsel durcheinanderbringt, was wahrscheinlich Übergewicht begünstigt, wie unter anderem chinesische Wissenschaftler in einer Publikation von 2020 schreiben.
- Achten sie auf ausreichend Nachtruhe. Schlafmangel führt dazu, dass man tagsüber träge ist und sich weniger bewegt. Zudem fördert er das Hungergefühl und wirkt sich negativ auf den Fettstoffwechsel aus.
- Vermeiden Sie Stress. Dieser führt nämlich zu weniger Schlaf. Darüber hinaus bewirkt das Stresshormon Kortisol, dass sich vermehrt Fettgewebe im Bauchraum ansammelt.
- Verzichten Sie auf Zucker. Er hat nicht nur viele einfache Kohlenhydrate, sondern tötet womöglich auch Darmbakterien, die die Bildung von Fettzellen unterbinden, wie Studien an Mäusen zeigen.
- Vieles deutet darauf hin, dass ein ausreichend diverses Mikrobiom gut für die Figur ist. Daher gilt: Öfter fermentierte und ballaststoffreiche Nahrungsmittel essen, da sie die Vielfalt der Darmbakterien unterstützen.
- Nehmen sie abends nicht zu große Mahlzeiten zu sich. Vor allem späte Chronotypen sind anfällig dafür.
- Versuchen Sie, sich insgesamt mehr zu bewegen. 10 000 Schritte verbrennen zwischen 300 und 400 Kalorien.
- Essen Sie nur, wenn sie auch Hunger haben. Verzichten Sie also auf das unbewusste Snacken zwischendurch.
- Kochen Sie mit frischen Zutaten selbst. Denn Fast Food und Fertiggerichte enthalten vergleichsweise viele Kalorien, machen aber oftmals nur kurz satt.
- Treiben Sie Sport. 30 Minuten intensive körperliche Ertüchtigung – etwa Laufen, Fahrradfahren oder ein Work-out – verbrennt zwischen 300 und 600 Kalorien.
- Trinken Sie ausreichend Wasser. Dies unterstützt den Körper bei der Gewichtsabnahme. Außerdem kann Trinken dem Hungergefühl entgegenwirken.
- Setzen Sie sich konkrete Ziele, etwa 20 Minuten Bewegung pro Tag. Solche Vorhaben sind leichter einzuhalten als vage Entschlüsse wie: Ich werde mehr Sport machen.
- Versuchen Sie, Ihre Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten nachhaltig zu ändern. Das klappt nur, wenn sich Ihre Vorhaben gut in den Alltag integrieren lassen.
Nun ist aber der Biorythmus der Menschen nicht bei allen gleich, stattdessen gibt es unterschiedliche Chronotypen: Frühaufsteher, die morgens früh fit sind und zeitig ins Bett gehen, sowie Nachteulen, die eher später aufstehen, dafür abends länger wach bleiben. Der individuelle Chronotyp hängt unter anderem von Alter, Geschlecht und den eigenen Genen ab – und hat Auswirkungen auf den Stoffwechsel: »Späte Chronotypen versuchen, die Mehrheit der Kalorien gegen Abend zu essen, was laut einigen Studien mit ungünstigen Stoffwechseleffekten und einem erhöhten Körpergewicht assoziiert ist«, erklärt die Ernährungsforscherin Ramich. »Gleichzeitig neigen sie dazu, mehr Fast Food, gesättigte Fette und koffein- und alkoholhaltige Getränke zu sich zu nehmen.« Das sei vermutlich durch Stress bedingt. Denn: »Diese Menschen haben das Problem, dass Arbeit und Schule früh anfangen, sie also gegen ihre innere Uhr leben. Sie leiden jeden Tag unter Schlafmangel, weil sie spät ins Bett gehen und trotzdem früh aufstehen müssen«, erklärt Ramich. Infolgedessen haben Nachteulen wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko für bestimmte Stoffwechselerkrankungen. Sie sollten daher besonders auf eine gesunde Ernährung achten und üppige Mahlzeiten am Abend vermeiden.
Stoffwechseltypen, ein veraltetes Narrativ
Wenn also der Chronotyp den Stoffwechsel beeinflusst, existieren womöglich unterschiedliche Nahrungsverwerter – etwa solche, die rasch Gewicht ansetzen, und andere, die essen können, was sie wollen, aber trotzdem schlank bleiben. Die Theorie der verschiedenen Stoffwechseltypen geht zurück auf den US-amerikanischen Mediziner und Psychologen William Sheldon. Drei Körperbautypen gebe es, die schon von Geburt an feststünden, postulierte er im Jahr 1942: Der ektomorphe Stoffwechseltyp ist groß und dünn, der mesomorphe muskulös, der endomorphe eher rundlich. Seither haben Forscher immer wieder versucht, verschiedene Schubladen für unterschiedliche Stoffwechseltypen zu definieren. Allerdings gibt es keine Beweise für die Existenz solcher Kategorien.
»Dass manche Menschen leichter abnehmen als andere, stimmt nicht. Das ist ein Narrativ, das sich hartnäckig in der Medizin hält«, sagt der Ernährungsmediziner Manfred James Müller, emeritierter Professor für Humanernährung an der Universität Kiel und ehemaliger Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. »Es ist nie bewiesen worden, dass es beim Menschen gute und schlechte Futterverwerter gibt.« Im Gegenteil: In den 1990er Jahren habe der australische Forscher Dallas Clark diese These widerlegt, so Müller.
»Dass manche Menschen leichter abnehmen als andere, stimmt nicht«Manfred James Müller, ehemaliger Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft
Damals untersuchten Clark und sein Team, ob es tatsächlich Männer und/oder Frauen mit einem sehr effizienten Stoffwechsel gibt. Die Wissenschaftler ermittelten dazu einerseits Personen, die nach eigenen Angaben essen können, so viel sie wollen, ohne zuzunehmen, die so genannten »large-eater« oder »big-eater«. Andererseits suchten sie nach Menschen, die gemäß ihrer persönlichen Erfahrung schnell an Gewicht zulegen, die »small-eater«. Schließlich verglichen sie den Energieverbrauch dieser Versuchspersonen in Ruhe und Bewegung. Dazu maßen sie den Sauerstoffverbrauch der Probanden, aus dem sich der Energieumsatz berechnen lässt. Ihre Analyse ergab, dass large- und small-eater stets etwa gleich viel Energie verbrauchten. Allerdings führte Clarks Team die Versuche nur an jeweils 12 und 13 Personen durch.
Denken also Large-eater nur, sie könnten sich beliebig oft den Bauch vollschlagen, ohne dick zu werden? Vermutlich: »Ein large-eater spart das, was er zu viel gegessen hat, über Tage und Wochen hinweg wieder ein«, denkt Müller. Heißt: Sie essen zwar gelegentlich viel, aber hochgerechnet auf einen längeren Zeitraum nicht mehr als das, was sie wirklich verbrauchen.
Auch Susanne Klaus steht der Theorie der Stoffwechseltypen skeptisch gegenüber: »Die Idealvorstellung wäre, dass man gewisse Stoffwechselprodukte oder Hormone im Blut einer Person bestimmt und daraus folgert: Diese Person sollte am besten die Diät XY machen, kombiniert mit mehr aerobem Training.« Davon seien wir aber weit entfernt. »Wahrscheinlich wird es das nie geben, weil sich unser Stoffwechsel flexibel anpassen kann«, sagt sie. Die Angebote im Internet, die eine Stoffwechselanalyse versprechen, seien laut der Ernährungsforscherin daher »Humbug«.
Klaus verweist auf eine im Fachmagazin »Nature Medicine« erschienene Studie aus dem Jahr 2022: Die Forschenden haben analysiert, wie sich die Ernährungsweise, die Darmbakterien und die Gene von gut 1300 Probandinnen und Probanden auf die Konzentrationen von Stoffwechselprodukten im Blut auswirken. »Den größten Einfluss hatten die Ernährung und das Mikrobiom«, berichtet Klaus. »Die Genetik kam erst an letzter Stelle.« Dieses Ergebnis spricht gegen die Theorie der Stoffwechseltypen, da Unterschiede zwischen einzelnen Personen genetisch bedingt sein müssten.
Fast zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren sind hier zu Lande übergewichtig. Während sich das Gewicht bei jüngeren Kindern in der weiteren Entwicklung von allein normalisieren kann, bleiben betroffene Kinder ab sechs Jahren dauerhaft übergewichtig, wenn nicht gegengesteuert wird. Auf eine Diät sollte man die jungen Betroffenen aber nicht setzen, erklärt der Gastroenterologe und Ernährungsmediziner Manfred Müller. Sie könnte das Wachstum und die Entwicklung stören. »Bei Kindern und Jugendlichen geht es entscheidend um Prävention: Sie sollen nicht weiter zunehmen«, sagt Müller. Von Vorteil sei eine ballaststoffreiche Ernährung. »Kinder und Jugendliche, die sich vegetarisch ernähren, haben eine günstigere Gewichtsentwicklung als Kinder, die sich gemischt ernähren.« Bei veganer Ernährungsweise sollten die Minderjährigen regelmäßig zum Kinderarzt gehen, um sicherzustellen, dass sie genügend Nährstoffe erhalten. Außerdem sollten Eltern den Spaß an der Bewegung ihrer Kinder fördern. Generell gilt, dass man den Kindern ein Vorbild ist. Bedeutet: Die Eltern sollten sich selbst gesund ernähren und ausreichend bewegen – am besten gemeinsam mit den Kindern.
Vielfalt im Darm ist gesund
Dass Menschen Nahrung anders verwerten, könnte jedoch an den Darmbakterien liegen: »Das Mikrobiom scheint viele unserer Stoffwechselvorgänge zu beeinflussen«, sagt Klaus. Geformt wird es aus Billionen Bakterien, die den Darm besiedeln. Eine 2019 in »Nature Communications« publizierte Untersuchung offenbarte etwa, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Darmbakterien und Stoffwechselprodukten im Blut und Stuhl gibt. Allerdings ist unter anderem noch unklar, was die einzelnen Bakterien im Körper genau bewirken oder warum bestimmte Bakterien bei adipösen Menschen häufiger vorkommen.
Experimente an Mäusen aus dem Jahr 2006 legen nahe, dass das Mikrobiom tatsächlich auch beim Abnehmen behilflich sein kann. Forschende transplantierten normal genährten Mäusen den Stuhl mitsamt den Darmbakterien übergewichtiger Artgenossen. Daraufhin nahmen die schlanken Tiere zu. Nachfolgend führten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Fäkaltransplantation von normal zu übergewichtigen Menschen durch. Tatsächlich besserte sich bei Letzeren der Insulinstoffwechsel. Allerdings konnten nachfolgende Studien an übergewichtigen Erwachsenen und Jugendlichen, denen das Mikrobiom normal gewichtiger Personen als Tablette verabreicht wurde, dieses Ergebnis nicht reproduzieren. Auch nahmen die Teilnehmenden durch die Behandlung nicht ab.
»Es gibt zurzeit keine Adipositastherapie, bei der man einfach einen Joghurt mit bestimmten Bakterien essen kann, die beim Abnehmen helfen«Susanne Klaus, Professorin für Energiestoffwechsel am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
Scheiterte es also an der Art und Weise, wie die nützlichen Bakterien in den Darm gelangten? Konnten die Tablette die gewünschte Wirkung nicht entfalten? Bislang ist das unklar. Aber: »Eine Fäkaltransplantation ist nicht alltagstauglich, da sich wahrscheinlich nur wenige Menschen darauf einlassen würden«, sagt Müller. Daher sei es derzeit keine Alternative, die er Patienten anbieten würde. Auch Susanne Klaus sagt: »Es gibt zurzeit keine Adipositastherapie, bei der man einfach einen Joghurt mit bestimmten Bakterien essen kann, die beim Abnehmen helfen.«
Trotzdem schadet es nicht, auf die Darmflora Acht zu geben. »Alles deutet darauf hin, dass ein diverses Mikrobiom im Darm gesundheitsfördernd ist«, sagt Klaus. Laut einer Untersuchung von Klaus’ Potsdamer Kollegen Sören Ocvirk haben Menschen, die vorwiegend fettreiche Speisen, viele Fleischprodukte und relativ wenige Ballaststoffe zu sich nehmen, eine weniger vielfältige Darmflora. Fermentierte oder ballaststoffreiche Nahrungsmittel unterstützen die Diversität der Darmbakterien hingegen. Da die Darmflora stark von der eigenen Ernährung beeinflusst wird, ließen sich die unterschiedlichen Mikrobiota von Normalgewichtigen und Adipösen vielleicht auf verschiedene Ernährungsgewohnheiten zurückführen, erklärt Müller – und durch eine Ernährungsumstellung entsprechend verändern.
Eine Studie von 2022 aus dem Fachmagazin »Cell« deutet zum Beispiel darauf hin, dass eine stark zuckerhaltige Ernährung einen negativen Einfluss auf das Mikrobiom haben kann – und dadurch auch auf das Körpergewicht: Die Forschenden fanden in Experimenten an Mäusen nämlich heraus, dass Zucker eine ganz bestimmte Art von Darmbakterien schädigt. Genau diese Mikroben sorgen aber dafür, dass Immunzellen entstehen, die wiederum der Bildung von Fettzellen entgegenwirken. Es könnte also sein, dass Zucker nicht nur wegen der Kalorien dick macht.
Schlichtes Erfolgsrezept zum Abnehmen: negative Energiebilanz
Trotz vieler offener Fragen in der Forschung steht fest: Die Gewichtsreduktion gelingt mit ausreichend Bewegung und einer gesunden Ernährungsweise – ganz gleich, ob man sich kohlenhydratarm ernährt oder Intervallfasten macht. »Wenn ich eine negative Energiebilanz über einen längeren Zeitraum habe, dann nehme ich ab, egal mit welcher Diät«, sagt Susanne Klaus.
Viele Menschen tun sich aber damit sehr schwer: Mit der Frage »Warum nehme ich nicht ab?« kämen immer wieder Patientinnen und Patienten in die Sprechstunde der Interdisziplinären Adipositas-Ambulanz der Universitätsmedizin Göttingen, erzählt die Ökotrophologin Vivien Faustin. Bei diesen Menschen würden häufig psychologische Faktoren das Gewicht negativ beeinflussen, sagt Faustin. Stress, Frust, Kummer oder Langeweile werden durch Essen kompensiert. Mit ihren Patientinnen und Patienten trainiert sie daher andere Bewältigungsstrategien. Zusätzlich lernen sie, unbewusst verzehrte Lebensmittel wie etwa Süßigkeiten besser wahrzunehmen. Zu diesem Zweck nutzen die Betroffenen Apps, mit denen sie Mahlzeiten und Getränke und die darin enthaltenen Energie- und Nährstoffmengen erfassen. »Nur, wenn einem bewusst wird, wo eine zu hohe Energieaufnahme liegt, kann diese auch geändert werden«, berichtet die Ernährungswissenschaftlerin.
Schwierig wird es dann, wenn das Gewicht gesunken ist: »Da der Leidensdruck nun wegfällt, verführen die lang vermissten Leckereien dann doch irgendwann«, so die Erfahrung von Faustin. Bis zu 70 Prozent der Gewichtszunahmen nach einer Abnahme seien dadurch erklärbar, dass der neue Ernährungsstil nicht eingehalten werde, sagt auch Manfred Müller. Damit das Gewicht nicht wieder hochgeht, trainiert Faustin mit ihren Patientinnen und Patienten, das Essverhalten dauerhaft zu optimieren und das Leben aktiver zu gestalten. »Diäten oder Fastenvarianten helfen nur, solange sie durchgezogen werden«, sagt die Ernährungsexpertin. »Je aktiver jemand an sich arbeitet, desto langfristiger wird sein Erfolg sein.«
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