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Sinne: Die Ohren gespitzt!

Simpel ist das Hörorgan des Nachfalters. Zu simpel, dachte man, für den hochfrequenten Ultraschall einer Fledermaus im Angriff. Doch bei einer Art stößt der nächtliche Jäger keineswegs auf taube Ohren.
Noctua pronuba
Nichts Schöneres gibt es wohl für den Fledermausfreund, als in einer lauen Sommernacht im Freien zu sitzen und am Fledermausdetektor gebannt den Ultraschallrufen der vorbeifliegenden Nachtjäger zu lauschen. Für Beuteinsekten wäre der Besitz eines solchen Geräts geradezu lebensrettend: Könnten sie die Angreifer hören, hätten sie eine reelle Chance, der Attacke auszuweichen.

Die Hausmutter (Noctua pronuba ) | Lasermessungen an der "Hausmutter" zeigten, wie raffiniert der Nachtfalter sein Hörorgan auf Fledermausortung einstellt.
In der Tat geht man schon seit über fünfzig Jahren davon aus, dass manche Nachtfalter Ultraschallrufe niedriger Frequenz wahrnehmen können. Doch kurz vor der Schlussattacke steigert die Fledermaus die Tonhöhe rapide und macht damit – so die Vermutung – die Rufe für das Insekt ebenso unhörbar wie für uns Menschen. Niemand traute den simplen Falterohren zu, einen ausreichend großen Frequenzumfang abzudecken.

Ob die Fledermaus die Tonhöhe ansteigen lässt, um eine bessere räumliche Auflösung zu bekommen, oder ob sie damit auch ihren Anflug kaschieren will, ist nicht sicher geklärt. In jedem Fall wäre es aber verwunderlich, würde die Insektenwelt nicht ihrerseits mit geeigneten Gegenmaßnahmen kontern – schließlich liegen beide Spezies seit eh und je im evolutionären Clinch. Und wie sich jetzt herausstellte, hat die Wissenschaft tatsächlich wenigstens eine Nachtfalterart unterschätzt.

Die Lasermessvorrichtung | Mit Laser-Doppler-Vibrometrie maßen James Windmill und seine Kollegen das Schwingungsverhalten von Trommelfellen der Nachtfalter oder – wie hier – einer Mücke.
Mit einem Laser maßen James Windmill und seine Kollegen von der Universität Bristol das Schwingungsverhalten des Trommelfells der Hausmutter (Noctua pronuba), einem auch bei uns verbreiteten Eulenfalter. Bereits bei den ersten Versuchen zeigte sich Überraschendes: Schon auf simple Tonimpulse reagierte das Hörorgan komplexer, als es ein einfaches Schwingungssystem erwarten ließe.

Wirklich spannend wurde es aber erst, als sie das Organ mit nachgebildeten Fledermausrufen beschallten. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde registrierten die Forscher ein Ansteigen der Resonanzfrequenz des Trommelfells, mit der Folge, dass auf einmal auch die hohen Frequenzen des Endanflugs für den Falter hörbar wurden. Dieser Effekt blieb bei toten Tieren aus – Noctua pronuba manipuliert also aktiv den Tonhöhenumfang ihres Ohrs.

Das Tympanalorgan von Noctua pronuba | Das im Bild eingekreiste Hörorgan des Nachtfalters befindet sich an seinem Hinterleib. In der Mitte erkennt man die Ansatzstelle der beiden bewegungsemfindlichen Sinneszellen.
Dass der Nachtfalter eine solche Leistung an den Tag legt, hatten die Forscher nicht erwartet. Schließlich gehören seine Hörorgane mit einem winzigen Trommelfell und drei bewegungsempfindlichen Neuronen zu den einfachsten im ganzen Tierreich. Zwei der Nervenzellen dienen der Weiterleitung akustischer Signale, welche Aufgabe das dritte im Bunde hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen – vielleicht ist es ja für genau diese akustische Feinabstimmung verantwortlich.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Lautstärke des Ultraschalls die entscheidende Rolle spielt. Ist sie so hoch wie bei einer zehn Meter entfernten Fledermaus, bleibt die blitzschnelle Anpassung aus. Ist der Räuber dagegen nur noch rund drei Meter entfernt, stellt sich das Falterohr sofort neu ein. Die gespitzten Ohren behält Noctua pronuba dann sogar noch ein paar Minuten bei – wahrscheinlich für den Fall, dass die erfolglose Fledermaus kehrt macht und einen neuen Angriff unternimmt. Herrscht also doch Chancengleichheit am Nachthimmel? Das kommt darauf an, welche weiteren Tricks die Kontrahenten auf Lager haben. Von einigen Nachtfaltern etwa weiß man, dass sie mit dem verräterischen Flügelschlag aufhören, sobald sie Ultraschalllaute wahrnehmen. Manche Fledermäuse dagegen verzichten lieber gleich ganz auf die letzte Phase der Zielortung und stürzen sich sozusagen "blind" auf die ahnungslose Beute. Wer es mit einem solchen Tier zu tun bekommt, dem hilft dann freilich auch das feinste Gehör nichts mehr.

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