Küchenphysik: Die Thermodynamik der perfekten Käsesoße
Spaghetti Cacio e Pepe ist eines der einfachsten Gerichte der italienischen Küche – und gleichzeitig notorisch kompliziert. Das Gericht beinhaltet neben den Nudeln lediglich Pfeffer und Käse, die mit stärkehaltigem Nudelwasser zu einer cremigen Soße werden. Theoretisch jedenfalls. Tatsächlich ist das Gericht berüchtigt dafür, schiefzugehen: Die Soße klumpt. Das passiert so häufig, dass sich jetzt Fachleute mehrerer internationaler Institute, darunter des Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme in Dresden (MPI PKS), zusammengetan haben, um das Rätsel der Käsesoße zu lösen.
Das Team um Giacomo Bartolucci von der Universität Barcelona stellte dazu ein Phasendiagramm des Systems Wasser – Stärke – Käse auf und kommt zu dem Ergebnis, dass in der Praxis das entscheidende Problem die Stärkekonzentration ist. Wie die Forschenden jetzt in ihrer Vorabveröffentlichung auf der Publikationsplattform »Arxiv.org« berichten, enthält das Nudelwasser oft zu wenig Stärke, um eine stabile Emulsion zu erzeugen. Deswegen empfehlen sie, die Stärkekonzentration gezielt zu erhöhen, entweder durch Einkochen des Wassers oder durch zusätzliche Maisstärke.
Beim entscheidenden Schritt bei der Herstellung des Gerichts gibt man den geriebenen Pecorino-Käse in das warme, stärkehaltige Pastawasser. Dabei sollen Fett und Protein aus dem Käse im Wasser eine einheitlich cremige Soße bilden. Thermodynamisch allerdings ist dieser Zustand nicht stabil. Fett und Wasser neigen dazu, sich zu trennen, und die durch die Hitze aufgefalteten Proteine sind in großen Klumpen ebenfalls stabiler als im gelösten Zustand. Die Stärke wirkt als Emulgator, der diese Trennung verzögert und die Käsesoße stabilisiert.
Entsprechend sind Käse-Wasser-Gemische ohne Stärke instabil. Oberhalb von 60 bis 65 Grad entfalten sich die Proteine des Käses und bilden sofort einen großen Klumpen – was die Fachleute als Mozzarella-Phase bezeichnen. Doch selbst wenn Stärke vorhanden ist, ist die Soße berüchtigt instabil. Trifft man beim Kochen nicht den perfekten Punkt, machen Proteinklumpen die Soße ungenießbar.
Um herauszufinden, welche Rolle die jeweiligen Komponenten für dieses Verhalten spielen, stellte die Arbeitsgruppe Lösungen mit verschiedener Stärkekonzentration wie auch mit verschiedenen Mengen Käse her und erwärmte sie jeweils in Fünf-Grad-Schritten. Dabei zeigte sich einerseits, dass zunehmende Stärkekonzentrationen die Käse-Wasser-Emulsionen bei immer höheren Temperaturen stabilisieren. So kann die Soße bei vier Prozent Stärkeanteil bis zu 80 Grad warm sein, ohne dass sich größere Klumpen bilden – das ist bereits zu heiß zum Essen. Mehr Stärke ist nicht empfehlenswert, weil die Käsesoße dann schleimig wird.
Andererseits spielt das Mengenverhältnis von Käse und Wasser eine überraschende Rolle – die Stabilitätskurve abhängig vom Wasseranteil verläuft u-förmig. Wie das Team zeigte, ist es deswegen eine schlechte Idee, Wasser und Käse etwa im Verhältnis 1 : 1 zu mischen. Bei 1,1-mal so viel Wasser wie Käse verklumpt die Mischung am schnellsten. Darunter oder darüber, bei Wasseranteilen unter 0,9 und über 1,3 relativ zum Käse, steigt die Temperatur, bei der sich Klumpen bilden, stark an. Basierend auf den Experimenten präsentiert die Arbeitsgruppe deswegen ein perfektes Rezept für Spaghetti Cacio e Pepe mit einem Stärkeanteil von zwei bis drei Prozent im Wasser. Dazu kocht man vier Gramm Stärke in 40 Milliliter Wasser auf, lässt die Mischung ein wenig abkühlen und gibt 160 Gramm Pecorino dazu.
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