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Primatologie: Die Waffen der Affenfrauen

Oft wird ja eher den Männern unterstellt, lieber mit möglichst vielen Frauen anzubandeln als der Einen treu zu bleiben. Dass aber auch die Damenwelt es faustdick hinter den Ohren haben kann, zeigt sich einmal mehr bei unseren nächsten Verwandten.
Schimpanse
Welcher Mann ahnt es nicht insgeheim: Die Damen der Schöpfung wissen durchaus ureigene Interessen zu verfolgen. Und das auch unter Einsatz ihrer weiblichen Reize. Frei nach dem Motto "Der Ton macht die Musik" soll es ja Frauen geben, die ihre Partner mit erotischen Versprechen zum Rasenmähen überreden.

Quantität statt Qualität | Anstatt sich um die Gunst des stärksten Männchens zu bemühen, bandeln Schimpansinnen mit möglichst vielen Partnern an. Von diesen erhoffen sie sich Schutz in der Gruppe, vor allem vor Übergriffen anderer Weibchen.
Die Macht der Frauen über die armen, manipulierbaren Männer – beim Menschen natürlich frei erfunden – findet sich auch bei unseren nächsten Verwandten. Schimpansinnen tricksen jedoch weniger, um Banalitäten wie das Ausführen von Gartenarbeiten zu erreichen, als vielmehr, um sich einen Beschützer zu sichern. Und nicht nur einen: Viele Bodyguards sind besser als nur einer, auch wenn es der stärkste Kerl am Platze wäre.

Quantität vor Qualität, das muss man den Affendamen bei der Partnerwahl wohl tatsächlich vorwerfen. Zumindest laut Tobias Deschner vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, der in Zusammenarbeit mit zwei Forschern von der University of St. Andrews das Paarungsverhalten von Schimpansen (Pan troglodytes schweinfurthii) in Uganda untersucht hat.

Über 16 Monate beobachteten sie die Affen im Budongo-Regenwald, um der Frage nachzugehen, welche Funktion die Paarungsrufe der Schimpansenweibchen haben. Die kurz vor, während oder nach der Kopulation ausgestoßenen Schreie standen bisher im Verdacht, die Empfängnisbereitschaft der jeweiligen Affendame zu signalisieren und den Kampf um das Weibchen zwischen den Männchen anzustacheln.

Die Wissenschaftler beobachteten jedoch, dass einige Schimpansinnen keine solche Rufe äußerten. Der Grund war nicht mangelnde Empfängnisbereitschaft, wie die Forscher feststellten. "Über den Progesteronspiegel im Urin können wir den Zeitpunkt des Eisprungs genau bestimmen", erklärt Deschner. "Die Häufigkeit, mit der sie ihre Kopulationsrufe äußerten, war jedoch auch in dieser Zeit unverändert."

Die heimlichen Affären der Affendamen | Um keine Eifersuchtsdramen heraufzubeschwören, halten Schimpansinnen ihre Affären vor den Artgenossinnen geheim. Sind andere Weibchen in der Nähe, verkneifen sie sich die Kopulationsrufe, mit denen sie versuchen, die Aufmerksamkeit möglichst vieler Männchen auf sich zu ziehen.
Auch waren die stillen Weibchen durchaus nicht weniger aktiv in Liebesdingen. Die Erklärung für das unterschiedliche Verhalten fanden Deschner und seine Kollegen, als sie bemerkten: Es kommt darauf an, wer sich in Hörweite befindet.

Sich bloß nicht von den Konkurrentinnen erwischen lassen, das scheint die Devise, wenn sich Schimpansinnen nach erfolgreichem Flirten mit einem Männchen vergnügen. Die Affendamen schienen sich die Lustschreie während des Liebesspiels zu verkneifen, wenn Artgenossinnen in der Nähe waren. Sie versuchten offenbar, ihre Affären zu verheimlichen, um Eifersuchtsdramen und Vergeltungsschläge höherrangiger Weibchen zu vermeiden.

Andere Männchen durften und sollten diese Kopulationsrufe jedoch durchaus mitbekommen, könnten sie doch die nächsten Anwärter auf ein Schäferstündchen sein. Dabei kam durchaus nicht nur das stärkste Männchen zum Zuge, womit auch die zweite Theorie über die Funktion der Schreie hinfällig wurde.

Zweifelhafte Vaterschaft ... | sichert das Überleben des Nachwuchses. Oft fühlen sich gleich mehrere potenzielle Väter für die Kleinen verantwortlich und verteidigen sie gegen die Übergriffe aggressiver Weibchen.
Dienten die Paarungsrufe der Weibchen tatsächlich dazu, den Konkurrenzkampf zwischen den Männchen anzuheizen, dürfte nur der Stärkste bei der Damenwelt punkten. Dem war aber nicht so.

Viel eher schienen die Weibchen die Aufmerksamkeit möglichst vieler Männchen erheischen zu wollen. Der wahre Konkurrenzkampf verlief also zwischen den Affendamen, wer die meisten Schimpansenmänner verführte.

Der aus den zahlreichen Affären resultierende Nachwuchs profitierte von der zweifelhaften Vaterschaft, diente diese doch letztendlich seinem Schutz. Dank Mamas Flirtkünsten fühlten sich gleich mehrere potenzielle Väter für das Wohlergehen der Kleinen verantwortlich und wehrten zur Not streitlustige Damen ab. Das Aufgebot an Bodyguards kann dabei manchmal überlebenswichtig sein: Kindstötung ist nicht unüblich, wenn Schimpansinnen ihre Aggressionen am Nachwuchs der Konkurrentinnen auslassen.
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