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Raumfahrt: Die Zukunft nach dem letzten Flug

Der vorletzte Shuttleflug hat begonnen – und die US-Raumfahrtbehörde sucht immer noch nach einem Nachfolger für bemannte Flüge ins All.
Shuttle
Am Kennedy Space Center in Florida, dort wo der Spaceshuttle sich immer donnernd in die Luft geschraubt hat, findet man sie in jeder Seitenstraße, auf den Schildern vor der Kirche und auf den Werbetafeln des Schnapsladens: überall Hinweise auf die fast symbiotisch enge Beziehung zwischen den Anwohnern und dem US-Raumfahrtprogramm. Schilder, die vor dem Start Segenswünsche spenden – oder schlicht eine "außerirdische" Auswahl anpreisen.

Der Beziehung steht eine harte Belastungsprobe bevor. Gerade ist am 16. Mai, ein paar Wochen verspätet, zum vorletzten Mal eine Raumfähre ins All abgehoben – der Spaceshuttle "Endeavour" hat einen schweren Detektor für kosmische Strahlung zur Internationalen Raumstation ISS transportiert. Der allerletzte, 135ste Start des seit 30 Jahren laufenden Shuttleprogramms folgt im Sommer: Die "Atlantis" wird noch einmal Astronauten und einen Schwung Ersatzteile und Versorgungsgüter zur Station im Orbit liefern.

Endeavour auf dem Weg ins All | Kurz nach dem letzten Start – am 16. Mai 2011 um gegen neun Uhr Ortszeit hob zum letzten Mal der Spaceshuttle Endeavour vom Boden ab – und verschwand schnell hinter den tief liegenden Wolken über Florida. Ein Shuttlestart soll noch folgen: Im Juli fliegt mit Atlantis die 135. und letzte Mission des Shuttleprogramms.
"Wir beenden damit das Space-Shuttle-Programm, nicht die bemannte Raumfahrt insgesamt", meint Philip McAlister, der als Exekutivdirektor bei der NASA die Projektplanung für kommerzielle Flüge ins All verantwortet. "Die bemannte Raumfahrt wird ganz neu als spannende Herausforderung angegangen". Bis es so weit ist, fehlt der NASA allerdings mehrere Jahre lang ein eigenes bemanntes Raumfahrzeug. Das Kennedy Center und seine Umgebung – die einst boomende "Weltraumküste" Floridas – wird indes rund 8000 Arbeitsplätze verlieren.

Um trotzdem Astronauten zur ISS zu bringen, muss die NASA auf absehbare Zeit Plätze auf der russischen Sojus-Kapsel buchen – dem derzeit einzigen Crewtransporter ins All. Der nächste Flug steht am 7. Juni auf dem Programm, wo ein Russe, ein Japaner und ein US-Amerikaner zur ISS starten sollen. Reservierungen der USA laufen auch schon für alle kommenden 10 Sojusflüge bis Ende 2013.

Und dann? Langfristig möchte die NASA private Unternehmen in die Verantwortung einbinden, Astronauten in den erdnahen Orbit zu bringen – ein Modell, das besonders von US-Präsident Barack Obama favorisiert wird. Nach einem von der NASA am 18. April vorgestellten Plan erhalten vier Firmen nun zunächst insgesamt 269 Millionen US-Dollar, um die Entwicklung privatwirtschaftlich organisierter Weltraumflüge voranzutreiben: SpaceX aus Hawthore in Kalifornien, Boeing aus Houston, Texas, Blue Origin (Firmensitz in Kent, US-Bundestaat Washington) und Sierra Nevada aus Louisville, Colorado sind die bedachten Kandidaten. Alle haben versprochen, bis zum Jahr 2014 oder 2015 ein bemannbares Raumfahrzeug entwickelt zu haben.

SpaceX hat als einziges Unternehmen schon jetzt Erfolge vorzuweisen: Die unbemannte Dragon-Kapsel der Kalifornier war bereits im Orbit und ist wohlbehalten wieder eingesammelt worden. In den nächsten Wochen möchte die NASA entscheiden, ob der zweite und dritte Flug der Dragon zusammengelegt werden, um dann eine Mission ansteuern zu können, die hoffentlich gleich an der ISS andockt. Der Plan ist ganz nach dem Geschmack von SpaceX-Chef Elon Musk.

Für die Nasa ist der Schwenk zur privatwirtschaftlich organisierten Raumfahrt fundamental: Immer hatte sie sich auf eigene Transportmittel oder die der Russen verlassen, um Menschen ins All zu bringen, jetzt wird ein völlig anderer – und ungetesteter – Weg beschritten. Viele in der Behörde können das trotz aller Unwägbarkeiten kaum abwarten.

Der Shuttle "war ein Weg ins All", meint Astronaut Chris Hadfield, der für die NASA und die kanadische Weltraumorganisation geflogen ist und im kommenden Jahr sechs Monate – drei als Kommandant – auf der ISS verbringen wird. "Der einzige Weg ist er nicht".

Die privaten Anbieter werden auch für den Transport von Gütern zur ISS gebraucht – etwa von wissenschaftlichen Forschungsinstrumenten. Die Sojus trägt allerdings nur eine geringe Nutzlast, erklärt Tara Ruttley, wissenschaftliche Projektmanagerin der Raumstation. Vertraglich hat sich die NASA daher auch auf 12 Frachttransporte mit SpaceX und 8 weitere mit Orbital Sciences (aus Dulles in Virginia) geeinigt, die schon Anfang nächsten Jahres beginnen sollen. Das unbemannte russische Progress-Raumschiff kann ebenfalls wissenschaftliche Nutzlast zur Station bringen.

Und so soll – soweit die Idee – die abgeschobene Verantwortung, den Transport in den erdnahen Orbit zu organisieren, dringend benötigte Kapazitäten frei schaufeln: Vom US-Kongress hat die Weltraumorganisation im Oktober den Auftrag erhalten, bis 2016 eine leistungsfähige Rakete sowie einen Crewtransporter zu entwickeln, mit dem Astronauten erdnahe Asteroiden oder den Mond erreichen können. Die Rakete baut auf Vorarbeiten auf, welche das mittlerweile ad acta gelegte Constellation-Programm lieferte. Die Vorgängerregierung Obamas hatte damit das Ziel verfolgt, die Nachfolgegeneration des Shuttles zu entwickeln.

Der neue Kurs ist erkennbar auch durch Befürchtungen von Kongressabgeordneten bestimmt, die einen schleichenden Abbau der NASA fürchten – und damit den Verlust von Arbeitsplätzen in ihren Heimatwahlkreisen. Zum Beispiel an der "Weltraumküste": Bezeichnend sind Meinungsäußerungen wie der im "Orlando Sentinel" Ende April veröffentlichte Kommentar des republikanischen US-Senators Marco Rubio aus Florida. Er kritisierte Obama heftig dafür, nicht genug Geld für die Raketenentwicklung zur Verfügung gestellt zu haben, um den projektierten Starttermin 2016 halten zu können. "In letzter Konsequenz wird die Weltraumpolitik des Präsidenten darin enden, dass sich Amerika völlig aus dem so lange betriebenen Einsatz für die Weltraumerforschung zurückzieht", schreibt Rubio. Seinen Ärger teilt so mancher. Womöglich schadet er Obama noch: Florida wird wohl einer der Staaten sein, die den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2012 entscheiden.

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