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News: Dollys gefährdete Schwester

Bilder des geklonten Schafes Dolly gingen im Jahre 1996 um die Welt. Seit seiner erfolgreichen Erzeugung erkunden Forscher rund um den Globus das wissenschaftliche Potenzial der umstrittenen Klon-Technologie. Jetzt gelang zum ersten Mal erfolgreich die Klonierung einer gefährdeten Art: Wissenschaftler erzeugten aus DNA-Material eines toten Mufflonschafes und eines Hausschafes ein weibliches Mufflon-Lamm.
Der auf der heimischen Fensterbank behütet herangezogene Grünliliensprössling ahnt nichts von seiner berühmten Verwandtschaft: Er ist ein Klon, genau wie das zu großer Bekanntheit gelangte erste geklonte Schaf namens Dolly. Schlicht "Zweig" oder "Sproß" lautet die Übersetzung des Wortes Klon aus dem Griechischen. Pflanzenzüchter und Mikrobiologen verwenden den Ausdruck schon lange für die ungeschlechtliche oder genetisch identische Vermehrung eines Organismus. Die Gentechnologie hat den Ausdruck dann für ihre Zwecke übernommen.

Klone sind – einfach gesagt – genetische Replikate, die alle ein identisches Erbgut besitzen. Auf natürlichem Wege können sie bei höheren Lebewesen durch Teilung der ersten Zellstadien einer befruchteten Eizelle entstehen. Das Ergebnis davon sind bei Menschen eineiige Zwillinge. Diese Methode wurde auch bei den ersten Klonierungsversuchen im Labor erfolgreich eingesetzt. Bei Dolly gingen die Forscher einen anderen Weg, den jetzt auch das Team um Pasqualino Loi der University of Teramo bei dem neu geschaffenen Mufflon-Lamm beschritt.

Aus differenzierten Körperzellen aus dem toten Körper eines Mufflonschafes (Ovis orientalis musimon) entnahmen Loi und Kollegen den Zellkern mit der DNA. Eingepflanzt in die kernlose Eizelle eines Hausschafes trug dann nach erfolgreicher Fusionierung ebenfalls ein Hausschaf den fremden Embryo aus. "Es ist die erste erfolgreiche geklonte Lebendgeburt einer gefährdeten Säugetierart", sagt Michael Clinton vom Roslin Institute in Edinburgh und Mitstreiter des italienischen Teams.

Spektakulär ist das geklonte Lämmchen nicht nur wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bedrohten Art: Da in der verwendeten Eizelle des Hausschafes auch Mitochondrien, die ebenfalls Erbinformationen tragen, erhalten blieben, rissen die Wissenschaftler mit der Fusion die biologische Grenze zwischen zwei Spezies nieder.

Beim Klonen ist die Erfolgswahrscheinlichkeit aber nach wie vor nicht sehr hoch. Auf dem heutigen Stand der Forschung gelten eng mit Haustieren verwandte Wildtierarten wie Rinder und Schafe, wo die zahlreiche zahme Sippschaft als Leihmutter und Eizellenspender dienen kann, als am ehesten zum Klonen geeignet. Bei großen Säugetierarten wie Elefanten und Nashörnern ist ihre komplizierte Anatomie und Größe ein bisher unüberwindbares Hindernis. Dass nach der Art eines Jurassic Park demnächst vielleicht gar Vertreter ausgestorbener Arten die Erde bevölkern werden, ist kaum zu befürchten.

Das erzeugte Mufflon ist mittlerweile sechs Monate alt und lebt in einer Aufzuchtstation in Sardinien. Die heute nur noch in Korsika, Sardinien, Zypern und Kleinasien lebenden Mufflons würden den neuen Artgenossen wohl als willkommene Bereicherung begrüßen, sollte ihnen das Lamm in freier Wildbahn je begegnen. Mufflons sind ein Urahn unserer Hausschafe und gehören mit einer geschätzten Restpopulation von weniger als tausend frei lebenden Tieren zu den vom Aussterben bedrohten Arten.

Mit der erfolgreichen Anwendung des Klonierens zur Erhaltung vom Aussterben bedrohter Spezies hat die umstrittene Technologie einen neuen Anwendungsbereich gefunden. Versuche und Gedanken in diese Richtung gibt es schon einige: Im Jahr 2000 versuchten Wissenschaftler, ein Gaur-Kalb zu klonen, eine gefährdete Wildrinderart aus Zentralasien. Es überlebte seine Geburt aber nur um 48 Stunden. DNA-Bänke zur Erhaltung des genetischen Materials von gefährdeten Tier- und Pflanzenspezies befinden sich im Aufbau, von denen man sich erhofft, das derzeitige Artensterben zukünftig vielleicht in Grenzen halten zu können.

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