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Wortwahl: Eine gemeinsame Sprache erhält die Freundschaft

Gleich und Gleich gesellt sich gern – das gilt auch beim Quatschen. Und mit der Zeit gleichen sich Freunde sprachlich sogar noch weiter an.
Eine Handvoll Postkarten mit Urlaubsgrüßen

Gute Freunde brauchen oft nur wenige Worte, schon weiß der eine, was der andere meint. Das könnte nicht nur an der gemeinsamen Geschichte liegen, sondern auch an einer ähnlichen Ausdrucksweise: Menschen mit ähnlichem Sprachstil freunden sich eher an. Und sind sie erst mal Freunde, gleichen sie sich sprachlich weiter aneinander an. Das beobachteten Balazs Kovacs von der Yale University und Adam Kleinbaum vom Dartmouth College in zwei Studien, die sie an Weihnachten in »Psychological Science« veröffentlichten.

Die erste Stichprobe bestand aus 285 Studienanfängern einer US-amerikanischen Privatuniversität: Ihre Sprachproben stammten aus ihren Bewerbungsessays sowie späteren Prüfungstexten. Diese analysierten die beiden Wirtschaftsforscher mit dem Linguistic Inquiry and Word Count (LIWC), einem Standardverfahren der Linguistik, das unter anderem 18 Kennwerte für den Sprachstil berechnet. Demnach deutet zum Beispiel die Verwendung der ersten Person Singular (»ich«, »mich«) auf eine introvertierte Persönlichkeit und eine Tendenz zu Depressionen, die dritte Person Singular und Plural (»er«, »sie«) eher auf abstrakte Gedankengänge. Ergebnis: »Aus einem ähnlichen Sprachstil im Bewerbungsessay lässt sich vorhersagen, dass Studierende eher Freunde werden und bleiben, und wenn sie früh Freunde werden, dann nähern sie sich linguistisch bis zum Examen weiter an.« Das war unabhängig davon, ob sie auch Geschlecht, Nationalität, Muttersprache oder Persönlichkeitsmerkmale teilten.

Zu vergleichbaren Resultaten kamen Kovacs und Kleinbaum bei einer linguistischen Analyse von 1,7 Millionen Bewertungen für Geschäfte, die knapp 160 000 Kunden aus sieben Städten auf der Website Yelp.com hinterlassen hatten. Der Abgleich mit ihren Kontakten in Online-Netzwerken ergab erneut: Je ähnlicher sich die Kunden ausdrückten, desto wahrscheinlicher waren sie miteinander befreundet. Und je länger die Freundschaft, desto mehr glich sich der Sprachstil an.

Menschen ahmen einander nach, weil sie sich zugehörig fühlen wollen, erklären die Autoren. Die Effekte seien zwar klein. Doch das sei nicht verwunderlich, denn in der Sprache spiegelten sich unbewusste, tief in der Persönlichkeit wurzelnde psychische Prozesse, die sich nur langsam anpassen.

Die Wirtschaftsforscher vermuten, dass sprachliche Gemeinsamkeiten künftig noch wichtiger werden, wenn Textnachrichten einen immer größeren Teil der Kommunikation ausmachen. Ein gemeinsamer Sprachcode könne außerdem in den so genannten Echokammern eine Rolle spielen, also Websites, auf denen Menschen vermehrt die Texte von Gleichgesinnten zu sehen bekommen. Das fördere nicht nur geteilte politische Ansichten, sondern auch eine gemeinsame Sprache.

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