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Kosmologie: Einfach vermessen

Es gestaltet sich zweifelsohne schwierig, die Entfernung von etwas zu bestimmen, das unsichtbar ist. Astronomen sind mit diesem Problem konfrontiert wenn es um Dunkle Materie geht. Zwar verrät sich die geheimnisvolle Masse durch das verzerrte Sternlicht aus fernen Galaxien, doch ihre Distanz bleibt weiterhin verborgen. Alt bewährte Methoden schaffen Abhilfe.
Aus zwei Perspektiven betrachtet
Kongruenzsatz, Dreiecksungleichung, Winkelsätze – all das haben wir mal im Matheunterricht gelernt oder zumindest gehört. Da sollten wir Winkel im Dreieck bestimmen, die Seitenlängen von Trapezen oder auch gerne andere Kunststücke mit geometrischen Figuren vollführen. Und manchen kam es ziemlich sinnfrei vor, was der Lehrer da als Bedeutsamkeit der Zahlenlehre predigte, während er Architekten, Landvermesser oder Ingenieure zitierte und die Geometrie als Handwerkszeug deklarierte. Mittlerweile dürfte sich jeder von uns auf die eine oder andere Seite geschlagen haben.

Fest steht jedenfalls, dass sich die Entfernung von bestimmten Dingen schwerlich ohne Mathematik berechnen lässt. Sollte Sie zum Beispiel interessieren, wie weit der Mond entfernt ist, böte sich ein Verfahren namens Triangulation an. Peilt man den Erdtrabanten von zwei verschiedenen Standpunkten mit bekanntem Abstand an, so bilden Mond und die beiden Aussichtspunkte ein Dreieck. Dessen Winkel sind leicht bestimmbar, die Basislänge bekannt – somit lassen sich alle anderen Größen im Dreieck mit Hilfe von mathematischen Formeln berechnen.

Dreieck im All | Astronomen kombinierten die Daten vom Weltraumteleskop Spitzer und einem erdgebundenen Teleskop, um die Position von Dunkler Materie in den Randgebieten der Milchstraße zu untersuchen.
Astronomen nutzen eine ähnliche Methode, um die Distanz von Sternen zu bestimmen – als Basislänge dient hier der Erdbahndurchmesser. Forscher um Andrew Gould von der Ohio State University in Columbus haben das Verfahren nun leicht abgewandelt, um die Heimat eines geheimnisvollen Kolosses mit etwa zehn Sonnenmassen auszumachen.

Entdeckt hatten sie ihn durch den so genannten Mikrogravitationslinseneffekt, bei dem die Schwerkraft einer Masse das Licht dahinter liegender Gestirne kurzzeitig wie eine Linse verstärkt, wenn sie zwischen Lichtquelle und Beobachter vorüberzieht. Unklar blieb jedoch, ob die Wissenschaftler Objekte in der Nachbargalaxie gefunden hatten oder einen so genannten Macho (Massive Compact Halo Object) im Halo der Milchstraße.

In diesem Gebiet über und unterhalb der Spiralscheibe vermuten Wissenschaftler viele solcher dunklen Objekte, die zur Masse der Galaxis beitragen. Insgesamt sind sogar achtzig Prozent der Materie in der Milchstraße unsichtbar. Ein Großteil davon ist allerdings exotischer Natur, also nicht vergleichbar mit der uns bekannten Form aus Atomen.

Machos, die nicht mehr als ein Fünftel der dunklen Masse ausmachen, bestehen hingegen aus gewöhnlicher Materie und könnten beispielsweise Schwarze Löcher, leuchtschwache Sterne oder ungebundene Planeten sein. Doch bevor es in die Details geht, gilt es erst einmal ihre Position zu kennen.

Die Idee, Dunkle Materie mit Hilfe der Triangulation zu erkunden, ist keinesfalls neu – schon vor vierzig Jahren schlug sie der Astronom Sjur Refsdal vor. Damals gab es neben einem erdgebundenen Teleskop allerdings noch keinen geeigneten zweiten Beobachtungspunkt im All. Heute kreist das Weltraumobservatorium Spitzer etwa 40 Millionen Kilometer von der Erde entfernt um die Sonne und ermöglicht endlich die Umsetzung des Plans. Im Sommer 2005, wenige Tage nachdem andere Astronomen die Gravitationslinse OGLE-2005-SMC-001 entdeckt hatten, erfassten Gould und sein Team sie aus den beiden Perspektiven.

Erhellen und verdunkeln | Dieses Bild zeigt wie die Helligkeit eines Hintergrundsterns durch die Schwerkraft von OGLE-2005-SMC-001 scheinbar zunimmt (links) und wieder abnimmt (rechts). Die beiden oberen Aufnahmen entstanden am 1,3-Meter-SMARTS-Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile und die beiden unteren mit der Infrared Array Camera an Bord des Weltraumteleskops Spitzer.
Allerdings bestimmten sie nicht die Winkel im Dreieck, sondern verfolgten die Helligkeit der fernen Quelle an beiden Punkten. Auf die kombinierten Daten wandten die Forscher komplizierte Gleichungen an und bestimmten eine Geschwindigkeit am Himmel von 230 Kilometern pro Sekunde. Ein Tempo, das sie für ein Halo-Objekt erwarten würden und das eine Größenordnung kleiner war als in der Kleinen Magellanschen Wolke üblich.

Zwar können die Forscher nicht gänzlich ausschließen, dass OGLE-2005-SMC-001 in der Nachbargalaxie residiert, aber immerhin liegt sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent in der Milchstraße -16 000 Lichtjahre von uns entfernt am Rande der Milchstraße.

En passant gab die Analyse sogar noch preis, dass der dunkle Körper aus zwei einzelnen Objekten besteht, die sich gegenseitig umkreisen. Die Wissenschaftler nehmen an, dass ein Paar von Schwarzen Löchern dahintersteckt. Gleichzeitig mahnen sie allerdings vor verfrühter Euphorie, denn vielleicht sind es eben doch nur zwei herkömmliche Sterne in der Kleinen Magellan'schen Wolke.

Die Forscher können es kaum abwarten, auch andere vermeintliche Machos mit diesem neuen Handwerkszeug zu erforschen. Auf welche Seite sie sich geschlagen haben, dürfte klar sein.

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