Direkt zum Inhalt

Kosmologie: Dunkle Materie im Visier

Ein Großteil unseres Universums soll aus Dunkler Materie bestehen - diese Meinung teilen die meisten Kosmologen. Doch bekanntermaßen gestaltet es sich schwierig, unsichtbare Dinge zu beobachten und deren Dasein zu belegen. Jetzt scheint der Beweis erstmals gelungen.
Wenn Dunkle Materie sichtbar wird
Die gesamte Kosmologie stützt sich auf die Annahme, dass sich die Gravitation im ganzen Universum gleich verhält. So wie sich Sonne und Erde im Sonnensystem anziehen, so sollte dieselbe Schwerkraft die einzelnen Himmelskörper in Galaxien oder gar Galaxienhaufen zusammenhalten. Die Beobachtung lehrte allerdings anderes. Um die Bindung in derart großen Strukturen zu erklären, bedarf es entweder weit mehr Materie als der bisher erspähten, oder aber die von Albert Einstein erdachte Gravitationstheorie war fehlerhaft.

Um Einsteins Werk zu retten, ließen sich die Theoretiker die Dunkle Materie einfallen. Für die Teleskope unsichtbar, sollte sie die fehlende Gravitation bringen und damit eine sich ändernde Schwerkraft abwenden. Das Konzept bestätigte sich vielfach, ob es um die Sternenbewegungen in Spiralgalaxien oder die Dynamik von ganzen Galaxien ging. Doch letztendlich blieb sie ein reines Gedankenprodukt, ohne dass man ihre Existenz beweisen konnte. Astronomen um Douglas Clowe glauben nun allerdings, die mysteriöse Masse endlich entlarvt zu haben.

Diese Sensation verdanken sie einem gigantischen Szenario im Weltall – dem Zusammenstoß zweier Galaxienhaufen. Diese Anhäufungen von Galaxien enthalten die gewöhnliche Materie vorwiegend in Form von diffusem heißem Gas. Nur ein Zehntel befindet sich in Sternen. Gas und Gestirne sind der Theorie nach durch die Schwerkraft der Dunklen Materie gebunden, welche die Masse der normalen Materie um ein Vielfaches übersteigt. Ohne sie würden sich die schnell bewegenden Galaxien und das heiße Gas schnell auseinander bewegen.

Galaxienhaufen 1E 0657-56 im Röntgenlicht | Dieses zusammengesetzte Bild zeigt den Galaxienhaufen 1E 0657-56. Die optische Aufnahme lässt Galaxien in weiß und orange erkennen. In rosa ist die Gaswolke gezeigt, die im Röntgenbereich aufgenommen wurde.
Durchdringen sich nun zwei Galaxienhaufen, so wird das Gas in ihnen Zugkräften, ähnlich dem Luftwiderstand, ausgesetzt. Diese bremsen das heiße Gas ab. Die Galaxien bewegen sich indes nahezu ungehindert weiter und lassen das Gas zurück. In diesem Augenblick, also etwa hundert Millionen Jahre nach dem eigentlichen Zusammenstoß, konnte der Röntgensatellit Chandra den vermengten Galaxienhaufen 1E 0657-56 betrachten. Die Bilder zeigen, dass sich das heiße Gasgemisch aus Wasserstoff und Helium auf Grund der Druckwelle der Kollision zu einer Wolke formte, die an ein Projektil erinnert.

Der Gravitationslinseneffekt | Die Abbildung zeigt, wie die Schwerkraft eines Galaxienhaufens das Licht von Galaxien im Hintergrund ablenkt. In diesem idealisierten Fall wird die Galaxie vom Teleskop sowohl über als auch unterhalb der wirklichen Position gesehen. Durch eine Analyse möglichst vieler Hintergrundgalaxien lässt sich eine Karte der Masseverteilung im Galaxienhaufen erstellen.
Weniger kunstvolle, dafür aber umso interessantere Ergebnisse lieferten den Astronomen die optischen Aufnahmen der Galaxien und deren Umgebung. Auf diesen waren so genannte Gravitationslinseneffekte zu beobachten. Dabei wird das Licht, das von entfernten Galaxien ausgesendet wird, durch die Gravitation eines davor liegenden Objekts gebeugt. Die Spektren des so abgelenkten Lichtes lassen dann einen Rückschluss auf die Masseverteilung der Gravitationslinse, also in diesem Fall Galaxienhaufen 1E 0657-56, zu. Je stärker das Licht abgelenkt wurde, desto schwerer ist der Haufen.

Galaxienhaufen 1E 0657-56 im optischen Spektralbereich | In weiß und orange sind die Galaxien von 1E 0657-56 erkennen. Die blauen Regionen deuten die von Dunkler Materie dominierten Gebiete an, die durch Gravitationslinseneffekte aufgespürt wurden.
Die Wissenschaftler stellten bei der Analyse viel mehr Materie in der Nähe der Galaxien fest als in der zurückgebliebenen Gaswolke. Somit kann das Gas nicht die massereichste Komponente im Galaxienhaufen gewesen sein – stattdessen wird diese Rolle der Dunklen Materie zugeschrieben, die im Gegensatz zum Gas nicht abgebremst wurde. Damit würde sich auch die bisherige Annahme bestätigen, dass sie ausschließlich über die Gravitation mit anderen Teilchen – ob aus gewöhnlicher oder ebenfalls Dunkler Materie –-wechselwirkt.

Diese räumliche Trennung von leuchtender und unsichtbarer Materie deutet also auf die Existenz zweier grundlegend unterschiedlicher Materiearten hin. Für die Astronomen ein starker Hinweis auf die Dunkle Materie.

Jetzt stellt sich "nur noch" die Frage, woraus sie eigentlich besteht.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.