Hormone: Erfindung eines Kuschelfaktors
Regeln wirklich nur Rezeptorendichten und Hormonkonzentrationen unser Sozialverhalten? Möglich - falls wir das uralte System der Wirbeltierahnen unverändert übernommen haben.
Das Vertrauens-, Sozial- und Muttergefühlhormon Oxytozin ist einer der Stars des vergangenen Forschungsjahrzehnts – verspricht das kleine Gehirnpeptid doch, Brücken über die umkämpfte Grenzregion zwischen Biologie und Psychologie zu schlagen. Forscher aus beiden Gebieten hatten ungläubig bis konsterniert zugeben müssen, dass ein simpler chemischer Kleinstbaustein offenbar auch sehr komplexe Verhaltensweisen sozialer Wesen – wie etwa Mutterliebe oder Bindungsbereitschaft – einfach durch An- oder Abwesenheit auszulösen oder abzuschaffen vermag. Das "Hormon des Vertrauens" taucht seitdem immer wieder in den Schlagzeilen auf.
Mittlerweile scheint fest zu stehen, dass Oxytozin und seine Verwandten wirklich recht grundsätzliche Bereiche des Sozialverhaltens regeln, wie einige Studien belegen konnten – und zwar bei Maus, Mensch und sogar Fischen. Auch James Goodson, heute an der Indiana University in Bloomington, hatte schon früh über die Rolle des Oxytozins und seiner Analoga in Wirbeltieren geforscht.
Seinem Team war bereits vor rund zehn Jahren aufgefallen, dass oxytozinanaloge Neuropeptide wie Isotozin und Vasotozin auch bei Fischen geschlechtspezifisch soziale Verhaltensweisen beeinflussen, etwa bei der Balz der Tiere. Dabei werden besonders Hirnbereiche wie das die präoptische Areal des hinteren Hypothalamus angesprochen, eine bei allen Vertebratenarten erhaltene Struktur. Goodson und Co suchen seitdem nach weiteren Gemeinsamkeiten der Hormonwirkung bei verschiedenen Wirbeltieren – und einer Erklärung, wie dieses System sich etablierte.
Die Wissenschaftler hatten die Mesotozinwirkung im Vogelhirn von T. guttata versuchsweise geblockt und festgestellt, dass die Tiere danach deutlich seltener mit anderen, ihnen vertrauten Artgenossen Umgang hatten – stattdessen tummelten sie sich eher in kleineren Gruppen mit ihnen unbekannten Vögeln der Art und pflegten im Allgemeinen deutlich weniger Sozialkontakte. Das Gegenteil geschah, sobald den Tieren das Neuropeptid in größeren Mengen ins Gehirn injiziert wurde.
All das, so die Forscher, trifft aber nur auf weibliche Tiere zu. Nicht ganz überraschend, meint Goodson: Mesotozin sei, wie das in Wirbeltieren von der Evolution schon früher erfundene Oxytozin, ja häufig mit Verhaltensweisen assoziiert, die die weiblicher Fortpflanzung betreffen – etwa der Paarbindung oder der mütterlichen Fürsorge sowie dem Stillen von Neugeborenen. Schon lange vor der Entstehung der Säugetieren aber – vielleicht gleichzeitig mit der Erfindung der Kieferknochen in Wirbeltieren vor rund 450 Millionen Jahren – begannen Oxytozinneuropeptide bei den gemeinsamen Vorfahren von Haien und Menschen ihre Funktion zu ändern. Wo sie zuvor womöglich noch eine Rolle beim Regulieren des Wasserhaushaltes gehabt hatten – wie noch heute bei manchen Nichtsäugern –, übernahmen sie mehr und mehr eine manipulative Rolle in zunehmend wichtigeren Gehirnregionen, die das Sozialverhalten steuern, spekuliert Goodson.
Und dazu gehörten wohl tatsächlich schon die frühen Vorläufer des präoptischen Areals im hinteren Hypothalamus sowie des lateralen Septums im limbischen System, zeigen die Forscher außerdem. Ein Tracer-Versuch mit radioaktiv markierten Neuropetiden macht das deutlich: Gerade im Septum, einem ebenfalls sehr alten Areal des Wirbeltierhirns, docken Mesotozinmoleküle an Rezeptoren an. Dabei finden sich in den sozialeren Finken deutlich mehr dieser Rezeptoren, zählten die Forscher bei einem Vergleich zwischen drei schwarmbildenden Finkenarten und zwei Finkenspezies, die eher aggressive, einzelgängerische Territorialverteidiger sind.
Also: Nicht nur Mesotozin, sondern besonders auch die arttypische Menge und Dichte von Rezeptoren in Hirnarealen wie dem Lateralen Septum bestimmen demnach darüber, wie sozial eine Spezies tatsächlich ist, meinen Goodson und Kollegen. Und vielleicht gilt das nicht nur beim Vergleich von Arten, sondern auch von Individuen: Mehr Rezeptoren für das Sozialhormon an der richtigen Stelle machten somit geselliger.
Ein nahe liegender, wenn auch nicht sehr überraschender Schluss, denn schließlich entscheidet ja auch die Menge des Hormons in gewissem Grad über die Sozialität. Mehr Spannung versprechen die Fragen, denen Goodsons Team nun erst nachgehen will: So wollen die Forscher etwa klären, wie das Hirnareal des lateralen Septums eigentlich auf das Sozialverhalten wirkt. Noch schlagzeilenträchtiger könnte eine gute Antwort auf die oft aufgeworfene Frage werden, warum gerade weibliche Wirbeltiere durch Oxytozin, Mesotozin und Co sozial stärker beeinflusst werden als männliche. Wenn dass denn so stimmt, denn ganz ohne Oxytozin – und unter dessen Einfluss vertrauensvoll gelebte Sozialkontakte – kommen weder Mausmännchen noch Menschenmann aus.
Mittlerweile scheint fest zu stehen, dass Oxytozin und seine Verwandten wirklich recht grundsätzliche Bereiche des Sozialverhaltens regeln, wie einige Studien belegen konnten – und zwar bei Maus, Mensch und sogar Fischen. Auch James Goodson, heute an der Indiana University in Bloomington, hatte schon früh über die Rolle des Oxytozins und seiner Analoga in Wirbeltieren geforscht.
Seinem Team war bereits vor rund zehn Jahren aufgefallen, dass oxytozinanaloge Neuropeptide wie Isotozin und Vasotozin auch bei Fischen geschlechtspezifisch soziale Verhaltensweisen beeinflussen, etwa bei der Balz der Tiere. Dabei werden besonders Hirnbereiche wie das die präoptische Areal des hinteren Hypothalamus angesprochen, eine bei allen Vertebratenarten erhaltene Struktur. Goodson und Co suchen seitdem nach weiteren Gemeinsamkeiten der Hormonwirkung bei verschiedenen Wirbeltieren – und einer Erklärung, wie dieses System sich etablierte.
Dafür wechselten die Forscher nun vom Urwirbeltier Fisch zum höchstentwickelten Nicht-Säugetier-Verwandten, den Vögeln; genauer, den Zebrafinken, einem idealen Versuchtstier für ihre Zwecke. Denn unter ihnen finden sich in ein und derselben ökologischen Nische gleichzeitig sehr soziale Spezies – also Tiere, die in großen Brutkolonien leben – sowie auch solche, die als einzelnes Pärchen Nachwuchs aufziehen und Ihr Territorium recht aggressiv gegen Ihresgleichen verteidigen. Dabei werden soziale Zebrafinken wie Taeniopygia guttata, so Goodson und Kollegen nun, wohl auch nur durch das "Vogeloxytozin" Mesotozin wirklich gesellig.
Die Wissenschaftler hatten die Mesotozinwirkung im Vogelhirn von T. guttata versuchsweise geblockt und festgestellt, dass die Tiere danach deutlich seltener mit anderen, ihnen vertrauten Artgenossen Umgang hatten – stattdessen tummelten sie sich eher in kleineren Gruppen mit ihnen unbekannten Vögeln der Art und pflegten im Allgemeinen deutlich weniger Sozialkontakte. Das Gegenteil geschah, sobald den Tieren das Neuropeptid in größeren Mengen ins Gehirn injiziert wurde.
All das, so die Forscher, trifft aber nur auf weibliche Tiere zu. Nicht ganz überraschend, meint Goodson: Mesotozin sei, wie das in Wirbeltieren von der Evolution schon früher erfundene Oxytozin, ja häufig mit Verhaltensweisen assoziiert, die die weiblicher Fortpflanzung betreffen – etwa der Paarbindung oder der mütterlichen Fürsorge sowie dem Stillen von Neugeborenen. Schon lange vor der Entstehung der Säugetieren aber – vielleicht gleichzeitig mit der Erfindung der Kieferknochen in Wirbeltieren vor rund 450 Millionen Jahren – begannen Oxytozinneuropeptide bei den gemeinsamen Vorfahren von Haien und Menschen ihre Funktion zu ändern. Wo sie zuvor womöglich noch eine Rolle beim Regulieren des Wasserhaushaltes gehabt hatten – wie noch heute bei manchen Nichtsäugern –, übernahmen sie mehr und mehr eine manipulative Rolle in zunehmend wichtigeren Gehirnregionen, die das Sozialverhalten steuern, spekuliert Goodson.
Und dazu gehörten wohl tatsächlich schon die frühen Vorläufer des präoptischen Areals im hinteren Hypothalamus sowie des lateralen Septums im limbischen System, zeigen die Forscher außerdem. Ein Tracer-Versuch mit radioaktiv markierten Neuropetiden macht das deutlich: Gerade im Septum, einem ebenfalls sehr alten Areal des Wirbeltierhirns, docken Mesotozinmoleküle an Rezeptoren an. Dabei finden sich in den sozialeren Finken deutlich mehr dieser Rezeptoren, zählten die Forscher bei einem Vergleich zwischen drei schwarmbildenden Finkenarten und zwei Finkenspezies, die eher aggressive, einzelgängerische Territorialverteidiger sind.
Also: Nicht nur Mesotozin, sondern besonders auch die arttypische Menge und Dichte von Rezeptoren in Hirnarealen wie dem Lateralen Septum bestimmen demnach darüber, wie sozial eine Spezies tatsächlich ist, meinen Goodson und Kollegen. Und vielleicht gilt das nicht nur beim Vergleich von Arten, sondern auch von Individuen: Mehr Rezeptoren für das Sozialhormon an der richtigen Stelle machten somit geselliger.
Ein nahe liegender, wenn auch nicht sehr überraschender Schluss, denn schließlich entscheidet ja auch die Menge des Hormons in gewissem Grad über die Sozialität. Mehr Spannung versprechen die Fragen, denen Goodsons Team nun erst nachgehen will: So wollen die Forscher etwa klären, wie das Hirnareal des lateralen Septums eigentlich auf das Sozialverhalten wirkt. Noch schlagzeilenträchtiger könnte eine gute Antwort auf die oft aufgeworfene Frage werden, warum gerade weibliche Wirbeltiere durch Oxytozin, Mesotozin und Co sozial stärker beeinflusst werden als männliche. Wenn dass denn so stimmt, denn ganz ohne Oxytozin – und unter dessen Einfluss vertrauensvoll gelebte Sozialkontakte – kommen weder Mausmännchen noch Menschenmann aus.
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