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News: Erst Mensch, dann Maus

Celera Genomics war zwar schneller, aber die Firma verwendete einen anderen Stamm, und die Ergebnisse blieben Wissenschaftlern verschlossen. Nun veröffentlicht ein internationales Forscherkonsortium seine Daten der im Mai abgeschlossenen Sequenzierung des Mausgenoms, samt einiger weitergehender Analysen.
C57BL/6J
C57BL/6J wird in die Wissenschaftsgeschichte eingehen. Hinter dieser nüchternen Bezeichnung versteckt sich der am weitesten verbreitete Stamm von Labormäusen. An seinen Angehörigen untersuchen Forscher weltweit die genetischen Hintergründe beispielsweise der Embryonalentwicklung oder dem Schicksal von Stammzellen und versuchen vor allem, den Mechanismen von Krankheiten auf die Spur zu kommen. Als es um den Kandidaten für die Genomsequenzierung der Nager ging, fiel die Entscheidung daher leicht.

Nun haben die Forscher das Ergebnis in der Hand: die Blaupause des Organismus, das Genom. Zwar hatte Celera Genomics bereits im April 2001 die abgeschlossene Sequenzierung des Genoms eines anderen Mäusestamms verkündet, doch die Daten blieben den Wissenschaftlern verschlossen – es sei denn, sie waren bereit, dafür zu bezahlen. Das öffentlich geförderte Mouse Genome Sequencing Consortium konnte im Mai 2002 nachziehen und die Ergebnisse nun zusammenfassend publizieren. Und diese Daten stehen über das Internet jedem Interessierten offen.

Der kleine, langjährige Begleiter des Menschen kommt mit geschätzt 27 000 bis 30 500 Genen auf eine ähnliche Zahl an Erbinformationen wie der Mensch, obwohl er bei 2,5 Milliarden Basenpaaren mit einem etwas kleineren Genom auskommen muss. 99 Prozent dieser DNA-Abschnitte haben ein entsprechendes Pendant im menschlichen Erbgut, und 96 Prozent liegen sogar in ähnlichen Nachbarschaften vor. Das sind optimale Bedingungen, um die genetischen Grundlagen von Krankheiten zu erforschen.

Bei der Analyse des Genoms und dem Vergleich mit dem Erbgut des Menschen stießen die Forscher auf 9000 noch unbekannte Mausgene und auch 1200 neue menschliche Gene, von denen einige wahrscheinlich bei Krebs oder anderen Erkrankungen eine Rolle spielen. Auffällig war auch, dass die Nager deutlich mehr Erbanlagen für den Geruchssinn und das Paarungsverhalten aufweisen als der Mensch – schließlich spielen Pheromone und Gene, die auf Sexualhormone reagieren, bei den Tieren für die Fortpflanzung eine weitaus größere Rolle.

Gemeinsam mit der Genomsequenz präsentieren Forscher vom japanischen Institute of Physical and Chemical Research (RIKEN) eine riesige Datenbank von klonierten DNA-Stücken: ein Transkriptom, die Gesamtheit aller vollständig abgelesenen DNA-Abschnitte des Mausgenoms, wobei es sich bei vielen davon um Gene handelte, die nicht für Proteine codieren. Die Bezeichnung ist angelehnt an Genom – die gesamte Erbinformation eines Organismum – und Proteom, die darin codierte Gesamtheit der Proteine. Über 60 000 solcher DNA-Schnipsel haben die Forscher zusammengestellt und in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern weltweit mit Textinformationen versehen.

Die Ergebnisse werden es zukünftig erleichtern, jene Regionen aufzustöbern, die andere Gene kontrollieren, und vor allem Mäuse und ihre Merkmale noch gezielter "maßzuschneidern": Bestimmte Gene auszuschalten oder andere einzubringen. So perfekt die Maus aber als Modellorganismus für menschliche Krankheiten geeignet ist, eines sollte man dabei trotzdem nicht vergessen, gibt Joseph Nadeau von der Case Western Reserve University mahnend zu bedenken: So ähnlich sich die beiden Genome auch sind – Mäuse sind Mäuse und Menschen sind Menschen.

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