Naturschutz: Freundliche Invasoren
Amok laufende Hausmäuse bedrohen seltene Seevögel auf atlantischen Inseln, Ziegen fressen Galapagos kahl, Füchse rotten australische Beuteltiere aus: Wenn fremde Tierarten in neue Lebensräume verschleppt werden, sind die Folgen für die ursprünglich heimische Fauna und Flora meist fatal. Auf Hawaii könnte das Gegenteil geschehen.
Maui, Oahu, Hawaii – Synonyme für paradiesische Inseln mit üppigem Pflanzenkleid. Schon am Flughafen oder im Hotel begrüßen prachtvolle Flammenbäume oder nicht minder attraktive Passionsblumen den Besucher. Erdbeer-Guaven locken mit ihren Früchten, Kahili-Ingwer durch seinen betörenden Duft, Samtbäume beeindrucken wegen ihrer imposanten Blätter. Für den geschulten Botaniker symbolisieren sie aber alles andere als paradiesische Zustände, handelt es sich bei all diesen Pflanzen doch um gezielt als Gartenschmuck eingeführte oder unabsichtlich als blinde Passagiere in Saatgut eingeschleppte Exoten, die sich auf Kosten der seltenen einheimischen Flora breitmachen.
Und stünde es nicht ohnehin schon schlecht genug um die hawaiianische Natur, fördern sich die eingeschleppten Exoten oft auch noch gegenseitig und verschärfen damit die Situation für die Einheimischen: Verwilderte Schweine beispielsweise durchwühlen den Walduntergrund, vernichten dabei den Unterwuchs und schaffen Schlammkuhlen, in denen versehentlich eingeschleppte, Vogelmalaria tragende Mücken aufwachsen, die seltene Finken oder Gimpel tödlich infizieren können. Die Erdbeer-Guave wiederum zieht mit ihren Früchten zahlreiche Vögel an, die nach Verzehr den Samen großräumig verbreiten und damit das Gewächs in immer neue Refugien der einheimischen Vegetation verschleppen: ein Teufelskreis, den Naturschützer mühsam durch Bejagung der Schweine, Einzäunen von Urwaldresten oder Auszupfen fremder Arten zu durchbrechen versuchen – zumeist ein nahezu aussichtsloser Kampf.
Mindestens 4600 Pflanzenarten brachte der Mensch während der letzten Jahrhunderte auf die Hawaii-Inseln: Sie übertreffen mittlerweile an Zahl deutlich die Endemiten, denn an originären Insulanern kennt man bislang nur rund 1400 Spezies. Im Tiefland der Inseln finden sich quasi keine Lebensräume mehr mit ursprünglicher Zusammensetzung, und auch in den mittleren Höhenlagen verdrängen die Neuankömmlinge zunehmend die Alteingesessenen. Faszinierende Gewächse wie die Silberschwerter (Argyroxiphium sandwicense) – ein entfernter Verwandter der Sonnenblume – überleben oft einzig in entlegenen, unzugänglichen Gebieten und Nationalparks oder wie das Malvengewächs Kokia cookei gar nur noch als künstlich aufgepfropfter Ast auf einer Trägerpflanze.
Nicht viel besser erging es der Tierwelt: Von ursprünglich rund 150 einheimischen Vogelarten existieren heute nur mehr 67 – viele davon mit wenigen Dutzend oder hundert Individuen in prekärer Lage. Außerhalb der Reservate beobachtet man selten einen der einzigartigen Kleidervögel, Honigfresser oder Monarch-Fliegenschnäpper, während eingeführte Stare und Sperlinge aus Europa, asiatische oder afrikanische Prachtfinken und Bülbüls oder Hausgimpel wie Kardinale vom nordamerikanischen Festland die Städte und Gärten dicht besiedeln.
Und stünde es nicht ohnehin schon schlecht genug um die hawaiianische Natur, fördern sich die eingeschleppten Exoten oft auch noch gegenseitig und verschärfen damit die Situation für die Einheimischen: Verwilderte Schweine beispielsweise durchwühlen den Walduntergrund, vernichten dabei den Unterwuchs und schaffen Schlammkuhlen, in denen versehentlich eingeschleppte, Vogelmalaria tragende Mücken aufwachsen, die seltene Finken oder Gimpel tödlich infizieren können. Die Erdbeer-Guave wiederum zieht mit ihren Früchten zahlreiche Vögel an, die nach Verzehr den Samen großräumig verbreiten und damit das Gewächs in immer neue Refugien der einheimischen Vegetation verschleppen: ein Teufelskreis, den Naturschützer mühsam durch Bejagung der Schweine, Einzäunen von Urwaldresten oder Auszupfen fremder Arten zu durchbrechen versuchen – zumeist ein nahezu aussichtsloser Kampf.
Oder vielleicht doch nicht? Untersuchungen von Jeffrey Foster von der Universität von Illinois in Champaign und Scott Robinson von der Universität von Florida in Gainesville enthüllen jetzt einen bislang unbekannten Einfluss fremder Vogelarten und bieten einen Hoffnungsschimmer für seltene Pflanzen. Denn viele endemische Bäume oder Sträucher der Inselkette haben sich im Laufe ihrer Evolution an Vögel als wichtigste Verbreiter ihrer Samen gebunden, doch verschwanden mit zunehmendem Einfluss durch den Menschen und seiner Gefolgschaft wichtige Fruchtfresser wie Krähen, Drosseln oder Kleidervögel. Nur ein einziger Vertreter dieser Gilde, die Oma'o-Drossel (Myadestes obscurus), überlebte in größerer Zahl – beschränkt auf die größte Insel Hawaii. Auf allen anderen Inseln herrscht dagegen Fehlanzeige.
Ihre Rolle nehmen heute aber offensichtlich einige der 58 fest etablierten exotischen Vogelarten wie chinesische Nachtigallen (Leiothrix lutea) oder Japanbrillenvögel (Zosterops japonicus) ein, wie die beiden Forscher anhand der Mageninhalte und Kotspuren gefangener Exemplare feststellten. Mehr als 85 Prozent der in den Ausscheidungen nachgewiesenen Kerne stammten von neun einheimischen Pflanzenarten, der Rest verteilte sich auf nur zwei unterschiedliche Neophyten. Selbst seltene Spezies wurden zahlreicher in den Ausscheidungen nachgewiesen als etwa die eingeschleppten Brombeeren, die begehrte Früchte liefern und daher als penetrante Invasoren gelten.
Und diese Samen werden großzügig verteilt: Selbst in Anpflanzungen exotischer Eukalyptus- oder Eschenforste entdeckten die beiden Biologen einen dichten Unterwuchs aus einheimischen Gewächsen, die nur per Vogeltransport dorthin gelangt sein konnten. Umgekehrt verschleppten die Tiere kaum unerwünschtes Kraut in hawaiianische Lebensgemeinschaften. Auf Dauer könnten sich daher wieder naturnahe Bestände aus indigenen Arten etablieren und ausbreiten, ohne dass sie mühsam durch Menschenhand restauriert werden müssten – allerdings mit Einschränkungen. Denn ihre nützliche Rolle spielen Nachtigall und Co nur in Regionen, in denen natürliche Vegetation die exotische überwiegt und nur mäßig durch Schweine oder andere pflanzenfressende Säuger gestört wird. Trotz des unerwarteten Beitrags der fremden Vögel müssen amerikanische Ökologen deshalb wohl auch zukünftig jagend und jätend durch die Inselwälder ziehen, um zu retten, was von Hawaiis geplagter Natur noch übrig ist.
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