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Endstation Verbraucher: Früchtchen auf Reisen

Paletten mit Bananenkisten werden gelöscht
Alles beginnt mit der Bananenpflanze. Dort bilden sich zunächst Ansätze kleiner Früchte. Geschützt durch die Blütenblätter der Staude wachsen diese geradewegs nach unten. Sobald die Deckblätter nach der Blüte abgefallen sind, orientieren sie sich jedoch am Licht; sie wachsen in einem Bogen der Sonne entgegen. Wenn die Bananen schließlich geerntet werden, haben sie sich in der gewohnt krummen Form an ihrem Energielieferanten Sonne ausgerichtet.

Der Fruchtaufbau an der Pflanze gliedert sich bei tropischen Früchten in drei Abschnitte: Zellteilung, Zellstreckung und Fruchtreifung. Die ersten beiden Etappen dienen der Entwicklung der Fruchtsubstanz an der Staude. Nach der Zellstreckung sind die Früchte schon ausgewachsen. Im letzen Schritt, der Fruchtreifung, finden nur noch Ein- und Umlagerungen von fruchteigenen Stoffen statt.

Reifungsstopp während der Überfahrt

Der bedeutendste Prozess dabei ist die Stärkehydrolyse. Dabei wird Stärke enzymatisch, sprich mit Hilfe von fruchteigenen Katalysatoren, in Fructose umgewandelt. Letztendlich bilden sich erst während der Fruchtreifung die Zucker und Aromastoffe in der ausgewachsenen Frucht. Tropenfrüchte werden daher direkt nach der Zellstreckung geerntet und die Fruchtreifung wird während des Transports möglichst gut unterdrückt. Erst am Ziel soll das Obst endgültig ausreifen.

Schon im Herkunftsland muss es daher schnell gehen: Bananen werden völlig grün von der Staude geschlagen. Spätestens 36 Stunden nach der Ernte sind sie gewaschen, die Schnittstellen desinfiziert, vollständig verpackt und von der Plantage zum Hafen transportiert. An Bord eines Kühlschiffes verzögert sich ihr Reifeprozess für die lange Reise nach Europa. Konstante 13,6 Grad Celsius im Laderaum sorgen dafür, dass der Stoffwechsel der Bananen verlangsamt wird. Niedrigere Temperaturen würden die Prozesse zwar noch weiter verlangsamen, dann käme es jedoch zu Kälteschäden – die Schale würde sich grau verfärben und die ganze Frucht unansehnlich aussehen. Andere Obstsorten, wie Kiwis, können bei tieferen Temperaturen transportiert werden, da sie die Kälte besser vertragen. Das Prinzip jedoch bleibt das Gleiche: Die Fracht wird möglichst kühl transportiert, gerade noch so, dass sie keinen Schaden nimmt.

Ammoniak für kühles Obst

Gut ausgestattete Kühlschiffe sind heutzutage die Regel. Die weltweite Flotte umfasst über 1400 solcher Frachter und ist überwiegend mit Kälteanlagen bestückt, die noch mit Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) arbeiten. Da austretende FCKW die Umwelt belasten, ist es heutzutage verboten, neue Kühlschiffe mit dieser Kältetechnik zu bauen. Inzwischen gibt es auch Schiffe, die mit einer Ammoniakanlage laufen, um die sensiblen Güter die gesamte Reise über bei der geforderten Temperatur zu halten. Nur zum Be- und Entladen sind sie den Umgebungstemperaturen ausgesetzt.

Doch es reicht noch lange nicht aus, die Früchte konstant zu kühlen. Auch die Luft im Laderaum muss fortwährend ausgetauscht werden. Der Stoffwechsel wird durch die Kälte zwar verlangsamt, aber nicht unterbrochen. So setzen Bananen während ihrer Überfahrt dennoch Stoffwechselprodukte, wie Kohlenstoffdioxid, Ethylen und Wasser, frei. Diese müssen aus dem Laderaum abgeführt werden. Durch das "Fruchtreifehormon" Ethylen würde die Fracht schon bei der Überfahrt mit dem abschließenden Reifungsprozess beginnen. Deswegen wird mit Lüfteranlagen die Luftmenge des leeren Laderaumes 80 bis 110 mal pro Stunde umgewälzt und zwei- bis dreimal pro Stunde komplett mit frischer Seeluft ausgetauscht.

Kontrollierte Atmosphäre

Moderne Schiffe funktionieren zusätzlich nach der so genannten CA-Methode. Das Kürzel CA steht für Controlled Atmosphere – kontrollierte Atmosphäre. Dabei wird, nachdem der Frachter beladen ist, der Sauerstoffpartialdruck im Laderaum verringert und die Kohlenstoffdioxidkonzentration erhöht. Bei maximal 1 bis 3 % Sauerstoffgehalt, normal wären rund 21 %, sinkt die Atmungsaktivität der Früchte und der Stoffwechsel fährt noch weiter herunter. Auch hier kommt es auf die transportierte Ware an, welche Zusammensetzung die Atmosphäre beim Transport hat. So werden Bananen mit dem CA-Prinzip bei einer Sauerstoffkonzentration von 5 % im Laderaum transportiert. Die Fracht befindet sich so die gesamte Reise über in einer Art Tiefschlaf. Rechtzeitig bevor das Schiff in den Zielhafen einläuft werden die Deckluken geöffnet und normale Verhältnisse wieder hergestellt. So können die Hafenarbeiter die Ladung nach dem Anlegen sofort löschen. Südfrüchte aus den Anbaugebieten in Süd- und Mittelamerika haben also schon viel hinter sich, bevor sie an die deutschen Häfen gelangen.

Nach 10 bis 14 Tagen kontrollierter Fahrt macht so ein Schiff schließlich am Frucht-Terminal im Bremerhavener Kaiserhafen fest. Vier große Kräne schmücken die Kaimauer mit dem längsseits liegenden Frachter. Gabelstapler, Paletten, Container und Förderbänder prägen die Szenerie. Am Hafen herrscht geschäftiges Treiben. Kräne setzen unermüdlich palettenweise Kisten auf festen Grund. Gabelstapler fahren die Güter in die Lagerhallen. Der Umgang mit sensiblen Früchten aus aller Welt ist immer noch ein heikles Geschäft. Nicht, dass es inzwischen keine entsprechenden Gerätschaften gäbe. Kräne, große Gabelstapler, Paletten und Computertechnik haben den Umgang mit der Handelsware einfacher und vor allem schneller gemacht als früher.

Harte Arbeit für weiches Obst

Dennoch: 10 000 Paletten mit frischem Obst sind nicht mal eben schnell aus dem Bauch eines Schiffes geholt. Es handelt sich immerhin um Früchte, mit denen behutsam umgegangen werden muss – auch wenn der Ladung heutzutage mit schwerem Gerät zu Leibe gerückt wird. In der Regel brauchen die Arbeiter in Bremerhaven für ein Standard-Schiff drei Schichten, bis die letzte Europalette auf festem Grund im Kühllager steht. 24 Stunden, in denen Kranladung für Kranladung und Deck für Deck das Schiff entleert wird. Und Gabelstaplerfahrer unermüdlich zwischen Lagern und Anlegestelle hin- und herpendeln. Im Schiffsbauch selbst sind wenige Hafenarbeiter mit elektrischen Staplern – wie man sie aus dem Supermarkt kennt – damit beschäftigt, die Paletten aus ihrer Transportverankerung zu lösen.

Sind alle Bananen eines Decks gelöscht, wird die komplette Zwischenwand, das heißt die Decke beziehungsweise der Boden des Decks, zur Seite gefahren und weiter geht es mit der nächsten Etage. Am Rande des Geschehens steht ein Mann, gut sichtbar für die Hafenarbeiter im Schiff und für die hoch oben sitzenden Kranführer. Denn diese können, wenn ihre Kranenden in das Schiff abtauchen, die Enden nicht mehr selbst erblicken. Die Anweisungen kommen dann allein durch den alles überblickenden Zeichengeber am Rande der Schiffsluke. Wohlgemerkt fungiert dieser als Auge ins Schiff für alle vier Kranführer gleichzeitig. Gabelstapler für Gabelstapler landet schließlich jede Palette einzeln im kühlen Hochregallager.
Generell können nicht einfach alle Früchte zusammen gelagert werden. Jede Obstsorte produziert bei der Lagerung Ethylen. Dies wird in die Umgebung abgegeben und beschleunigt dabei die Reifung der anderen Früchte. So muss es beispielsweise für Bananen und Äpfel immer strikt getrennte Quartiere geben.

Am Ziel noch völlig grün

Heute verschifft man Bananen als Kartonware. Genau jene Kartons, die dann im Discounter auf der Theke stehen. Seit den 1980er Jahren werden diese immer öfter schon im Ursprungsland auf Euro-Paletten gebündelt. Die Banane ist eine normierte Handelsfrucht geworden. Vorbei die Zeiten, als noch jede Bananenstaude einzeln in die Hand genommen wurde und Bananen als ganze Stauden ankamen. Bei ihrer Ankunft sieht die Banane jedoch noch nicht so aus wie später im Früchtekorb auf dem Tisch. Sie hat durch den aufwändigen Transport im Tiefschlaf ihre grüne Erntefarbe behalten. Erst durch eine kontrollierte Reifung wird sie genießbar gemacht.

In Deutschland gibt es viele solcher Bananenreifereien. Zwei Prozesse erwecken die Früchte aus ihrem Transportschlaf: Zum einen wird eine geringe Dosis Ethylen in die Reifekammern eingeleitet. Später erzeugen die Bananen dieses Gas selbst. Die künstliche Zuführung startet den Prozess jedoch und sorgt dafür, dass alle Früchte zur gleichen Zeit mit dem Reifungsprozess beginnen. Zum anderen wird die Lagertemperatur erhöht. Innerhalb von vier bis acht Tagen erhält die Schale so ihr gewohntes Bananengelb. In der Frucht selbst baut sich die Stärke weiter in Zucker um. Wenn die Banane nach ihrer Reise um den halben Globus in gewohnter Qualität auf dem Teller landet, ist sie das Obst mit dem höchsten Stärke- und Zuckeranteil überhaupt.

Matthias Knoll

Dieser Beitrag ist Teil eines Projektes der Studenten des 3. und 5. Semester Wissenschaftsjournalismus der Hochschule Darmstadt zum Thema "Ernährung":
Das große Fressen

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