Tierpsychologie: Helikopter-Hundemütter
Die Jungtiere überbehütender Hundemütter fallen offenbar wahrscheinlicher bei der Prüfung zum Blindenhund durch. Die Beziehung der Hündinnen zu ihrem Nachwuchs in den ersten fünf Wochen ihres Lebens beeinflusst sie noch nach zweieinhalb Jahren, folgt aus einer bei "PNAS" erschienenen Studie. Das Ergebnis überraschte die Wissenschaftler, da aus früheren Untersuchungen bekannt war, dass vernachlässigte Welpen unter höherem Stress stehen und sich schlechter entwickeln.
Emily Bray von der University of Pennsylvania in den USA und ihre Kollegen beobachteten mehr als drei Wochen Welpen und Hundemütter. Sie untersuchten, wie lange und wie häufig die Hundemütter ihren Nachwuchs säuberten, Zeit mit ihnen verbrachten und wie sie die Welpen säugten. Die fürsorglichsten Hündinnen wiesen erhöhte Stresshormone auf, sobald sie längere Zeit von ihrem Nachwuchs getrennt waren. Die Forscher stellten fest, dass gerade die überbehüteten Welpen zwei Jahre später häufiger bei einer Prüfung zum Blindenführhund durchfielen. Besonders das Stillverhalten der Hündinnen beeinflusste die Erfolgschancen: Welpen, die von auf dem Bauch liegenden Müttern gesäugt wurden, fielen viermal häufiger bei der Prüfung durch. Die Forscher spekulieren, dass die spätere Leistung der Tiere mit einer gewohnheitsmäßig erzwungenen Anstrengung im jungen Alter zu tun haben könnte. Sitzt die Hundemutter beim Säugen aufrecht oder steht sogar auf ihren Pfoten, müssen sich die Welpen beim Trinken anstrengen – und werden dadurch womöglich besser auf Herausforderungen vorbereitet, so die Forscher.
Die Wissenschaftler prüften zudem die kognitiven Fähigkeiten und das Temperament der Welpen nach 14 bis 17 Monaten – unter anderem mit einer komplizierten mehrstufigen Aufgabe, die zu einer Belohnung führt. Überbehütete Hunde erreichten dieses Ziel seltener und zeigten generell ein deutlich ängstlicheres Verhalten: Befanden sie sich allein in einem Raum mit ungewohnten Objekten – beispielsweise einer unbekannten Roboterkatze – fingen sie schnell an zu bellen, wohingegen sich andere Tiere ruhig und neugierig zeigten. Junghunde, die in den Tests der Wissenschaftler schlechter abschnitten, bestanden auch seltener die Prüfung zum Blindenführhund.
Nicht untersucht wurde in der Studie, welchen Einfluss genetische, von den Muttertieren geerbte Faktoren auf das Ergebnis der einzelnen Hunde hatte. So könnte der Nachwuchs ängstlicher und behütender Tiere auch unabhängig vom Verhalten der Mütter beim Säugen ein anderes Verhaltensmuster zeigen. Das Ergebnis dieser Studie, hoffen die Forscher, könnte jedenfalls Schulen für Blindenführhunde helfen, eine bessere Auswahl an auszubildenden Tieren zu treffen. Denn bisher bestehen nur etwa 70 Prozent der Hunde die Prüfung, obwohl alle Tiere jahrelang ausgebildet werden.
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