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Zugvögel: Immer der Nadel nach

Ob Gartengrasmücke oder Weißstorch – auf ihren Langstreckenflügen gen Süden steuern Zugvögel zielsicher das anvisierte Winterquartier an. Nun gelang es, auch das Geheimnis um den inneren Kompass der Tauben zu lüften.
<i>Columba livia</i>
Manche Tiere verfügen über einen "siebten Sinn", scheinen sie doch das Magnetfeld der Erde zu registrieren und als Navigationshilfe auf ihren langen Wanderungen oder für ihr Heimfindevermögen zu nutzen. Als eine Art Kompass könnte ihnen das im Körper eingelagerte eisenhaltige Mineral Magnetit dienen, das Forscher im Schädel von einigen Vögeln und Säugern nachgewiesen haben. Ob sich auch Felsentauben (Columba livia) auf ihrem Rückweg in den Schlag über weite Distanzen anhand magnetischer Fingerzeige orientieren oder ob sie ihren "Standpunkt" mithilfe verschiedener Gerüche in der Atmosphäre bestimmen, galt bislang als umstritten.

Columba livia | Als Orientierungshilfe bei Flügen über weite Distanzen vermögen Felsentauben (Columba livia) offenbar das Magnetfeld der Erde mit Hilfe ihres Schnabels zu orten. Befand sich unter einem Pflaster auf demSchnabel ein starker Magnet aus dem Seltenerdmetall Neodym, Eisen und Bor, war die Fähigkeit der Vögel beeinträchtigt, die verschiedenen Magnetfelder im Experiment wahrzunehmen.
Um das Orientierungsvermögen dieser Vögel näher zu beleuchten, ersannen Cordula Mora und ihre Kollegen von der Universität Auckland eine Reihe von Experimenten. Zunächst platzierten sie jeweils eine Taube in einem hölzernen, 3,3 Meter langen und etwa einen Meter breiten Tunnel, an dessen Ende sich je eine zylinderförmige Futterquelle befand. Zwei transparente Vorhänge, die von der Decke hinunter hingen, zwangen die Versuchstiere, sich gehend statt fliegend fortzubewegen. An der Außenseite des Tunnels – oberhalb und unterhalb des Zentrums – installierten die Wissenschaftler scheibenförmige Magnetspulen von über einem Meter Durchmesser, mit denen sie Störungen des Magnetfeldes hervorrufen konnten.

Anschließend trainierten sie vier Individuen darauf, bei unverändertem Magnetfeld auf die eine Nahrungsplattform, bei eingeschalteten Spulen aber auf die andere zu springen. Eine korrekte Wahl belohnten die Forscher mit Futtergaben, während sie eine falsche mit Zeitstrafen ahndeten. Offenbar vermochten die Tauben gut zwischen den verschiedenen Magnetfeldern im Tunnel zu unterscheiden: In 55 bis 65 Prozent der Fälle trafen sie die richtige Entscheidung, gelegentlich näherte sich der Wert auch der 70 Prozent-Marke an. Folglich lag das Ergebnis deutlich über dem durch Zufall zu erwartenden Niveau von 50 Prozent.

Es gelang den Forschern sogar, die wahrscheinliche Lage und den Mechanismus des magnetischen Sinns zu enthüllen: Als sie auf den Schnäbeln der Vögel einen kleinen, aber starken Magneten aus Eisen, Bor und dem Seltenerdmetall Neodym befestigten, fiel die Unterscheidungsleistung der Tauben sofort auf den Zufallslevel ab. Offenbar beeinträchtigte der Magnet ihre Fähigkeit, die verschiedenen Magnetfelder wahrzunehmen. Trugen die Tiere in Kontrollversuchen indes Messinggewichte von gleicher Größe oder gar keine Last nach der erfolgten "Behinderung", so zeigten sie eine durchschnittliche Erfolgsquote in der Wahl der richtigen Futterquelle, die deutlich höher als die Zufallsentscheidung ausfiel.

Vermutlich besitzen die Vögel magnetisches Material in ihrer oberen Schnabelhälfte, entdeckten die Wissenschaftler: Betäubten sie nämlich diesen Körperteil, so schnitten die behandelten Tauben bei der Auswahl der korrekten Nahrungsplattform schlecht ab. Das letzte Experiment zielte darauf ab, den Nerv zu identifizieren, der die Informationen über das Magnetfeld an das Gehirn weiterleitet. Als die Forscher bei zwei Tieren den Trigeminusnerv durchtrennten, sank deren Fähigkeit zur Unterscheidung leicht unter das Zufallsniveau ab. War hingegen der olfaktorische Nerv gekappt, so zeigte sich bei den beiden betroffenen Vögeln kein derartiger Effekt.

Wie die Versuchsergebnisse nahe legen, verlassen sich Felsentauben bei ihrer Orientierung nicht auf Gerüche, sondern vermögen tatsächlich das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen. Mithilfe von kleinen Magnetitpartikeln im oberen Schnabelbereich könnten sie eine magnetische Karte "aufzeichnen" und die beachtliche Leistung von Langstrecken-Heimflügen bewältigen, folgern die Wissenschaftler. Den genauen Weitergabe-Mechanismus des magnetischen Kompasses gilt es jedoch noch zu entschlüsseln.

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