Gesundheitsstatistik: In Krisenzeiten steigt die Lebenserwartung
In Zeiten der Wirtschaftskrise steigt offenbar die allgemeine Lebenserwartung an, wohingegen eine Aufschwungphase schlecht für die Gesundheit der Bevölkerung ist. Diesen scheinbar paradoxen Effekt wollen Wissenschaftler jetzt auch für die USA der 1920er und 1930er Jahre nachgewiesen haben. Damals war die amerikanische Wirtschaft nach anfänglichen Boom-Jahren in die schwerste Wirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts gestürzt.
Über den gesamten Zeitraum gemessen stieg die allgemeine Lebenserwartung zwar jährlich um knapp 0,4 Jahre an, Schwankungen nach oben und unten fielen allerdings durchweg mit den wirtschaftlichen Auf- und Abschwungphasen zusammen: Jeder Prozentpunkt, um den das BIP stieg, verringerte den Zuwachs in der Lebenserwartung um 0,2 Jahre, heißt es in der Studie. Von 1929, dem Jahr des "Schwarzer Freitag" genannten Börsencrashs, bis 1936 stieg die Lebenserwartung hingegen von 57,1 auf 63,3 Jahre. Schon zeitgenössische Forscher hatten sich darüber gewundert, dass in den schlimmsten Rezessionsjahren die Kindersterblichkeit und die Zahl der Todesfälle durch Tuberkulose gesunken waren.
Während dieser "Great Depression" von 1930 bis 1934 sowie anderer Krisenjahre fielen nach Rechnung der Autoren weniger Menschen Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen zum Opfer oder verloren ihr Leben im Straßenverkehr als in wirtschaftlich besseren Zeiten – etwa Anfang der 1920er oder Ende der 1930er Jahre. Einzig die Suizidrate sei in schwachen Phasen angestiegen, habe aber weniger als zwei Prozent der Todesfälle ausgemacht.
Eine Reihe von Erklärungen für dieses rätselhafte Phänomen sind in der Diskussion. Eric Neumayer von der London School of Economics, der einen solchen Zusammenhang in deutschen Statistiken aus den Jahren 1980 bis 2000 beobachtet hat [2], vermutet: Steigende Wirtschaftskraft sorgt bei weiten Bevölkerungskreisen für Stress durch Überarbeitung und Überstunden, leiert den Konsum ungesunder Genussmittel an und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsunfällen. Während einer Rezession hätte dagegen nur ein begrenzter Teil der Bevölkerung mit den gesundheitlichen Konsequenzen von Arbeitsplatzangst und Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Im Endergebnis würden sich die beiden Faktoren nicht ausgleichen.
Andere Wissenschaftler vertreten die Ansicht, Krisenzeiten würden erst Jahre später negativ zu Buche schlagen und dann zufällig mit dem anschließenden Wirtschaftsboom zusammenfallen. Tapia Granados und Diez Roux wollen dies jedoch bei ihrer Untersuchung ausgeschlossen haben. In der statistischen Aufrechnung habe sich keine systematische Zeitverzögerung nachweisen lassen. Auch sei beispielsweise die Sterblichkeitsrate selbst bei denjenigen Kindern gestiegen, die erst nach einer Rezession geboren wurden. (jd)
Vergleichbare Studien mit Daten aus anderen Ländern und Jahrzehnten waren in der Vergangenheit immer wieder zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen wie jetzt José Tapia Granados und Ana Diez Roux von der University of Michigan in Ann Arbor. Die Forscher werteten dazu alte Statistiken über Sterblichkeit und häufige Todesursachen aus und setzten sie in Bezug zu allgemeinen Daten über die Wirtschaftskraft, gemessen an Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Arbeitslosenquote [1].
Über den gesamten Zeitraum gemessen stieg die allgemeine Lebenserwartung zwar jährlich um knapp 0,4 Jahre an, Schwankungen nach oben und unten fielen allerdings durchweg mit den wirtschaftlichen Auf- und Abschwungphasen zusammen: Jeder Prozentpunkt, um den das BIP stieg, verringerte den Zuwachs in der Lebenserwartung um 0,2 Jahre, heißt es in der Studie. Von 1929, dem Jahr des "Schwarzer Freitag" genannten Börsencrashs, bis 1936 stieg die Lebenserwartung hingegen von 57,1 auf 63,3 Jahre. Schon zeitgenössische Forscher hatten sich darüber gewundert, dass in den schlimmsten Rezessionsjahren die Kindersterblichkeit und die Zahl der Todesfälle durch Tuberkulose gesunken waren.
Während dieser "Great Depression" von 1930 bis 1934 sowie anderer Krisenjahre fielen nach Rechnung der Autoren weniger Menschen Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen zum Opfer oder verloren ihr Leben im Straßenverkehr als in wirtschaftlich besseren Zeiten – etwa Anfang der 1920er oder Ende der 1930er Jahre. Einzig die Suizidrate sei in schwachen Phasen angestiegen, habe aber weniger als zwei Prozent der Todesfälle ausgemacht.
Eine Reihe von Erklärungen für dieses rätselhafte Phänomen sind in der Diskussion. Eric Neumayer von der London School of Economics, der einen solchen Zusammenhang in deutschen Statistiken aus den Jahren 1980 bis 2000 beobachtet hat [2], vermutet: Steigende Wirtschaftskraft sorgt bei weiten Bevölkerungskreisen für Stress durch Überarbeitung und Überstunden, leiert den Konsum ungesunder Genussmittel an und erhöht die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsunfällen. Während einer Rezession hätte dagegen nur ein begrenzter Teil der Bevölkerung mit den gesundheitlichen Konsequenzen von Arbeitsplatzangst und Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Im Endergebnis würden sich die beiden Faktoren nicht ausgleichen.
Andere Wissenschaftler vertreten die Ansicht, Krisenzeiten würden erst Jahre später negativ zu Buche schlagen und dann zufällig mit dem anschließenden Wirtschaftsboom zusammenfallen. Tapia Granados und Diez Roux wollen dies jedoch bei ihrer Untersuchung ausgeschlossen haben. In der statistischen Aufrechnung habe sich keine systematische Zeitverzögerung nachweisen lassen. Auch sei beispielsweise die Sterblichkeitsrate selbst bei denjenigen Kindern gestiegen, die erst nach einer Rezession geboren wurden. (jd)
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