Vulkanologie: Initialzündung
Einmal im Jahr beschwört ein javanischer Priester den Vulkan Merapi, er möge doch den Menschen seiner Umgebung gewogen bleiben und sie nicht mit zornigen Eruptionen heimsuchen. Vulkanforschern ist Spiritualität jedoch zu wenig der Vorsorgearbeit - neue Gesteinsproben vom Mount St. Helens bieten ihnen jetzt vielleicht mehr Gewissheiten.
Ruhig ist es geworden um den Vulkan Merapi, dabei ist es kaum drei Monate her, dass die Entwicklungen rund um den javanischen Feuerberg für Angst und Schrecken unter der ortsansässigen Bevölkerung gesorgt hatten. Täglich erwarteten Behörden und Forscher einen potenziell tödlichen Ausbruch des Vulkans, der beständig vor sich hin grummelte und immer wieder Aschewolken gen Himmel schickte. Mittlerweile pustet der Berg nur noch alle paar Tage Gluten, Staub und Gestein aus seinem Krater. Ob und wann die nächste starke Eruption folgt, kann kein Vulkanforscher sicher voraussagen.
Echte Messungen vor Ort sind bislang aber technisch nicht möglich, schließlich geht es um den Nachweis von Temperaturschwankungen innerhalb glühender Gesteinsschmelzen, die bis zu 1200 Grad Celsius heiß sein können und sich teilweise kilometertief vom Zugangsort durch den Untergrund wälzen.
Um dennoch Aussagen zu den veränderlichen Drücken, Temperaturen und Kristallisationsvorgängen in den vulkanischen Magmenkammern treffen zu können, mussten sich die Wissenschaftler kleiner Schmelzkörper in Feldspat-Kristallen bedienen, die während verschiedener Eruptionsphasen am Mount St. Helens und dem russischen Shiveluch auf Kamtschatka ausgeworfen wurden. Chemie und Struktur der glasigen Rhyolithe deuten an, dass sie selbst nach ihrer Anbindung an die Feldspäte noch Kontakt mit dem umgebenden Magma hatten, bis sie schließlich vollkommen isoliert waren – beide entwickelten sich also noch geraume Zeit chemisch gleichwertig.
Bei dieser Kristallisation wird entsprechend Gitterenergie freigesetzt, die nun ihrerseits die Gesteinsschmelze weiter aufheizt. Bis zu 100 Kelvin kann diese zusätzliche Wärmezufuhr betragen, ohne dass die Ausfällung der Rhyolithe oder Feldspäte dadurch beeinträchtig würde, denn gleichzeitig steigt dadurch der Anteil kristalliner Strukturen im Magma immerhin auf bis zu vierzig Gewichtsprozent.
Die zusätzliche Aufheizung könnte ein wichtiger Auslöser für den Ausbruch sein, vermuten nun Blundy und seine Kollegen, denn sie beeinflusst auch die Fließeigenschaften des Magmas – etwa durch veränderte Geschwindigkeiten der Kristall- und Blasenbildung in der Schmelze. Sie wirkt ebenso dem verstärkten Ausgasen von Wasserdampf und Kohlendioxid entgegen, die ursprünglich die Viskosität herabsetzten und nun als Gleitmittel fehlen würden. Ein weiterer Hitzeschub durch Magma-Einschüsse aus der Tiefe wäre dann nicht nötig, um den Vulkan zum Überkochen zu bringen.
Kristallbildung durch Druckentlastung vollzieht sich außerdem deutlich schneller als durch Abkühlung: Statt Jahrhunderte nimmt dieser Prozess nur Jahre in Anspruch und lässt sich folglich auch innerhalb eines Forscherlebens beobachten. Und möglicherweise erlauben die glasigen Einschlüsse, die aktiven Phasen und die Entwicklung von gefährlichen Vulkanen wie dem Mount St. Helens oder dem Merapi zukünftig besser abzuschätzen. Weiteren geistigen Beistand von besänftigenden Hohepriestern wie am Merapi schließt das dennoch nicht aus.
Etwas weniger spektakulär, aber doch augenfällig meldete sich im Mai dieses Jahres ein weiterer Schreckensberg zurück: In der großen Caldera des Mount St. Helens – der am 20. März 1980 mit der Kraft von 350 Megatonnen TNT explodierte und dabei in seinem Umfeld 84 Menschenleben forderte – wölbte sich quasi über Nacht ein riesiger Steindom empor, der Beobachter entfernt an einen abtauchenden Walrücken erinnerte. Zeitweise wuchs der Buckel zwei Meter pro Tag in die Höhe – nach oben gedrückt durch verstärkte magmatische Aktivität im Inneren des Berges. Ein Hinweis auf ein zweites Katastrophenszenario wie 1980?
Auch der Mount St. Helens hat seine Aktivitäten wieder etwas zurückgefahren, doch spornt sein riskantes Innenleben Forscher wie Jon Blundy und Madeleine Humphreys von der Universität Bristol sowie Kathy Cashman von der Universität von Oregon in Eugene stets zu neuen Analysen an. Beispielsweise sind noch längst nicht alle Prozesse beim Aufstieg von Magma im und unter dem Vulkan verstanden: Wie etwa reagiert die Gesteinsschmelze auf sinkenden Druck und Entgasung? Und welchen Einfluss hat dies auf Zeitpunkt und Stärke der Eruption? Thermodynamische Modelle zum Magma, das Wasserdampf, Kohlendioxid und andere Gase verliert – und dabei nicht auskristallisiert –, schließen sowohl eine Abkühlung wie auch ein weiteres Aufheizen der Glutflüssigkeit nicht aus.
Echte Messungen vor Ort sind bislang aber technisch nicht möglich, schließlich geht es um den Nachweis von Temperaturschwankungen innerhalb glühender Gesteinsschmelzen, die bis zu 1200 Grad Celsius heiß sein können und sich teilweise kilometertief vom Zugangsort durch den Untergrund wälzen.
Um dennoch Aussagen zu den veränderlichen Drücken, Temperaturen und Kristallisationsvorgängen in den vulkanischen Magmenkammern treffen zu können, mussten sich die Wissenschaftler kleiner Schmelzkörper in Feldspat-Kristallen bedienen, die während verschiedener Eruptionsphasen am Mount St. Helens und dem russischen Shiveluch auf Kamtschatka ausgeworfen wurden. Chemie und Struktur der glasigen Rhyolithe deuten an, dass sie selbst nach ihrer Anbindung an die Feldspäte noch Kontakt mit dem umgebenden Magma hatten, bis sie schließlich vollkommen isoliert waren – beide entwickelten sich also noch geraume Zeit chemisch gleichwertig.
Wie ein Schnappschuss halten die Rhyolithe damit die geochemischen und -physikalischen Bedingungen der Schmelze kurz vor dem Ausbruch fest. Und überraschten dabei die Forscher: Denn das Magma kristallisiert anscheinend beim Aufstieg im Vulkanschlot schon allein durch die sinkenden Drücke aus und nicht erst durch fallende Temperaturen, weil Hitze ans umliegende Gestein abgegeben wird.
Bei dieser Kristallisation wird entsprechend Gitterenergie freigesetzt, die nun ihrerseits die Gesteinsschmelze weiter aufheizt. Bis zu 100 Kelvin kann diese zusätzliche Wärmezufuhr betragen, ohne dass die Ausfällung der Rhyolithe oder Feldspäte dadurch beeinträchtig würde, denn gleichzeitig steigt dadurch der Anteil kristalliner Strukturen im Magma immerhin auf bis zu vierzig Gewichtsprozent.
Die zusätzliche Aufheizung könnte ein wichtiger Auslöser für den Ausbruch sein, vermuten nun Blundy und seine Kollegen, denn sie beeinflusst auch die Fließeigenschaften des Magmas – etwa durch veränderte Geschwindigkeiten der Kristall- und Blasenbildung in der Schmelze. Sie wirkt ebenso dem verstärkten Ausgasen von Wasserdampf und Kohlendioxid entgegen, die ursprünglich die Viskosität herabsetzten und nun als Gleitmittel fehlen würden. Ein weiterer Hitzeschub durch Magma-Einschüsse aus der Tiefe wäre dann nicht nötig, um den Vulkan zum Überkochen zu bringen.
Kristallbildung durch Druckentlastung vollzieht sich außerdem deutlich schneller als durch Abkühlung: Statt Jahrhunderte nimmt dieser Prozess nur Jahre in Anspruch und lässt sich folglich auch innerhalb eines Forscherlebens beobachten. Und möglicherweise erlauben die glasigen Einschlüsse, die aktiven Phasen und die Entwicklung von gefährlichen Vulkanen wie dem Mount St. Helens oder dem Merapi zukünftig besser abzuschätzen. Weiteren geistigen Beistand von besänftigenden Hohepriestern wie am Merapi schließt das dennoch nicht aus.
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