Vulkanologie: Sendboten der Apokalypse
"Wie ein zorniger Riese erwachte der Vesuv nach tausendjährigem Schlaf brüllend zum Leben", so beschreibt Plinius der Jüngere den verheerenden Ausbruch des Vesuvs 79 nach Christus, der Pompeji verwüstete. Nur vereinzelt könnten Bewohner dem Desaster entkommen sein.
Es waren Szenen wie aus Dantes Inferno: Ein gewaltiger Donnerschlag erschütterte am 24. August 79 nach Christus die Städte Pompeji, Herculaneum und Stabiae, gefolgt von einer bald kilometerhohen Wolke aus Asche, Lava, Bimssteinen und Gasen, die sich bereits kurze Zeit später wie ein Leichentuch über die Siedlungen zu legen begann. Stundenlang prasselten Schlacken und Lapilli auf die Häuser herab und brachten manches Dach zum Einsturz – hier kam es zu den ersten Opfern. In tiefe Dunkelheit gehüllt, obwohl es heller Tag sein sollte, zündeten die Menschen Fackeln an und lösten damit die ersten Brände aus. Dazu zuckten immer wieder Blitze aus der elektrostatisch aufgeladenen Atmosphäre herab.
Der römische Gott des Feuers Volcanus schien zum Leben erwacht und mit Macht an das Tor zur Oberwelt zu pochen. Pompejis Bewohner verließen ihre Stadt und brachten sich vorerst in Sicherheit, kehrten aber am Morgen des 25. August wieder in ihre Heimat zurück, da die Götter neuerlich besänftigt erschienen. Doch diese Ruhe war trügerisch, denn in Wirklichkeit sammelte der Feuerberg nur seine Kräfte, um ein zweites, nun wirklich verheerendes Mal die Menschen heimzusuchen: Eine weitere Explosion ließ eine heiße Gaswolke die Flanken des Vesuvs hinabrasen und verglühte jegliches Leben, das sich ihr in den Weg stellte.
Ein Großteil der wohl 12 000 bis 15 000 Toten, die es in Pompeji und den anderen Ortschaften an jenem Tag zu beklagen gab, starb in diesem pyroklastischen Strom, in dem feste Staubpartikel durch die heißen Gase und eingesaugte Luft in der Schwebe gehalten werden. Im Inneren einer derartigen Wolke können Temperaturen bis zu 800 Grad Celsius herrschen, wie 1992 bei einem ähnlichen Ausbruch des Mont Pelée auf der Karibikinsel Martinique gemessen wurde. Und bei einer durch den geringen Reibungswiderstand angetriebenen Geschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde erscheint auch jeder Fluchtversuch sinn- und zwecklos.
Die nachfolgenden Eruptionen waren letztlich belanglos, das Vernichtungswerk war längst vollbracht. Ihre Aschen und Schlammströme bedeckten nur noch die Ruinen der Städte, konservierten sie damit allerdings für die nächsten Jahrhunderte bis zur wissenschaftlichen Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert. Nun, nach knapp 150 Jahren der Forschung, liefert Pompeji immer noch neue Erkenntnisse und ermöglicht Ausblicke auf zukünftige Eruptionen. Denn seit seinem letzten Ausbruch 1944 schlummert der Vesuv wieder, der wie der Krakatau, der Unzen oder der Mount Saint Helens zu den Explosionsvulkanen zählt, deren Schlot immer wieder von zähflüssiger Magma wie ein Pfropfen verschlossen wird, bis sie sich mit Gewalt von den Hindernissen befreien.
Und gerade das macht den Vesuv zu dem gefährlichsten Vulkan Europas – schließlich leben zu seinen Füßen mehr als eine Million Menschen im Großraum Neapel. Zu wissen, wie sich seine Ergüsse verhalten, ist daher lohnend. Um zu ergründen, wie sich eine pyroklastische Wolke ihren Weg durch besiedeltes Gebiet bahnt, untersuchten italienische Forscher um Lucia Gurioli vom Nationalinstitut für Geophysik und Vulkanologie in Pisa die Reste und Verteilung magmatischen Gesteins in den ausgegrabenen Relikten Pompejis [1]. Sie schätzten die etwaigen Temperaturen der Luftströmung anhand des Grads an Magnetismus, der in nicht aufgeschmolzenen Gesteinen verblieben war: Je geringer er ausfiel, desto höhere Hitzegrade herrschten damals an diesem Ort.
Auf der Karte und im Computermodell, die aus diesen Verteilungsmustern entstanden sind, zeigten sich anschließend, wie die räumliche Lage wie Form der Gebäude und Straßen die Höllengluten lenkten, denn durch die Widerstände der Häuser oder die Strömung erleichternden Bahnen der Gassen teilten sich die in Bodennähe dahin rasenden Luftmassen der Wolke in mehrere Teilströme auf und verwirbelten. In der Folge könnte es in seltenen Fällen im Windschatten von Mauern oder Häusern zu Luftturbulenzen gekommen sein, die kühlere Luft angesaugt haben oder Hohlräume vor der Hitze verschonten.
Dort wiederum erhöhte sich dann die Wahrscheinlichkeit von Temperaturen weit unter hundert Grad Celsius, die ein Mensch zum Überleben benötigt. Außerhalb der steinernen Barrieren der Stadt allerdings gab es keinerlei Schutz vor der Hitzewelle, und so verzehrte die heiße Masse dort alle Flüchtlinge, die sich in Richtung Strand oder Meer in Sicherheit bringen wollten.
Dass Davonlaufen nicht immer die beste Alternative bei akuten Vulkanausbrüchen und pyroklastischen Strömungen ist, zeigt zudem eine Untersuchung von Peter Baxter und seiner Kollegen von der Universität in Cambridge, die den Ausbruch des Soufrière-Hills auf Montserrat unter die Lupe nahmen [2]. Dieser Vulkan begann seine Aktivitäten neuerlich 1995 – nach über 400 Jahren trügerischer Ruhe –, aber erst 1997 kam es zur Katastrophe, als mehrere Gas- und Aschewolken in kurzer Folge über einige Dörfer und die Hauptstadt Plymouth im Süden der Insel hinweg rasten.
Schon die Hitze der Pyroklastika reichte nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler vielerorts aus, um Holz und andere Materialien zu entzünden und zu zerstören, aber seine ganze Destruktivität entwickelte der Gasstrom erst durch das Aufwirbeln von Gegenständen, die anschließend wie Geschosse auf die Wände von Gebäuden trafen. In großen Bereichen war der Druck der Wolke – zumal an ihren Rändern – jedoch vergleichsweise gering und richtete nach Aussage Baxters nur geringe Schäden an den Häusern aus Stein an, sofern sie nicht durch geöffnete Fenster oder Türen in deren Inneres eindringen konnte oder hölzerne Dächer Feuer fingen: Überleben wäre dort in den relativ kühlen Räumen also durchaus möglich gewesen.
Natürlich galt dies nicht für die Kernzone des Gassturms, wo ein geschätzter Druck von fünf Kilopascal – das entspricht einem Gewicht von etwa 510 Kilogramm auf einem Quadratmeter – herrschte: Hier fand nahezu totale Zerstörung statt, und Gebäude wie Vegetation wurden bis auf die Grundmauern und Wurzelstöcke abrasiert. Außer zu materiellen Verlusten kam jedoch keiner der Bewohner zu Schaden: Sie wurden alle nach den ersten Vorboten des sich anbahnenden Desasters evakuiert. Ein Glück, das im Falle Pompejis nur wenigen vergönnt war – wie Plinius dem Jüngeren, der den Untergang Pompejis in sicherer Entfernung im Städtchen Misenum überlebte.
Der römische Gott des Feuers Volcanus schien zum Leben erwacht und mit Macht an das Tor zur Oberwelt zu pochen. Pompejis Bewohner verließen ihre Stadt und brachten sich vorerst in Sicherheit, kehrten aber am Morgen des 25. August wieder in ihre Heimat zurück, da die Götter neuerlich besänftigt erschienen. Doch diese Ruhe war trügerisch, denn in Wirklichkeit sammelte der Feuerberg nur seine Kräfte, um ein zweites, nun wirklich verheerendes Mal die Menschen heimzusuchen: Eine weitere Explosion ließ eine heiße Gaswolke die Flanken des Vesuvs hinabrasen und verglühte jegliches Leben, das sich ihr in den Weg stellte.
Ein Großteil der wohl 12 000 bis 15 000 Toten, die es in Pompeji und den anderen Ortschaften an jenem Tag zu beklagen gab, starb in diesem pyroklastischen Strom, in dem feste Staubpartikel durch die heißen Gase und eingesaugte Luft in der Schwebe gehalten werden. Im Inneren einer derartigen Wolke können Temperaturen bis zu 800 Grad Celsius herrschen, wie 1992 bei einem ähnlichen Ausbruch des Mont Pelée auf der Karibikinsel Martinique gemessen wurde. Und bei einer durch den geringen Reibungswiderstand angetriebenen Geschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde erscheint auch jeder Fluchtversuch sinn- und zwecklos.
Die nachfolgenden Eruptionen waren letztlich belanglos, das Vernichtungswerk war längst vollbracht. Ihre Aschen und Schlammströme bedeckten nur noch die Ruinen der Städte, konservierten sie damit allerdings für die nächsten Jahrhunderte bis zur wissenschaftlichen Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert. Nun, nach knapp 150 Jahren der Forschung, liefert Pompeji immer noch neue Erkenntnisse und ermöglicht Ausblicke auf zukünftige Eruptionen. Denn seit seinem letzten Ausbruch 1944 schlummert der Vesuv wieder, der wie der Krakatau, der Unzen oder der Mount Saint Helens zu den Explosionsvulkanen zählt, deren Schlot immer wieder von zähflüssiger Magma wie ein Pfropfen verschlossen wird, bis sie sich mit Gewalt von den Hindernissen befreien.
Und gerade das macht den Vesuv zu dem gefährlichsten Vulkan Europas – schließlich leben zu seinen Füßen mehr als eine Million Menschen im Großraum Neapel. Zu wissen, wie sich seine Ergüsse verhalten, ist daher lohnend. Um zu ergründen, wie sich eine pyroklastische Wolke ihren Weg durch besiedeltes Gebiet bahnt, untersuchten italienische Forscher um Lucia Gurioli vom Nationalinstitut für Geophysik und Vulkanologie in Pisa die Reste und Verteilung magmatischen Gesteins in den ausgegrabenen Relikten Pompejis [1]. Sie schätzten die etwaigen Temperaturen der Luftströmung anhand des Grads an Magnetismus, der in nicht aufgeschmolzenen Gesteinen verblieben war: Je geringer er ausfiel, desto höhere Hitzegrade herrschten damals an diesem Ort.
Auf der Karte und im Computermodell, die aus diesen Verteilungsmustern entstanden sind, zeigten sich anschließend, wie die räumliche Lage wie Form der Gebäude und Straßen die Höllengluten lenkten, denn durch die Widerstände der Häuser oder die Strömung erleichternden Bahnen der Gassen teilten sich die in Bodennähe dahin rasenden Luftmassen der Wolke in mehrere Teilströme auf und verwirbelten. In der Folge könnte es in seltenen Fällen im Windschatten von Mauern oder Häusern zu Luftturbulenzen gekommen sein, die kühlere Luft angesaugt haben oder Hohlräume vor der Hitze verschonten.
Dort wiederum erhöhte sich dann die Wahrscheinlichkeit von Temperaturen weit unter hundert Grad Celsius, die ein Mensch zum Überleben benötigt. Außerhalb der steinernen Barrieren der Stadt allerdings gab es keinerlei Schutz vor der Hitzewelle, und so verzehrte die heiße Masse dort alle Flüchtlinge, die sich in Richtung Strand oder Meer in Sicherheit bringen wollten.
Dass Davonlaufen nicht immer die beste Alternative bei akuten Vulkanausbrüchen und pyroklastischen Strömungen ist, zeigt zudem eine Untersuchung von Peter Baxter und seiner Kollegen von der Universität in Cambridge, die den Ausbruch des Soufrière-Hills auf Montserrat unter die Lupe nahmen [2]. Dieser Vulkan begann seine Aktivitäten neuerlich 1995 – nach über 400 Jahren trügerischer Ruhe –, aber erst 1997 kam es zur Katastrophe, als mehrere Gas- und Aschewolken in kurzer Folge über einige Dörfer und die Hauptstadt Plymouth im Süden der Insel hinweg rasten.
Schon die Hitze der Pyroklastika reichte nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler vielerorts aus, um Holz und andere Materialien zu entzünden und zu zerstören, aber seine ganze Destruktivität entwickelte der Gasstrom erst durch das Aufwirbeln von Gegenständen, die anschließend wie Geschosse auf die Wände von Gebäuden trafen. In großen Bereichen war der Druck der Wolke – zumal an ihren Rändern – jedoch vergleichsweise gering und richtete nach Aussage Baxters nur geringe Schäden an den Häusern aus Stein an, sofern sie nicht durch geöffnete Fenster oder Türen in deren Inneres eindringen konnte oder hölzerne Dächer Feuer fingen: Überleben wäre dort in den relativ kühlen Räumen also durchaus möglich gewesen.
Natürlich galt dies nicht für die Kernzone des Gassturms, wo ein geschätzter Druck von fünf Kilopascal – das entspricht einem Gewicht von etwa 510 Kilogramm auf einem Quadratmeter – herrschte: Hier fand nahezu totale Zerstörung statt, und Gebäude wie Vegetation wurden bis auf die Grundmauern und Wurzelstöcke abrasiert. Außer zu materiellen Verlusten kam jedoch keiner der Bewohner zu Schaden: Sie wurden alle nach den ersten Vorboten des sich anbahnenden Desasters evakuiert. Ein Glück, das im Falle Pompejis nur wenigen vergönnt war – wie Plinius dem Jüngeren, der den Untergang Pompejis in sicherer Entfernung im Städtchen Misenum überlebte.
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