Direkt zum Inhalt

Evolution: Einzigartig wie der Dodo

Die evolutionäre Abstammung der Kubataube war lange unbekannt. Nun überrascht sie die Biologen. Doch die Zeit für den Vogel läuft in ihrer Heimat langsam ab.
Ein Vogel mit braunem Gefieder und einem markanten blauen Kopf mit roten Akzenten sucht auf einem steinigen Boden nach Nahrung. Im Hintergrund sind unscharfe Pflanzen und Blätter zu sehen, die eine natürliche Umgebung andeuten.
Kubatauben leben vor allem auf dem Boden und bewegen sich laufend fort.

Nur noch rund 1000 Kubatauben (Starnoenas cyanocephala) soll es in der Natur geben, vor allem in den Wäldern der Zapata-Halbinsel – Schauplatz der gescheiterten Invasion von Exilkubanern 1961. Die Art gilt als stark bedroht, weswegen Biologen um Jessica Oswald vom Florida Museum of Natural History eine genetische Studie an ihr durchführten, um mehr über die Lebensgeschichte der Vögel und die Biogeografie der Karibik zu erfahren. Mit einer großen Überraschung: Die Tauben sind evolutionär einzigartig und stellen dabei sogar noch den berühmten, aber ausgestorbenen Dodo (Raphus cucullatus) von Mauritius in den Schatten. Tatsächlich existiert ihre Linie bereits seit 50 Millionen Jahren.

Lange hatten Wissenschaftler angenommen, dass die auf Kuba endemischen Tauben von Verwandten in Süd- und Zentralamerika abstammen würden. Doch einige Merkmale der Art sprachen eher für eine Verbindung nach Australien und umliegende Inseln. Die genetische Untersuchung spricht allerdings gegen beides: Kubatauben sind weder mit heutigen Tauben Amerikas noch Australasiens verwandt. Stattdessen entwickelte sie sich sehr früh zu einer eigenständigen Linie, die keine bekannten, lebenden Verwandten besitzt.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, musste das Team um Oswald eine spezielle Untersuchungsmethode anwenden. Auf Grund der Seltenheit der Art konnten die Wissenschaftler nicht einfach frisches Gewebe in der Natur entnehmen, und die in US-Museen vorhandenen Exemplare sind so alt, dass das vorhandene Material für normale Gensequenzierung nicht mehr tauglich ist. Oswald hatte jedoch eine feinere Analysemethode entwickelt, die sie normalerweise bei fossilen Knochen einsetzte, mit der sie nun aber auch ein 1958 gewonnenes Stück Zehenpolster einer Kubataube untersuchen konnte.

Woher die Kubataube stammt, ließ sich damit noch nicht klären, und auch nicht, ob sie vielleicht das letzte Relikt einer einst weiter verbreiteten Taubenfamilie ist. Der Dodo besaß immerhin einen Verwandten, den Rodrigues-Solitär (Pezophaps solitaria). Andere Taubenarten der Karibik stammen dagegen nachweislich aus Süd- und Zentralamerika und kolonialisierten die Insel später.

Oswalds Team konnte allerdings zeigen, dass die Biogeografie der karibischen Inseln deutlich komplexer ist, als man lange dachte. Mit Hilfe der Analysemethode gelang es, die Knochen einer ausgestorbenen Rallenart zu analysieren, deren nächste Verwandte in Neuguinea, Neuseeland und Afrika leben. Sollten subfossile Überreste weiterer Taubenarten in der Karibik auftauchen, ließe sich so vielleicht mehr über die Evolution der Kubataube herausfinden. Die größte Sorge der Biologen gilt allerdings aktuell dem Überleben der besonderen Spezies: Lebensraumzerstörung, Jagd und wildernde Hauskatzen setzen ihr stark zu.

  • Quellen
Biology Letters 10.1098/rsbl.2024.0464, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.