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Lebensweise der Jäger und Sammler: Immer der Beute nach

Die Untersuchung tausender Tierknochen aus Thüringen bringt Archäologen zu dem Schluss: Vor mehr als 15 000 Jahren streiften die Menschen immer noch in kleinen Gruppen umher. Das Szenario widerspricht der bisherigen Forschungsmeinung.
Ein als Steinzeitjäger verkleideter Mann schreitet mit seinem Speer aus einer Höhle.
Ein als Steinzeitjäger verkleideter Mann schreitet mit seinem Speer aus einer Höhle. Ob es vor zirka 15 000 Jahren wirklich so aussah, wenn Jäger und Sammler sich zur Jagd aufmachten, ist nicht gesichert.

Welchen Tieren stellten die Jäger und Sammler der späten Altsteinzeit nach? Und wie organsierten sie ihre Jagd? Eine Antwort auf solche Fragen suchten die Archäologen Werner Müller von der Université de Neuchâtel und Clemens Pasda von der Universität Jena in zirka 15 000 Jahre alten Tierknochen aus dem Thüringer Schiefergebirge. Wie die Forscher im Fachblatt »Quartär« berichten, jagten die Menschen in der Zeit des Magdaléniens eine Vielzahl verschiedener Tierarten. Dabei waren sie offenbar in kleinen Gruppen unterwegs und folgten ihrer Beute. Dieses Szenario widerlege die bisherige Forschungsmeinung, dass die Jäger und Sammler halbwegs sesshaft an größeren Lagerplätzen lebten, von denen aus sie immer wieder auf die Jagd gingen.

Fachleute hatten bereits in den 1970er Jahren hunderte Knochen und Steinwerkzeuge an der so genannten Teufelsbrücke ausgegraben. Bei der Felsformation handelt es sich um die Überreste einer eingestürzten Höhle südlich von Saalfeld in Thüringen. Müller und Pasda untersuchten die Funde erneut und zählten zirka 15 000 Knochenstücke. Sie ließen einige davon mit Hilfe der 14C-Methode datieren, was ein Alter von 15 000 bis 16 000 Jahren ergab. Zudem identifizierten sie in dem Fundmaterial verschiedene große und kleine Tierarten, darunter Pflanzen- und Fleischfresser. So fanden sich Schneehasen, Schneehühner, Steinböcke, Rentiere, Mammuts, Wollnashörner oder Höhlenlöwen und sehr viele Pferde. Deren Knochen machen gut drei Viertel des Fundmaterials aus und könnten von bis zu 200 Tieren stammen.

Aus dem Entwicklungsstand der Zähne folgerten die Prähistoriker, in welchem Alter die Pferde getötet wurden. Demnach jagte man die Wildpferde vom Sommer bis in den späten Herbst. Vermutlich erlegten die Menschen einige Tiere, brachten sie in die Höhle und verwerteten sie dort komplett – »vom Fell und Fleisch bis zum Knochenmark«, erklärt Pasda laut einer Pressemitteilung der Universität Jena. Zudem ging man dort alltäglichen Aktivitäten nach, schärfte beispielsweise Werkzeuge sowie Waffen und jagte gelegentlich Schneehasen oder Steinböcke. Nach einem kurzen Aufenthalt sei die Gruppe weitergezogen. Immer ihrer Beute nach, so das Fazit der Forscher.

Archäologen rekonstruierten bislang für die Zeit des Magdaléniens in Mitteleuropa ein anderes Szenario – »dass die Menschen bereits scheinbar sesshaft in großen zentralen Camps lebten«, sagt Pasda. »Von dort aus sollen sie einzelne Jagdexpeditionen gestartet haben und danach auch wieder dorthin zurückgekehrt sein, damit die größere Gemeinschaft die Beute verwerten konnte.« Mittlerweile ließen aber Fundplätze in der Schweiz darauf schließen, dass die Menschen in kleinen Gruppen unterwegs waren, deren Jäger die Tiere niederstreckten und die gesamte Gemeinschaft an Ort und Stelle die Beute zerlegte. Demnach hätte sich die Lebensweise der Jäger und Sammler vor gut 15 000 Jahren im Vergleich zu den Phasen zuvor kaum verändert. Jedenfalls in Mitteleuropa hätten noch keine größeren Camps existiert.

  • Quellen

Müller W., Pasda C.: More on the Magdalenian in Thuringia – A re-investigation of the faunal remains from Teufelsbrücke, Quartär – Internationales Jahrbuch zur Erforschung des Eiszeitalters und der Steinzeit, 2023 (veröffentlicht November 2024)

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