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News: Manipulierendes Tumorvirus

Die Krebszellen eines Kaposi-Sarkoms unterbinden kurzerhand die Abwehrreaktion des Immunsystems. Mit einem hormonähnlichen Molekül wenden sie das für sie bestimmte Schicksal des Zelltods ab und können sogar normale Zellen zum verhängnisvollen Wachstum anregen.
Kaposi-Sarkome waren vor dem Ausbruch der Immunschwäche AIDS so gut wie unbekannt. Im letzten Stadium der Viruserkrankung ist das Immunsystem jedoch schon sehr geschwächt und kann feindlichen Eindringlingen kaum noch trotzen. So fällt es auch den Kaposi-Sarkom assoziierten Herpesviren (KSHV) leicht, alle Hürden des Immunsystems zu überspringen.

Die Tumorviren aus der Familie der Herpesviren infizieren Zellen des Blutsystems und lassen diese ungehemmt wachsen. Sichtbar werden die Tumoren meist direkt unter der Haut oder auch in den Schleimhäuten. Ist es dem Tumor gelungen, so groß zu werden, hat das Immunsystem einen schwerwiegenden Fehler gemacht: Es hat die Krebszellen nicht geortet und sie in den für sie bestimmten gerichteten Selbstmord – die Apoptose – geschickt.

An der Verletzung der Aufsichtspflicht ist das Immunsystem aber nicht alleine schuld. Die Herpesviren vom Typ 8 tragen selbst entscheidend zum ungestörten Fortleben der Krebszellen bei. Hierzu produzieren sie ein hormonähnliches Molekül – das virale Interleukin-6 (vIL-6) – und verhindern darüber den auf sie lauernden Zelltod, wie Patrick Moore und Yuan Chang vom University of Pittsburgh Cancer Institute entdeckten.

Eigentlich sollte das Immunsystem die fehlgeleiteten Zellen erkennen und ihnen auf speziellem Wege die Botschaft zukommen lassen: Eure Zeit ist beendet! Bitte bringt euch um! Als unmissverständliches Signal sendet das Immunsystem den antiviralen Faktor Interferon aus. Doch mit KSH-Viren infizierte Zellen haben offensichtlich einen ganz feinen Sensor für das in ihrer Umgebung befindliche Interferon. Steigt der Gehalt dieses Stoffes an, kurbeln die Krebszellen ihrerseits die Produktion des Gegenmittels vIL-6 an.

Als Reaktion kommen sowohl die Aktivität des Tumorsuppressors als auch seine Synthese zum Erliegen. Die Tumorzellen wachsen daraufhin ungerührt weiter. Doch damit nicht genug. Wie das Forscherteam beobachten konnte, geraten sogar normale, nicht mit den Viren infizierte Zellen durch den Kontakt mit dem Cytokin vIL-6 auf die schiefe Bahn und legen sich ein ungehemmtes Wachstum à la Krebszelle zu.

"Diese Ergebnisse illustrieren, dass Tumorviren Krebs verursachen können, weil sie die Zellverteidigung untergraben und Gebrauch von den Signalwegen zur Tumorunterdrückung machen, die sie stattdessen für dessen Wachstum nutzen", beschreibt Chang die raffinierten Viren. "In anderen Worten: Das Virus ist in der Lage, seine Umgebung wahrzunehmen und sie so umzuwandeln, dass sie für eigene Zwecke bewohnbarer wird." Vielleicht verhindert ein neuer Ansatz in Zukunft, basierend auf der Hemmung von vIL-6, dass es sich die Viren zu gemütlich machen.

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