Teilchenphysik: Materie ist beliebter
Wäre das Universum gerecht, hätte es genau gleich große Anteile von Materie und Antimaterie gegeben, die sich gegenseitig zu Energie zerstrahlt hätten. Was für ein Glück für unsere materielle Welt, dass es in der Natur unfair zugeht.
Wenn nichts da ist, kann immer noch etwas werden. Das ist der Grund, weshalb selbst ein perfektes Vakuum nicht völlig leer wäre. Ständig entstünden aus zufälligen Energiefluktuationen spontan Teilchen: Paare mit einem Partner aus Materie und einem aus Antimaterie würden buchstäblich aus dem Nichts auftauchen und sich gleich darauf wieder gegenseitig auslöschen. Im Labor lässt sich dieser Vorgang beobachten und liefert eine gewisse Ahnung von den Vorgängen beim Urknall, als aus dem Überhauptnichts das Alles entstanden ist. Auch damals, so glauben Wissenschaftler, müssten Materie und Antimaterie im Verhältnis 1:1 aufgetaucht sein. Doch wenn wir uns umsehen, ist ringsherum nur Materie, so weit die Teleskope reichen. Was ist mit der Antimaterie geschehen? Wieso ist sie aus dem Universum verschwunden?
Zu den ersten Forschern, die einen Ansatz für Antworten auf diese Fragen fanden, gehörte der russische Physiker Andreij Sacharow, der im Westen vor allem als politischer Dissident bekannt geworden ist. Sacharow nahm an, dass die Natur nicht vollständig unparteiisch mit Materie und Antimaterie umgeht. Ansonsten sollte es nämlich im Prinzip egal sein, ob ein Vorgang in der Realität oder in einer gespiegelten Welt abläuft, was Physiker als Erhaltung der Parität P bezeichnen. Auch die Umkehr aller elektrischer Ladungen, die C-Symmetrie, dürfte keine Rolle für die Gültigkeit der Naturgesetze spielen. Materie, beispielsweise das negativ geladene Elektron, sollte sich verhalten wie Antimaterie, zu welcher das Positron gehört. Und schließlich käme es auch nicht darauf an, ob die Zeit T vorwärts oder rückwärts liefe. Weil diese drei Bedingungen eben nicht gegeben sind, kommt es zu einer Asymmetrie in der Natur, als deren Folge die Welt aus Materie besteht. Damit war das Problem dorthin verschoben, die schuldige Kraft für diese Asymmetrie zu finden.
Grundsätzlich lassen sich alle bekannten Kräfte auf vier fundamentale Kräfte reduzieren: Die Gravitation sorgt dafür, dass Massen sich gegenseitig anziehen und wir nicht von der Erde fallen. Die elektrostatische Kraft hält die Elektronen und Kerne der Atome beisammen. Indem sie die Quarks fest aneinander bindet, verhindert die starke Kraft, dass die Atomkerne wegen ihrer gleich geladenen Bausteine auseinander fliegen. Und die schwache Kraft lässt schließlich Teilchen zerfallen, was sich zum Beispiel als Betastrahlung bemerkbar machen kann. Während die ersten drei Kräfte sich bei ihrer Wirkung nicht um die Raumrichtung scheren, ist die schwache Kraft in diesem Punkt empfindlicher: Chinesisch-amerikanische Wissenschaftler stellten in den 1950er Jahre fest, dass diese Wechselwirkung die P-Symmetrie verletzt. Offenbar hatten die Forscher eine heiße Spur gefunden.
Aber noch hätte die Natur gerecht sein können. Eine intakte C-Symmetrie würde zur Rettung des Gesamtbildes ausreichen. Um deren Zustand in entsprechenden Experimenten zu überprüfen, sind gewaltige Energiemengen erforderlich. In riesigen Beschleunigern lassen Physiker Teilchen aufeinander zurasen und mit voller Wucht zusammenstoßen. Unter den Trümmern findet sich fast alles, was der unübersichtliche Zoo von Elementarteilchen zu bieten hat. Mit ausgeklügelten Detektoren bemühen die Forscher sich, diese einzufangen, zu vermessen oder wenigstens ihre Spuren zu verfolgen.
Einige der Bruchstücke können sowohl als Materie als auch Antimaterie vorliegen und zwischen diesen Möglichkeiten wechseln. Nach den Regeln der Quantenmechanik befinden sie sich in beiden Zuständen zugleich, bis sie auf einen Detektor treffen oder spontan zerfallen. Wäre die Welt symmetrisch, würden diese Teilchen beim Zerfall gleich häufig als Materie wie als Antimaterie vorliegen. Allerdings zeigten sich schon bald bei den so genannten Kaonen winzige Unregelmäßigkeiten, die darauf schließen ließen, dass die Symmetrie offenbar nicht perfekt war.
In der Tat ist sie sogar ziemlich mies, fanden nun Wissenschaftler um Marcello Giorgi von der Universität Pisa heraus. Sie werteten alle Daten des Experiments BaBar am Teilchenbeschleuniger SLAC (Stanford Linear Accelerator Center) im US-amerikanischen Stanford aus, die dort im Laufe von fünf Jahren angefallen waren. BaBar lässt Elektronen und Positronen zusammenknallen, wobei unter anderem B-Mesonen und ihr Antiteilchen Anti-B-Mesonen (auch B-Bar genannt) entstehen. Beide Formen können ineinander übergehen, sodass der anschließende Zerfall gleich häufig aus beiden Zuständen erfolgen sollte. "Unsere Messungen zeigen aber große Unterschiede in den Zerfallsraten", sagt Giorgi. "Wir haben 910 Fälle, in denen ein B-Meson zerfällt, aber nur 696 Fälle für das Anti-B-Meson." Immerhin eine Ungerechtigkeit von 13 Prozent und damit eine deutliche Verletzung der CP-Symmetrie. Bei den Kaonen lag der Effekt lediglich bei 0,04 Promille.
Es sieht folglich ganz so aus, als würde die schwache Kraft dafür sorgen, dass die Natur eine Vorliebe für Materie hat. Das soll uns Recht sein, verdanken wir doch dieser Ungerechtigkeit unsere Existenz. Aber irgendwie seltsam ist es doch, und so lassen Physiker weiter Teilchen aufeinander krachen. Damit wir eines Tages besser verstehen, warum es uns überhaupt geben kann.
Zu den ersten Forschern, die einen Ansatz für Antworten auf diese Fragen fanden, gehörte der russische Physiker Andreij Sacharow, der im Westen vor allem als politischer Dissident bekannt geworden ist. Sacharow nahm an, dass die Natur nicht vollständig unparteiisch mit Materie und Antimaterie umgeht. Ansonsten sollte es nämlich im Prinzip egal sein, ob ein Vorgang in der Realität oder in einer gespiegelten Welt abläuft, was Physiker als Erhaltung der Parität P bezeichnen. Auch die Umkehr aller elektrischer Ladungen, die C-Symmetrie, dürfte keine Rolle für die Gültigkeit der Naturgesetze spielen. Materie, beispielsweise das negativ geladene Elektron, sollte sich verhalten wie Antimaterie, zu welcher das Positron gehört. Und schließlich käme es auch nicht darauf an, ob die Zeit T vorwärts oder rückwärts liefe. Weil diese drei Bedingungen eben nicht gegeben sind, kommt es zu einer Asymmetrie in der Natur, als deren Folge die Welt aus Materie besteht. Damit war das Problem dorthin verschoben, die schuldige Kraft für diese Asymmetrie zu finden.
Grundsätzlich lassen sich alle bekannten Kräfte auf vier fundamentale Kräfte reduzieren: Die Gravitation sorgt dafür, dass Massen sich gegenseitig anziehen und wir nicht von der Erde fallen. Die elektrostatische Kraft hält die Elektronen und Kerne der Atome beisammen. Indem sie die Quarks fest aneinander bindet, verhindert die starke Kraft, dass die Atomkerne wegen ihrer gleich geladenen Bausteine auseinander fliegen. Und die schwache Kraft lässt schließlich Teilchen zerfallen, was sich zum Beispiel als Betastrahlung bemerkbar machen kann. Während die ersten drei Kräfte sich bei ihrer Wirkung nicht um die Raumrichtung scheren, ist die schwache Kraft in diesem Punkt empfindlicher: Chinesisch-amerikanische Wissenschaftler stellten in den 1950er Jahre fest, dass diese Wechselwirkung die P-Symmetrie verletzt. Offenbar hatten die Forscher eine heiße Spur gefunden.
Aber noch hätte die Natur gerecht sein können. Eine intakte C-Symmetrie würde zur Rettung des Gesamtbildes ausreichen. Um deren Zustand in entsprechenden Experimenten zu überprüfen, sind gewaltige Energiemengen erforderlich. In riesigen Beschleunigern lassen Physiker Teilchen aufeinander zurasen und mit voller Wucht zusammenstoßen. Unter den Trümmern findet sich fast alles, was der unübersichtliche Zoo von Elementarteilchen zu bieten hat. Mit ausgeklügelten Detektoren bemühen die Forscher sich, diese einzufangen, zu vermessen oder wenigstens ihre Spuren zu verfolgen.
Einige der Bruchstücke können sowohl als Materie als auch Antimaterie vorliegen und zwischen diesen Möglichkeiten wechseln. Nach den Regeln der Quantenmechanik befinden sie sich in beiden Zuständen zugleich, bis sie auf einen Detektor treffen oder spontan zerfallen. Wäre die Welt symmetrisch, würden diese Teilchen beim Zerfall gleich häufig als Materie wie als Antimaterie vorliegen. Allerdings zeigten sich schon bald bei den so genannten Kaonen winzige Unregelmäßigkeiten, die darauf schließen ließen, dass die Symmetrie offenbar nicht perfekt war.
In der Tat ist sie sogar ziemlich mies, fanden nun Wissenschaftler um Marcello Giorgi von der Universität Pisa heraus. Sie werteten alle Daten des Experiments BaBar am Teilchenbeschleuniger SLAC (Stanford Linear Accelerator Center) im US-amerikanischen Stanford aus, die dort im Laufe von fünf Jahren angefallen waren. BaBar lässt Elektronen und Positronen zusammenknallen, wobei unter anderem B-Mesonen und ihr Antiteilchen Anti-B-Mesonen (auch B-Bar genannt) entstehen. Beide Formen können ineinander übergehen, sodass der anschließende Zerfall gleich häufig aus beiden Zuständen erfolgen sollte. "Unsere Messungen zeigen aber große Unterschiede in den Zerfallsraten", sagt Giorgi. "Wir haben 910 Fälle, in denen ein B-Meson zerfällt, aber nur 696 Fälle für das Anti-B-Meson." Immerhin eine Ungerechtigkeit von 13 Prozent und damit eine deutliche Verletzung der CP-Symmetrie. Bei den Kaonen lag der Effekt lediglich bei 0,04 Promille.
Es sieht folglich ganz so aus, als würde die schwache Kraft dafür sorgen, dass die Natur eine Vorliebe für Materie hat. Das soll uns Recht sein, verdanken wir doch dieser Ungerechtigkeit unsere Existenz. Aber irgendwie seltsam ist es doch, und so lassen Physiker weiter Teilchen aufeinander krachen. Damit wir eines Tages besser verstehen, warum es uns überhaupt geben kann.
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