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Mikrobiom: Alternde Darmflora

Im Lauf des Lebens verändert sich die Zusammensetzung der Darmbakterien. Möglicherweise beschleunigt das den Alterungsprozess und macht anfälliger für Krankheiten.
Darmbakterien

Die Zusammensetzung der Darmbakterien wurde bereits mit verschiedenen altersbedingten Leiden in Verbindung gebracht, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2. Doch auch das Altern selbst geht mit Veränderungen des Mikrobioms einher – das fand eine Forschergruppe vom Cedars-Sinai in Los Angeles heraus. Die Ergebnisse der Studie lassen zumindest spekulieren, ob der Wandel des Mikrobioms den Alterungsprozess vorantreiben – und ob ein Schutz der Mikroben dabei helfen könnte, ein längeres und gesünderes Leben zu führen.

Für die Untersuchung entnahmen die Forscherinnen und Forscher Bakterienproben aus dem Dünndarm von 251 Personen im Alter zwischen 18 und 80 Jahren, die sich einer oberen Endoskopie unterzogen hatten. Bei dem Verfahren führt ein Arzt eine kleine Sonde durch den Rachen in den Magen. Normalerweise werden Darmbakterien anhand von Stuhlproben untersucht. Aber diese Mikroben, die aus dem hinteren Teil des Darms stammen, können sich von jenen im Dünndarm, der näher am Magen liegt, stark unterscheiden. Denn hier findet immerhin der Großteil der Verdauung und der Nährstoffaufnahme statt. »Die ganze Magie passiert im Dünndarm«, sagt Koautor und Gastroenterologe Mark Pimentel.

Die Gesamtbakterienvielfalt nimmt mit dem Alter ab

Nach der Analyse der Proben stellten die Forschenden fest, dass Altern mit Veränderungen in den Bakterienpopulationen einherging. Ältere Menschen hatten mehr Bakterien aus den Familien Enterococcaceae, Lactobacillaceae, Enterobacteriaceae und der Gattung Bacteroides. »Das sind alles Gruppen von Bakterien, die beim Menschen Krankheiten verursachen können«, erklärt Heidi Zapata, eine Spezialistin für Infektionskrankheiten an der Yale School of Medicine. E. coli-Bakterien, die zu den Enterobacteriaceae gehören, können zum Beispiel zu Durchfall und Harnwegsinfektionen führen.

Auch die Gesamtbakterienvielfalt nahm mit dem Alter ab. Laut Pimentel wurde eine geringe Diversität auch mit Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht. So haben Studien einen Zusammenhang zwischen einer geringen Bakterienvielfalt und Morbus Crohn, dem Reizdarmsyndrom, Darmkrebs und anderen Erkrankungen herstellen können.

Es ist nicht ganz klar, wie und ob die Veränderungen des Mikrobioms die Alterung vorantreiben. Untersuchungen an Nagetieren haben gezeigt, dass eine gestörte Darmflora es den Stammzellen im Darm erschwert, sich zu regenerieren. Das kann sich sowohl auf den Stoffwechsel als auch auf den allgemeinen Zustand der Schleimhautbarriere des Darms auswirken. Probleme mit dieser Barriere wurden mit dem Altern und altersbedingten Krankheiten wie Leber- und Stoffwechselerkrankungen, entzündlichen Darmkrankheiten sowie Lungen- und Gehirnproblemen in Verbindung gebracht. Die mikrobiellen Veränderungen, die in späteren Lebensjahren auftreten, könnten auch ein entzündliches Milieu im Darm schaffen und so den Alterungsprozess fördern. Als Forschende 2017 Darmmikroben von älteren Mäusen in jüngere keimfreie Mäuse transplantierten, entwickelten die jungen Mäuse Entzündungen, die auf Alterungsprozesse hindeuten.

»Wir wissen nicht, was das Huhn oder das Ei ist, aber wir müssen es herausfinden«Mark Pimentel, Gastroenterologe

Die neuere Studie beweist nicht, dass die gefundenen Veränderungen das Altern beschleunigen. Eine alternative Erklärung könnte etwa sein, dass sich die Darmbakterien verändern, weil die Menschen älter werden. »Wir wissen nicht, was das Huhn oder das Ei ist, aber wir müssen es herausfinden«, sagt Pimentel. Er hofft, die Antworten in zukünftigen Experimenten zu finden, bei denen »ältere« Mikrobiome in junge Tiere verpflanzt werden, um zu sehen, ob sie dadurch schneller altern oder krank werden. Interessant wäre auch, das Mikrobiom gesunder 100-Jähriger zu untersuchen und die Merkmale zu identifizieren, die beim gesunden Altern eine Rolle spielen könnten.

Patientengruppe vielleicht nicht repräsentativ

Zudem müsse bedacht werden, dass eine sehr spezielle Gruppe von Patienten untersucht wurde, nämlich jene, die sich aus freien Stücken einer Endoskopie unterzogen hatten – und »eine Endoskopie ist nichts, wofür sich Menschen gerne freiwillig melden«, gibt Elena Biagi, eine Mikrobiom-Forscherin von der Universität Bologna, zu bedenken. Diese Menschen hatten eventuell medizinische Probleme, so dass ihre Darmbakterien möglicherweise nicht repräsentativ für normale, gesunde Menschen waren.

Das Forscherteam stellte zudem fest, dass die Einnahme von Medikamenten und das Vorhandensein von Krankheiten das Mikrobiom des Dünndarms beeinflusst, unabhängig vom Alterungsprozess. Sie fanden zum Beispiel Folgendes heraus: Je mehr Medikamente die Menschen zu sich nahmen, umso mehr Klebsiella-Bakterien befanden sich in ihrem Darm. Die Häufigkeit von Klebsiella aber stand in keinem Zusammenhang mit ihrem Alter. Klebsiella-Bakterien können Lungenentzündung, Infektionen an der Operationsstelle und Meningitis verursachen und sind häufig antibiotikaresistent. Menschen mit Grunderkrankungen hatten zudem unabhängig vom Alter oder der Einnahme von Medikamenten tendenziell mehr Clostridium-Bakterien in ihrem Darm.

Die Darmflora schützen, um gesünder zu altern?

Wenn Wissenschaftler in künftigen Studien nachweisen, dass mikrobielle Veränderungen den Alterungsprozess vorantreiben und nicht umgekehrt, dann könnte der Schutz der Darmflora, etwa durch eine gesunde Lebensweise oder gezielte medizinische Eingriffe, die Menschen länger gesund halten. Laut Pimentel ist eine gesunde Ernährung und sportliche Betätigung hilfreich. Zudem sollten Antibiotika mit Bedacht eingesetzt werden, wie Zapata erläutert. Eine unnötige Einnahme der Medikamente sowie der Einsatz von Breitbandantibiotika solle vermieden werden. Denn diese lässt Darmbakterien in geringerer Vielfalt nachwachsen und so können mehr ungesunde Bakterienarten gedeihen.

»Eine unausgewogene Darmflora kann definitiv zu Infektionen und Krankheiten führen«, fügt die Immunologin hinzu. »Es ist wichtig, diese altersbedingten Veränderungen zu verstehen, um möglicherweise den Alterungsprozess verbessern zu können.«

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