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Kommunikation: Namen sind wie Schall und Blasen

Delfine erinnern viele Menschen an uns selbst: Die Tiere sind offensichtlich gesellig, sie reden miteinander, spielen gerne und mögen vor allem keine Haie. Und: Sie sprechen sich anscheinend sogar mit Namen an.
Großer Tümmler auf dem Sprung
Hat "Flipper", die beliebte amerikanische Fernsehserie, nun den Delfinen genutzt oder doch eher geschadet? Über diese Frage lässt sich bestimmt trefflich streiten: Auf der einen Seite weckte "Flipper" natürlich viele Sympathien für die intelligenten Meeressäuger – schließlich verkörpert der schwimmende Protagonist das ewig Gute im Tier. In seiner natürlich-altruistischen Art rettete Flipper beständig Menschen aus höchster Not vor gefräßigen Haien oder stellte hinterhältige Bösewichte friedlich und überführte sie am Ende in Polizeigewahrsam. Aber ist das nicht alles bereits eine zu große Vermenschlichung des "Biests"?

Mutter und Kind | Nicht nur unter Menschen vorhanden: Auch Gruppenmitglieder von Delfinschulen können einander mit individuellen Namen rufen.
Vielleicht haben sich die Filmaufnahmen zu "Flipper" damals aber auch ganz anders zugetragen. Vielleicht haben nicht die Menschen die Delfine trainiert, sondern diese ihre Anleiter. Und vielleicht hat sich ja auch der folgende Dialog zwischen zwei schwimmenden Komparsen abgespielt: "Hey Neptun, da kommt schon wieder dieser zweibeinige Typ, den Flipper darauf dressiert hat, ihm 'ne Sardelle zuzuwerfen, wenn er die Flosse hebt."

Nun sind Delfine bekanntermaßen recht intelligent – und kommunizieren mittels verschiedenster Pfeif-, Schnarr- und Quietschtöne miteinander. Viele Säugetier- oder Vogelarten verfügen dabei über ein Repertoire an Lauten, die das Bindungsgefüge untereinander stärken sollen und die sich individuell nur durch die jeweiligen Stimmbandcharakteristika voneinander unterscheiden. Große Tümmler jedoch lernen sogar neue Signale, um zuvor unbekannte Objekte wie Bällen zu benennen.

Von hier wäre es dann aber nur ein kleiner Schritt bis zur Frage, ob sich Delfine nicht auch einander eigenständige Namen wie wir uns Menschen geben, die von allen Schwimmkameraden gleich ausgesprochen und verstanden werden. Das klingt nun wohl wirklich etwas zu personifiziert – oder etwa doch nicht? Eine neue Studie von Verhaltensforschern um Vincent Janik von der Universität im britischen St. Andrews könnte da Aufklärung versprechen.

Der Zoologe und seine Kollegen stellten diese Frage einer Gruppe Großer Tümmler in einer Bucht an Floridas Sonnenküste, deren Mitglieder seit mehr als drei Jahrzehnten beobachtet werden: Die Wissenschaftler kannten also im Prinzip alle der Dauerprobanden und konnten sie zudem nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen sortieren. Vierzehn dieser Tiere spielten sie in der Folge jeweils von den Forschern als Namenspfiffe bezeichnete Aufnahmen vor und notierten anschließend die Resonanz der Tümmler auf diese Töne.

Diese Pfiffe wurden künstlich erzeugt und entsprachen in ihren Modulationsfrequenzen den natürlichen Rufen der Tiere; sie wurden aber von jeglicher persönlicher Note bereinigt: Wiedererkennung durch Stimmbandunterschiede waren folglich ausgeschlossen. Zu hören bekamen die Probanden dabei Signale von mit ihnen verwandten wie nur bekannten Artgenossen.

Immerhin neun der untersuchten vierzehn Tümmler reagierten dabei eindeutig und stärker auf die Namenspfiffe von verwandten Exemplaren als auf jene von anderen Artgenossen, und nur zwei zeigten ein umgekehrtes Verhalten. Die restlichen drei Tiere zeigten sich von beiderlei Tönen völlig unbeeindruckt. Für die Zoologen belegt diese Mehrheit aber schon eindeutig, dass die Signale selbst durch die Verfremdung alleine noch durch die charakteristische Frequenzmodulation genügend Informationen senden, damit die Tümmler Familienmitglieder erkennen können.

Mehr noch lassen sich damit sogar die einzelnen Angehörigen individuell unterscheiden. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass die Tiere, gleich wer aus der Gruppe den Ruf ausstößt, einander immer mit den jeweils typischen Namenspfiffen ansprechen und darauf Reaktion bekommen – so wie Menschen meist auch auf die Erwähnung ihres Namens anspringen, unabhängig von der Tonlage oder dem Klang der Stimme des Sprechers.

Damit vergäben die Großen Tümmler – und möglicherweise auch andere Delfinarten – wie Homo sapiens untereinander Namen, mit denen sie kommunizieren können. Nach Jenkins und seinen Kollegen wäre dies allerdings auch höchst sinnig, denn im Lebensraum der Meeressäuger erschweren die physikalischen Eigenschaften des Wassers die Kontaktaufnahme.

Durch Unterschiede des Wasserdruck bei Jagdausflügen oder Wanderungen unter Wasser verändert sich auch der Klang der Geräusche, und die Tiere müssen sich allein auf die Modulationsfrequenz der Rufe verlassen, wollen sie den Kontakt zueinander nicht verlieren oder sich absprechen. Immerhin bestehen laut verschiedener Aufzeichnungen mehr als die Hälfte aller Rufe von Großen Tümmlern in der freien Wildbahn aus Namenspfiffen.

Selbst das abweichende Verhalten der beiden Tümmler, die eher auf Signale von nichtverwandten Spezis reagierten, können die Forscher womöglich erklären: Als wissbegierige und lernfähige Warmblüter eignen sich Delfine auch Aussagen von Artgenossen an und geben sie wieder. Wer weiß: Vielleicht wollten sie sich also sogar mit Freunden über das seltsame Gebaren von sonnenverbrannten, lautsprecherbewaffneten Briten in Badehosen auslassen?

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