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Navigation: Auch ganz blind finden Fledermäuse nach Hause

Fledermäuse, die ihre Umwelt nur noch über Echoortung wahrnehmen können, finden weiterhin ihren Weg zurück zu ihrer Kolonie. Das deutet darauf hin, dass das Gehirn der Tiere dreidimensionale Schallkarten ihrer Umgebung erstellt.
Eine kleine flauschige Fledermaus im Flug durch eine schattige Waldlandschaft
Weißrandfledermäuse finden auch mit verbundenen Augen zu ihrer kilometerweit entfernten Kolonie zurück.

Entgegen landläufiger Meinung sind Fledermäuse nicht blind. Selbst Arten, die eher schlecht sehen, nutzen visuelle Orientierungspunkte, um sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden. Ob sie allein mittels Schallortung ein weiter entferntes Ziel ansteuern und finden können, war lange Zeit unklar. Bis Fachleuten um Aya Goldshtein von der Universität Konstanz der Nachweis gelang: Ihre Versuche zeigen, dass Zwergfledermäuse selbst mit verbundenen Augen einen kilometerweit entfernten Ort wiederfinden können.

Für die Studie fing das Team in der Chulaebene im nördlichen Israel knapp 100 Weißrandfledermäuse (Pipistrellus kuhlii) ein. Es verpasste den nur etwa sechs Gramm schweren Tieren winzige GPS-Tracker, mit denen sich ihre Flugroute nachvollziehen ließ. Zugleich blockierten die Forschenden einen oder mehrere Wahrnehmungskanäle der Flattertiere. Ein Teil bekam eine Augenbinde in Form eines Heftpflasters verpasst. Ein weiterer trug zusätzlich einen Minimagneten, der den Magnetsinn außer Gefecht setzte. Der letzte erhielt obendrein eine Nasenspülung, die den Geruchssinn vorübergehend hemmte. Als Vergleichsgruppe dienten Fledermäuse, die eine dreiteilige Scheinbehandlung über sich ergehen lassen mussten: Sie bekamen ein Pflaster aufgeklebt, das ihre Augen nicht verdeckte, eine wirkungslose Nasenspülung und ein kleines, nicht magnetisches Metallgewicht. Dann transportierte man die Versuchstiere, abgeschirmt von ihrer Umgebung, an zwei knapp drei bis vier Kilometer weit entfernte Standorte nördlich und südlich von ihrer Kolonie und ließ sie dort frei.

Den Fachleuten gelang es, die Flugrouten von 76 Fledermäusen lückenlos nachzuverfolgen. Von 30 Individuen in der Kontrollgruppe schafften es 28 ans Ziel. Alle 17 Tiere mit verbundenen Augen gelangten zurück zur Kolonie, ebenso all jene mit Augenbinde und Magnet. Zehn von zwölf Fledermäusen, die allein auf ihre Echolokation angewiesen waren, erreichten ihr Zuhause. Tiere, die nichts sehen konnten, brauchten für die Strecke etwas länger und flogen zudem langsamer und über kleine Umwege. Doch sie kamen dabei nie weit vom direkten Kurs ab.

Echolokation liefert vor allem Information zum unmittelbaren Umfeld. Anhand von Schallsignalen erkennen Fledermäuse, ob sie sich im Kollisionskurs mit Bäumen oder anderen Hindernissen befinden und wo sich ihre Beute hinbewegt. Das funktioniert aber nur über kurze Distanzen von wenigen Metern. Ein Blindflug in die richtige Richtung über mehrere Kilometer ist für die Forscherinnen und Forscher ein Anzeichen dafür, dass das Gehirn der Tiere auditorische Momentaufnahmen zu einer größeren Schallandkarte zusammensetzt. Sie würde es den ausgesetzten Individuen erlauben, die Umgebung kontinuierlich mit ihrer inneren Karte abzugleichen – und so auf Kurs zu ihrem Ziel zu bleiben.

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