Paläogeochemie: Nichts als Spuren im Stein
Der Mensch stammt vom Affen ab: Das ist zwar plakativ, stimmt aber im Großen und Ganzen - wir Primaten sind jedoch nur das jüngste Glied unserer Ahnenreihe. Doch wann fand überhaupt der tierische Urknall statt und begann die Evolution der heute lebenden Würmer, Frösche, Menschen? Und wer darf sich mit dem Titel "Erster" schmücken?
Ahnenforscher kennen das Problem. Je weiter sie in der Vergangenheit zurückschreiten, um den Stammbaum der Familie zu verwurzeln, desto schwieriger wird die Datenbeschaffung: Die Einträge in Kirchenbüchern werden ungenauer, Säure, Feuer und Kriege setzten Chroniken schwer zu. Und vor dem Dreißigjährigen Krieg mit seinen zeitgeschichtlichen Verheerungen verliert sich die Spur meist völlig – es sei denn, man darf sich zu einem hochrangigen Adelsgeschlecht zählen, das von allerlei Geschichtsschreibern erfasst wurde.
Nun reicht die Geschichtsschreibung der Menschheit, wenn man großzügig ist, nur einige tausend Jahre zurück – ungleich schwieriger ist es da für Paläontologen, die den Ursprung des Lebens an sich oder zumindest jenen der Tiere und damit von uns selbst ausfindig machen wollen. Ihre Dimensionen berechnen sich in Jahrmillionen bis -milliarden, in denen Meteoriten den Planeten bombardierten und Klimawandel wie Plattentektonik sein Antlitz wieder und wieder umgestalteten. Fossilien geben allenfalls lückenhaft wieder, welche Bakterien, Tiere und Pflanzen in den letzten rund vier Milliarden Jahren auf der Erde existiert haben – so lange könnte es Leben immerhin schon geben.
Neben allen geologischen Unwägbarkeiten erschwert vor allem eines die Geschichtsfindung. Die Urgeschöpfe besaßen lange keine Körpermerkmale, die leicht versteinerten: Knochen, Schalen oder Panzer waren in der Frühzeit des Lebens unbekannt und Fossilien sind entsprechend selten. Ähnlich wie der Dreißigjährige Krieg die Hobby-Ahnenforscher verzweifeln lässt, macht den Paläontologen die letzte große Eiszeit des Cryogeniums vor 635 Millionen Jahren zu schaffen. Danach begann das Ediacarium, in dem nach bisherigen Kenntnisstand die ersten Gewebetiere auftauchten. Sie besaßen noch keine inneren oder äußeren mineralisierten Skelettbestandteile und Versteinerungen finden sich nur an wenigen Orten. Immerhin: Erwiesenermaßen lebten damals Tiere. Was aber kam davor? Woher stammten die eigentümlichen, primitiv ausdifferenzierten Wesen? Aus dem Nichts konnten sie ja nicht entstanden sein.
Forscher wie Gordon Love von der University of California in Riverside und seine Kollegen müssen deshalb auf indirekte Zeugnisse ausweichen – etwa chemische Signale, die nur einen biologischen Ursprung haben können, so genannte Biomarker [1]: geologisch robuste, aber taxonomisch einwandfrei zu unterscheidende Kohlenwasserstoffe, die einst als Lipiddoppelschicht in den Membranen von Organismen auftauchten. Ins Blickfeld der Forscher rückte dabei vor allem ein Steroid namens 24-Isopropylcholestan, das einzig die Hornkieselschwämme (Demospongiae) aufbauen – eine sehr primitive Organismengruppe, die schon lange im Verdacht steht, die Basis alles tierischen Lebens zu bilden.
Und in der Tat wurde Loves Team fündig: in Sedimentgesteinen aus der Huqf-Supergruppe im Salzbecken des südlichen Omans. Sie lagerten sich zusammen mit dem Steroid etwa 120 Millionen Jahre vor dem Ende der letzten Cryogenium-Eiszeit ab, so dass schon vor 750 Millionen Schwämme gelebt haben könnten – eine deutliche Vordatierung des tierischen Stammbaums und Zeichen dafür, dass diesen Lebewesen die unvorteilhaft kühle Epoche nichts ausgemacht hat.
Die Entdeckung verändert auch die Vorstellung über das damalige Ökosystem: So lebten die Schwämme und andere frühe Vielzeller zuerst in den flachen Schelfmeeren der damaligen Zeit, wo sie sich von gelösten Nährstoffen und Einzellern ernährten, die über kleine Kanälchen in ihren Körper gespült wurden. Indem sie wuchsen, verhinderten sie gleichzeitig, dass aufgenommenes organisches Material im Meer wie Algen oder Cyanobakterien gleich wieder zersetzt und dabei Sauerstoff verbraucht wurde. Die Schwämme trugen damit zur Anreicherung des für höheres Leben extrem wichtigen Gases im Ozean bei. Mehr noch: Da die Schwämme sich im Laufe der Zeit zunehmend vom Flachwasser in die Tiefsee ausbreiteten, halfen sie wohl, den kompletten Wasserkörper zu durchlüften und für andere Arten den Weg zu bereiten – deutlich eher als gedacht.
Ob Love und seine Kollegen mit ihren Ergebnissen nun jedoch die absolute Stunde Null von Wurm, Komodowaran, Paradiesvogel und Lieschen Müller ergründet haben, bleibt aus einem anderen Grund fraglich. Denn nach einer Studie von Biologen um Bernd Schierwater von der Tierärztlichen Hochschule Hannover beginnt tierisches Leben allgemein, vor allem aber auch das der höher entwickelten Arten mit einem ganz anderen Urahnen als den Schwämmen [2]: dem so genannten Urmetazoon – einem wenige Millimeter großen körperachsenlosen Vielzeller ohne Kopf, Rumpf, differenziertem Gewebe oder Organen, der sich amöbenartig im seichten Wasser fortbewegt. Seine nächsten Verwandten sind die Placozoa, die heute nur aus der Art Trichoplax adhaerens bestehen, aber einen eigenen Stamm im Tierreich bilden.
Ob es nun sehr viel tröstlicher ist, statt von einem Schwamm von einem scheibenförmigen, amöbenartigen Teil abzustammen, sei dahin gestellt: Außer Biologen möchte wohl kein Ahnenforscher solche Verwandte ins Familienbuch aufnehmen.
Nun reicht die Geschichtsschreibung der Menschheit, wenn man großzügig ist, nur einige tausend Jahre zurück – ungleich schwieriger ist es da für Paläontologen, die den Ursprung des Lebens an sich oder zumindest jenen der Tiere und damit von uns selbst ausfindig machen wollen. Ihre Dimensionen berechnen sich in Jahrmillionen bis -milliarden, in denen Meteoriten den Planeten bombardierten und Klimawandel wie Plattentektonik sein Antlitz wieder und wieder umgestalteten. Fossilien geben allenfalls lückenhaft wieder, welche Bakterien, Tiere und Pflanzen in den letzten rund vier Milliarden Jahren auf der Erde existiert haben – so lange könnte es Leben immerhin schon geben.
Neben allen geologischen Unwägbarkeiten erschwert vor allem eines die Geschichtsfindung. Die Urgeschöpfe besaßen lange keine Körpermerkmale, die leicht versteinerten: Knochen, Schalen oder Panzer waren in der Frühzeit des Lebens unbekannt und Fossilien sind entsprechend selten. Ähnlich wie der Dreißigjährige Krieg die Hobby-Ahnenforscher verzweifeln lässt, macht den Paläontologen die letzte große Eiszeit des Cryogeniums vor 635 Millionen Jahren zu schaffen. Danach begann das Ediacarium, in dem nach bisherigen Kenntnisstand die ersten Gewebetiere auftauchten. Sie besaßen noch keine inneren oder äußeren mineralisierten Skelettbestandteile und Versteinerungen finden sich nur an wenigen Orten. Immerhin: Erwiesenermaßen lebten damals Tiere. Was aber kam davor? Woher stammten die eigentümlichen, primitiv ausdifferenzierten Wesen? Aus dem Nichts konnten sie ja nicht entstanden sein.
Forscher wie Gordon Love von der University of California in Riverside und seine Kollegen müssen deshalb auf indirekte Zeugnisse ausweichen – etwa chemische Signale, die nur einen biologischen Ursprung haben können, so genannte Biomarker [1]: geologisch robuste, aber taxonomisch einwandfrei zu unterscheidende Kohlenwasserstoffe, die einst als Lipiddoppelschicht in den Membranen von Organismen auftauchten. Ins Blickfeld der Forscher rückte dabei vor allem ein Steroid namens 24-Isopropylcholestan, das einzig die Hornkieselschwämme (Demospongiae) aufbauen – eine sehr primitive Organismengruppe, die schon lange im Verdacht steht, die Basis alles tierischen Lebens zu bilden.
Und in der Tat wurde Loves Team fündig: in Sedimentgesteinen aus der Huqf-Supergruppe im Salzbecken des südlichen Omans. Sie lagerten sich zusammen mit dem Steroid etwa 120 Millionen Jahre vor dem Ende der letzten Cryogenium-Eiszeit ab, so dass schon vor 750 Millionen Schwämme gelebt haben könnten – eine deutliche Vordatierung des tierischen Stammbaums und Zeichen dafür, dass diesen Lebewesen die unvorteilhaft kühle Epoche nichts ausgemacht hat.
Die Entdeckung verändert auch die Vorstellung über das damalige Ökosystem: So lebten die Schwämme und andere frühe Vielzeller zuerst in den flachen Schelfmeeren der damaligen Zeit, wo sie sich von gelösten Nährstoffen und Einzellern ernährten, die über kleine Kanälchen in ihren Körper gespült wurden. Indem sie wuchsen, verhinderten sie gleichzeitig, dass aufgenommenes organisches Material im Meer wie Algen oder Cyanobakterien gleich wieder zersetzt und dabei Sauerstoff verbraucht wurde. Die Schwämme trugen damit zur Anreicherung des für höheres Leben extrem wichtigen Gases im Ozean bei. Mehr noch: Da die Schwämme sich im Laufe der Zeit zunehmend vom Flachwasser in die Tiefsee ausbreiteten, halfen sie wohl, den kompletten Wasserkörper zu durchlüften und für andere Arten den Weg zu bereiten – deutlich eher als gedacht.
Ob Love und seine Kollegen mit ihren Ergebnissen nun jedoch die absolute Stunde Null von Wurm, Komodowaran, Paradiesvogel und Lieschen Müller ergründet haben, bleibt aus einem anderen Grund fraglich. Denn nach einer Studie von Biologen um Bernd Schierwater von der Tierärztlichen Hochschule Hannover beginnt tierisches Leben allgemein, vor allem aber auch das der höher entwickelten Arten mit einem ganz anderen Urahnen als den Schwämmen [2]: dem so genannten Urmetazoon – einem wenige Millimeter großen körperachsenlosen Vielzeller ohne Kopf, Rumpf, differenziertem Gewebe oder Organen, der sich amöbenartig im seichten Wasser fortbewegt. Seine nächsten Verwandten sind die Placozoa, die heute nur aus der Art Trichoplax adhaerens bestehen, aber einen eigenen Stamm im Tierreich bilden.
Ob es nun sehr viel tröstlicher ist, statt von einem Schwamm von einem scheibenförmigen, amöbenartigen Teil abzustammen, sei dahin gestellt: Außer Biologen möchte wohl kein Ahnenforscher solche Verwandte ins Familienbuch aufnehmen.
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