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Tierische Kommunikation: Orang-Utans äußern sich per Pantomime

Orang-Utan "Cecep" in Borneo
Wild lebende Orang-Utans nutzen pantomimische Darstellungen als Kommunikationskanal: Sie spielen vor, was sie dem Gegenüber mitteilen wollen, und wiederholen sich sogar gelegentlich mit gesteigerter Dramatik, wenn dieses sie nicht sofort versteht.

Pantomimischer Menschaffe | Der junge Orang-Utan "Cecep" wurde in einer Aufzuchtstation auf Borneo aufgepäppelt und dann ausgewildert. Hier "unterhält" er sich mit der Studienleiterin Anne Russon: In einer typischen Szene überreicht er der Forscherin ein Blatt als Aufforderung, ihn von Dreck zu säubern. Reagiert sein Gegenüber nicht wie üblich auf die Blattübergabe, dramatisiert der Menschenaffe die Übergabe in einem zweiten Versuch, um deutlicher zu werden.
Die gestische Affen-Kommunikation kann dabei überraschend komplexe Inhalte transportieren, staunen die Verhaltensforscherinnen Anne Russon und Kristin Andrews, die das Gebaren der Tiere in den Wäldern Borneos analysiert haben: Die Primaten spielen mit einem Repertoire von knapp 20 gut unterscheidbaren pantomimischen Formen etwa frühere Ereignisse situationsangepasst nach und werden darin zunehmend deutlicher, wenn sie ignoriert werden. Sie stellten zum Beispiel aber auch einzelne Abschnitte zu neuen Gesamtdarbietungen mit erweitertem Inhalt zusammen. Diese "Kompositionalität" ist eine der Eigenschaften, die jede natürliche "Sprache" laut Definition erfüllen muss, bemerken die Forscherinnen; auch weitere Kennzeichen wie "Systematizität" (vereinfacht gesagt: die Existenz struktureller Gemeinsamkeiten im Sprachaufbau) und der "Produktivität" (der zufolge eine Sprachregel auch in neuen Äußerungen gültig ist) fänden sich in der pantomimischen Darstellung.

© Anne Russon, York University
Orang-Utan "Siti" bittet um Unterstützung
Die neunjährige "Siti" hat gerade eine noch halb geschlossene Kokosnuss bekommen, damit aber nichts anfangen können und sie dem Forschungsassistenten zurückgegeben – offenbar, damit er sie weiter öffnet. Das geschieht nicht sofort, weshalb Siti pantomimisch mit ihrem Stock einen Macheteneinsatz simuliert. Die geübten Augen der Primatenforscher vor Ort erkennen in dem Filmausschnitt aber noch weitere typische Kommunikationsversuche des Orang-Utans: So simuliert er zum Beispiel, nachdem die Aufforderung zunächst nicht die gewünschte Reaktion hervor gerufen hat und er die Nuss unverändert zurück gereicht bekommt, mit einem Palmzweig wohl absichtlich inkompetent einen eigenen, vergeblichen Versuch, die Nuss zu öffnen. Erst nachdem diese Darstellung eigener Hilflosigkeit nichts fruchtet, beginnt Siti pantomimisch den Macheteneinsatz vorzuspielen, um die Nuss dann erneut zu übergeben, diesmal mit Erfolg. Die sehr kontextangepasste und spezifische Pantomime muss Siti dabei spontan erfunden haben, ist sich die Studienleiterin Anne Russon sicher.
Die Auswertung von Feldbeobachtungen von in die Wildnis entlassenen Orang-Utans der letzten 20 Jahre zeige nun eindeutig, dass die Affen Pantomimen spontan entwickeln und zumindest gelegentlich zur Kommunikation einsetzten. Die Gestenkommunikation sei demnach nicht ein bloßes Relikt, das aus dem Kontakt der Primaten, die als geschwächte Jungtiere in Aufzuchtstationen gerettet worden waren, mit dem Menschen herrührt.

Ob die Menschenaffen generell zu echten pantomimischen Äußerungen fähig sind oder diese gar in freier Wildbahn einsetzten, wird seit Längerem kontrovers diskutiert. Bei einigen, allerdings in Gefangenschaft gehaltenen Individuen sind inhaltsreiche Spontangesten durchaus dokumentiert: So symbolisierte der von Sprachforschern trainierte Gorilla Koko "Ton" spontan durch das Rollen eines fiktiven Tonklümpchens in den Händen; der Orang-Utan Chantek signalisierte "Ballon" durch das "Aufblasen" eines aus Daumen und Zeigefinger gebildeten Kreises, und der Schimpanse Viki verlangte menschliche Hilfestellung durch eine Pantomime, die ein in anderen Versuchssituationen oft auftretendes, vergebliches Zerren an einem festhängenden Gegenstand abbildete.

Orang-Utan "Cecep" | Auch in freier Wildbahn setzen Orang-Utans wie der auf dem Bild sieben- bis achtjährige "Cecep" Pantomimen ein, ergeben Auswertungen von Beobachtungsdaten, die im Lauf von 20 Jahren in den Wäldern Borneos gesammelt worden sind. Solche Pantomimen können sicherlich spontan erdacht werden, um in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Inhalte zu transportieren.
Russon und Andrews wollen nun noch gezielter danach suchen, zu welchem Zweck Pantomimen zwischen wild lebenden Artgenossen eingesetzt werden. Es deute sich hier schon jetzt eine überraschende Vielfalt an: Auf Orang-Utan-Pantomimisch könne wohl ebenso gut gelehrt und unterrichtet wie zum Selbstzweck geschummelt oder hinterhältig getäuscht werden, ahnen die Forscherinnen. (jo)
  • Quellen
Russon, A., Andrews, K.: Orangutan pantomime: elaborating the message. In: Proceedings of the Royal Society Biology Letters 10.1098/rsbl.2010.0564, 2010.

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