Asteroid Bennu: Post aus dem All
Exakt nach Plan lief die Rückkehr der Raumsonde OSIRIS-REx zur Erde am 24. September 2023: Die Sonde näherte sich unserem Planeten auf einem geplanten Kollisionskurs, um ihre wertvolle Fracht, eine Rückkehrkapsel mit Gestein des Asteroiden Bennu, präzise auf den Weg zur Erde zu bringen. Um 10:42 Uhr MESZ wurde die Kapsel rund 102 000 Kilometer über der Erdoberfläche abgetrennt. Rund 20 Minuten später führte die Muttersonde ein Schubmanöver ihrer Bordtriebwerke durch, um den Kollisionskurs zu verlassen. Sie flog in einer Entfernung von nur knapp 780 Kilometern an der Erde vorbei, wobei das irdische Schwerefeld ihre Umlaufbahn um die Sonne stark veränderte. Gleichzeitig erhielt die Sonde einen neuen Namen: OSIRIS-APEX, was für OSIRIS-APophis EXplorer steht. Dies ist ein Hinweis auf ihr nächstes Ziel, den Asteroiden (99942) Apophis, den die Sonde im Jahr 2029 kurz nach dessen spektakulärem, extrem nahem Erdvorbeiflug am 13. April 2029 erkunden soll.
Die Abtrennung der Rückkehrkapsel und ihr rein passiver Flug, bei dem die Kapsel zur Stabilisierung langsam um ihre Hauptachse rotierte, erfolgten exakt. So steuerte sie das elliptische Zielgebiet von 58 Kilometer Länge und einer maximalen Breite von 14 Kilometern auf einer Militärbasis an, der Utah Test and Training Range, im wüstenhaften US-Bundesstaat Utah.
Um 16:42 Uhr MESZ trat die Kapsel mit einer Geschwindigkeit von 12,4 Kilometern pro Sekunde (44 640 Kilometern pro Stunde) in die Erdatmosphäre ein und erzeugte durch die Reibung wie erwartet eine helle Feuerkugel. Ihr Hitzeschild hitzte sich dabei kurzzeitig auf mehr als 2000 Grad Celsius auf, während das Kapselinnere unter 70 Grad Celsius blieb. Um 16:47 Uhr öffnete sich der Hauptfallschirm und bremste die Kapsel innerhalb von fünf Minuten auf eine Landegeschwindigkeit von 5 Meter pro Sekunde (18 Kilometer pro Stunde) ab. Um 16:52 Uhr schlug die Kapsel auf dem Boden auf und erzeugte eine flache Delle im Wüstensand. Gleichzeitig wurden die Leinen zum Fallschirm gekappt, damit die Kapsel bei windigen Verhältnissen nicht durch die Gegend geschleift und gerollt werden würde.
Schon 20 Minuten später erreichten die ersten Mitglieder des Bergungsteams die Kapsel. Zunächst musste der unmittelbare Landeplatz auf allfällige Munitionsreste von früheren Militärmanövern untersucht werden, die eine Gefahr für das Bergungsteam dargestellt hätten – allerdings wurde nichts dergleichen gefunden. Zudem wurde ermittelt, ob aus der Landekapsel giftige Gase austreten, die beispielsweise durch bei der Landung beschädigte Bordbatterien hätten entstehen können. Danach verpackten die NASA-Mitarbeiter die Kapsel in Schutzdecken und hievten das 45 Kilogramm schwere Gerät per Hand auf eine Transportpalette. Die Kapsel hat einen Maximaldurchmesser von 81 Zentimetern und ist 50 Zentimeter hoch. Mit einem Helikopter wurde das wertvolle Bergungsgut zwei Stunden nach der Landung zu einem Gebäude auf der Militärbasis geflogen. In diesem hatte die NASA einen provisorischen Reinraum errichtet, um den kostbaren Inhalt vor der Kontamination durch die Erdatmosphäre zu schützen.
Um die dortigen Bedingungen auch rein zu halten, durften sich maximal sechs Personen im Reinraum aufhalten, die in voller Schutzmontur gekleidet waren. Sie zerlegten die Kapsel und entnahmen den Behälter mit den Gesteinsproben, der ungeöffnet blieb. Er wurde mit Druckflaschen mit hochreinem Stickstoff verbunden, um durch einen stetigen Gasstrom zu verhindern, dass die Erdatmosphäre in ihn eindringt.
Rund fünf Stunden später wurde der Behälter mit einem Frachtflugzeug zum Johnson Space Center der NASA in Houston, Texas, geflogen, wo er und die Proben auf Dauer verbleiben werden. Der Probenbehälter wurde in einen mit Stickstoff gefüllten und unter Überdruck stehenden Handschuhkasten untergebracht und am 26. September geöffnet. Dabei war die eigentliche Gesteinsprobe noch nicht zu sehen. Aber um den ringförmigen Probenträger und am Behälterdeckel fanden sich größere Mengen an feinkörnigem schwarzem Staub, der eingesammelt und ersten Begutachtungen zugeführt wurde. Dafür kamen unter anderem ein Röntgendiffraktometer zur Analyse des Mineralbestands und ein Rasterelektronenmikroskop zum Einsatz.
Diese Voruntersuchungen dienten einer ersten Charakterisierung des Gesteins von Bennu. Am 11. Oktober stellte die NASA dann die ersten Ergebnisse vor. Es zeigte sich, dass die Sonde reiche Beute bei Bennu gemacht hatte, wobei die Gesamtmasse der Gesteinsprobe zu diesem Zeitpunkt noch nicht ermittelt war. Die Raumfahrtbehörde geht aber von einer Masse von etwa 250 Gramm aus, die durch die Bestimmung des Drehimpulses von OSIRIS-REx beim Einfahren des Probenarms in die Rückkehrkapsel abgeschätzt wurde. Das sagte Dante Lauretta, der Chefwissenschaftler der Mission. Die Minimalanforderung der NASA waren 60 Gramm Probengestein.
Der eigentliche Probenträger war bis Redaktionsschluss noch nicht geöffnet worden, aber beim Umdrehen fanden sich Gesteinsbröckchen von bis zu drei Zentimeter Länge. Sie wirken auf den ersten Blick wie Holzkohle. Es gibt sowohl pechschwarze Brocken als auch hellere. Worauf diese Unterschiede zurückzuführen sind, ist noch nicht bekannt.
Die ersten Untersuchungen des feinen Materials, das wohl aus dem Probenträger beim Durchspülen mit hochreinem Stickstoff herausgeweht wurde, zeigen, dass dieses einen Gesamtkohlenstoffgehalt von 4,7 Prozent aufweist. Das ist der bislang höchste Wert, der bei einem Asteroiden ermittelt wurde. Die Kohlenstoffgehalte in den auf der Erde gefundenen Meteoriten vom Typ kohliger Chondrit sind deutlich niedriger. Der Kohlenstoff tritt sowohl ungebunden, in Form von unkristallisierten, also amorphen Aggregaten auf, ist aber auch in Karbonaten und organischen Molekülen nicht biogenen Ursprungs gebunden.
Des Weiteren fanden sich faserige Tonminerale, die größere Mengen Wasser in gebundener Form als Hydroxid enthalten. Sie haben sich im wesentlich größeren Mutterkörper von Bennu durch die Einwirkung flüssigen Wassers kurz nach dessen Entstehung in der Frühzeit des Sonnensystems vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren gebildet. Später wurde der Mutterkörper durch Kollisionen zerstört. Bennu ist eines der überlebenden Fragmente. Gestein wie das von Bennu könnte bei der Entstehung der Erde das Wasser durch Einschläge derartiger Körper auf unseren Planeten gebracht haben.
Mittels Rasterelektronenmikroskopie und Röntgenuntersuchungen wurden Sulfidminerale wie Pyrit und Oxidminerale wie Magnetit in Bennus Gestein aufgespürt. Der Magnetit kommt sowohl in eigengestaltigen Kristallen als auch plättchenförmigen Aggregaten vor.
Nicht gefunden wurden bislang klassische Chondren, also Schmelzkügelchen aus silikatischem Glas oder runde Aggregate aus feinkörnigen Silikatkristallen, die in den meisten Steinmeteoriten, den Chondriten, reichlich vorhanden sind. Tatsächlich ist das Material von Bennu so fragil, dass es einen Eintritt in die Erdatmosphäre als Meteoroid nicht überstehen, sondern verglühen würde.
Eine lange Reise
OSIRIS-REx, der »Origins Spectral Interpretation Resource Identification and Security-Regolith Explorer«, auf Deutsch etwa »Raumsonde zur Erkundung des Ursprungs, der spektralen Eigenschaften, Rohstoffvorkommen und potenziellen Gefährlichkeit eines Asteroiden«, war im September 2016 zu seiner Reise aufgebrochen. Im Dezember 2018 erreichte die Sonde das Umfeld des nur rund 500 Meter großen Asteroiden (101 955) Bennu, trat in eine Umlaufbahn um ihn ein und erkundete den Himmelskörper aus unterschiedlichen Abständen. Dabei lag der Schwerpunkt der Beobachtungen auf der Suche nach einem geeigneten Ort, um Material zu entnehmen.
Wie beim Asteroiden Ryugu, von dem die japanische Raumsonde Hayabusa 2 eine Probe nahm, fanden sich auf Bennu keine Ansammlungen von feinkörnigem oder staubigem Material. Das kleine Objekt stellte sich als ein Schutthaufen aus losen Gesteinsbrocken unterschiedlichster Größen heraus, die so gerade eben von der äußerst schwachen Gravitation des Himmelskörpers zusammengehalten werden. Tatsächlich ist die Schwerkraft so gering, dass immer wieder kleine Bruchstücke von Bennu in den umgebenden Raum entweichen und langsam von ihm wegdriften.
Nach rund zwei Jahren des Umkreisens von Bennu war es dann in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 2020 so weit: OSIRIS-REx näherte sich langsam und vorsichtig der Oberfläche von Bennu an und berührte ihn für fünf Sekunden mit dem langen Arm des Probensammlers TAGSAM, dem Touch and Go sample Acquisition Mechanism, auf Deutsch etwa »Mechanismus für die Probenentnahme im Vorbeigehen«. Der schwenkbare Arm ist 3,85 Meter lang, und an seiner Spitze befand sich der etwa 30 Zentimeter breite ringförmige Probensammler. Bei der Berührung von Bennu drang dieser etwa 50 Zentimeter unter die sichtbare Oberfläche des Asteroiden ein. Gleichzeitig stieß der Probensammler hochreines Stickstoffgas aus, um damit Gesteinsbrocken in das an einen Autoluftfilter erinnernde System hineinzublasen. Beim Aufsetzen beobachteten mehrere Kameras das Manöver, und auch der Probensammler selbst wurde im Detail fotografiert. Tatsächlich gelang dieses Manöver, wobei große Mengen an Gesteinsbrocken aufgewirbelt wurden. Nach der kurzen Berührung von Bennu zog sich die Sonde rasch zurück, um Beschädigungen ihrer Instrumente oder der Solarzellenflächen durch umherfliegende Brocken zu vermeiden.
Die Bilder der Bordkameras zeigten, dass einige eingeklemmte Brocken den Probenbehälter ein wenig aufgedrückt hatten, so dass Material aus ihm ins All driftete. Daher entschloss sich die NASA rasch dazu, den Probensammler nicht noch einmal einzusetzen, sondern verstaute ihn in der Rückkehrkapsel, um das wertvolle Bergungsgut zu sichern. Der Probensammler wurde in die Rückkehrkapsel eingefügt, dann wurde mittels einer kleinen Trennladung die Verbindung zum Probenarm explosiv gekappt und der Kapseldeckel schloss sich ähnlich wie eine Muschel.
OSIRIS-REx verblieb noch bis zum 10. Mai 2021 in der näheren Umgebung von Bennu, um sich dann mittels ihres Ionenantriebs auf den Rückweg zur Erde zu machen. OSIRIS-REx umrundete dabei zweimal die Sonne, bis sie schließlich am 24. September 2023 ihr erfolgreiches Stelldichein mit unserem Planeten hatte.
Als OSIRIS-APEX wird sie noch mehrmals die Sonne umrunden, um dann in rund sechs Jahren, am 21. April 2029, ein Rendezvous mit dem Asteroiden Apophis durchzuführen. Da kein Probensammler und keine Rückkehrkapsel mehr an Bord sind, wird es keine Probenentnahme geben. Stattdessen beschränkt sich die Sonde auf Beobachtungen in wechselnden Umlaufbahnen, und sie soll 18 Monate im Umfeld des Asteroiden verbringen. Angedacht ist zudem, mit dem geköpften Probensammlerarm auch einmal die Oberfläche zu berühren, um zu sehen, wie sich diese dabei verhält. Interessant wird es sein, die Bilder von Bennu und vom etwa doppelt so großen Asteroiden Ryugu mit Apophis zu vergleichen. Apophis ist länglich und erstreckt sich über etwa 370 Meter. Ist auch Apophis ein fliegender Schutthaufen wie die beiden anderen Himmelskörper?
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