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News: Per Anhalter durch die Evolution

Versteckt in unseren Erbanlagen sitzt ein Stückchen DNA, das einer Gensequenz des HI-Virus ähnelt. Anscheinend tragen wir diesen ungebetenen Gast schon seit mehr als 30 Millionen Jahren mit uns herum. Eines seiner Proteine funktioniert ganz ähnlich wie ein Protein des HI-Virus, obwohl seine Struktur recht anders ist. Wissenschaftler leiten daraus ab, daß die beiden Viren entweder einen gemeinsamen Vorfahren hatten oder es im Laufe der Evolution zum Austausch von genetischer Information gekommen ist.
Immerhin etwa drei Prozent des menschlichen Erbguts sind Überreste von genetischem Material aus Viren. Die Erreger schleusen ihre DNA in das Genom des Wirtes ein, damit die Zellen diejenigen Proteine produzieren, welche das Virus für seine Vermehrung braucht. Wenn davon eine Eizelle oder ein Spermium betroffen ist, wird dieses Stückchen Fremd-DNA an alle Körperzellen der Nachkommen weitervererbt. "Wenn es erstmal drin ist, verschwindet es nicht mehr", erklärt Bryan Cullen vom Howard Hughes Medical Institute der Duke University.

Auch HERV-K, ein Virus aus der ursprünglichen Familie der humanen endogenen Retroviren, hat in unseren Erbanlagen seine Spuren hinterlassen. Den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um Cullen zufolge sitzen 30 bis 50 Kopien des Erregers im menschlichen Genom, von denen manche sogar in geringem Umfang in Plazenta- und Hodengewebe aktiv zu sein scheinen. In bestimmten Krebserkrankungen ist die Aktivität der Gene, vor allem in den Hoden, sogar erhöht, "aber es scheinen keine schädlichen Wirkungen von der Aktivität der Gene auszugehen", meint Cullen (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 9. November 1999, Abstract).

Die Wissenschaftler vermuten, daß sich das Virus in der Gruppe der Altweltaffen kurz nach deren Abspaltung von den Neuweltaffen festgesetzt hat. Seither begleitet es die Affen und den Menschen durch die Evolution.

Die DNA-Reste von HERV-K bestätigen damit nicht nur die Abstammung des Menschen von den Affen. Viel wichtiger ist wohl das Ergebnis, daß K-Rev, ein Protein des HERV-K, sehr ähnlich funktioniert wie das Rev-Protein von HIV. "Das läßt vermuten, daß bestimmte krankheitserregende Eigenschaften von HIV schon sehr viel älter sind, als wir bisher gedacht haben", erklärt Cullen. Rev ist ein Protein, das außer von HIV noch von einem Virus produziert, das beim Menschen T-Zell-Leukämie auslöst. Es leitet die viralen Boten-RNAs vom Zellkern der Wirtszelle in das Cytoplasma, wo sie die Bildung der grundlegenden Bausteine des Virus veranlassen. Rev bewerkstelligt diesen Transport, indem es ein menschliches Protein mit dem Namen Crm1 steuert. Ohne diese Zusammenarbeit bliebe die Boten-RNA im Zellkern gefangen, und das Virus könnte sich nicht vermehren. Obwohl sich die Struktur von K-Rev und Rev recht deutlich unterscheiden, konnten Cullen und seine Mitarbeiter auch für K-Rev nachweisen, daß es Crm1 benutzt, um Boten-RNA vom Zellkern ins Cytoplasma zu transportieren.

Könnte sich das HIV also aus einem Virus entwickelt haben, das schon seit Jahrmillionen Bestandteil unseres Erbguts ist? Diese Frage verneint Cullen. Seiner Ansicht nach ist es wahrscheinlicher, daß HERV-K und HIV einen gemeinsamen Vorfahren hatten, der die Informationen für ein Rev-ähnliches Protein bereits trug. Oder die beiden Viren tauschten im Laufe der Evolution ihr genetisches Material aus und entwickelten so die genetische Information für K-Rev beziehungsweise Rev.

"Wenn wir besser verstehen, wie Viren evolvieren, können wir vielleicht bessere Strategien im Kampf gegen die Gefahren von viralen Infektionen entwickeln", hofft er.

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