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Quantenphysik: Schrödingers Katze in zwei Kisten zugleich

Forscher verschränken bis zu 80 Photonen in zwei getrennten Kammern mit einem "künstlichen Atom". Diese so genannten Katzenzustände könnten Grundlage für neue Quantentechnologien sein.
2. Nichtlokalität und Verschränkung - die unglaubliche Welt der Quantenteilchen

Ein besonders raffiniertes Exemplar von Schrödingers Katze schafft es, sich in zwei Kisten gleichzeitig zu quetschen. Das berichten Forscher um Chen Wang und Robert J. Schoelkopf von der Yale University. Gemeint ist natürlich kein lebender, flauschiger Stubentiger, sondern ein bestimmter quantenmechanischer Zustand verschränkter Photonen, den die Forscher mit Bezug auf ein berühmtes Gedankenexperiment Erwin Schrödingers als "Katzenzustand" bezeichnen.

Der österreichische Physik-Nobelpreisträger Erwin Schrödinger hatte schon 1935 überlegt, was geschehen würde, wenn man eine mit den Mitteln der Quantenmechanik beschriebene Katze in eine nicht einsehbare Kiste stecken würde. Besonders verzwickt war sein Gedankenexperiment, weil Schrödinger die eingesperrte Katze einem Zufallsmechanismus überließ, der das Tier entweder töten oder am Leben lassen konnte. Der Quantenzustand von Schrödingers Katze müsste nach den Regeln der Quantenmechanik dann aus einer Überlagerung der Zustände einer toten und einer lebendigen Version des Tiers bestehen. Dieses Superpositionsprinzip der Quantenmechanik lässt ohne eine Messung, also ohne in die Kiste zu schauen, keinen Schluss über die Vitalfunktionen der Katze zu. Vielmehr ist es sogar so, dass man nicht nur nicht wissen kann, ob die Katze lebt oder nicht. Sie befindet sich tatsächlich in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand. Bis eine Messung stattgefunden hat, ist die Katze zugleich lebendig und tot.

Kontrolle über ein komplexes Quantensystem

Chen Wang und Kollegen ist es nun gelungen, besonders viele Quantenteilchen – konkret bis zu 80 Photonen – in einen derartigen Katzenzustand zu bringen. Zudem saß ihre Katze auch in zwei Kisten gleichzeitig: Die Mikrowellenphotonen des betrachteten Quantensystems befanden sich nämlich in zwei voneinander räumlich getrennten Resonanzkammern. Es gab aber eine Verbindung: Ein "künstliches Atom" in Form eines quantenmechanisch wirksamen Supraleiter-Bauteils mit bestimmten Energieniveaus konnte eine Kopplung der Photonen der beiden Kammern herstellen. Unter den richtigen Bedingungen ließen sich die Photonen so nach den Regeln der Quantenmechanik miteinander verschränken und in einen gemeinsamen Katzenzustand bringen, der sich über beide Kammern erstreckte.

Der Quantenzustand der Schrödingerkatze von Wang und Kollegen, das heißt der verschränkten Photonen in den beiden Kammern, ließ sich dann nur vollständig erfassen, wenn die Forscher in beide Kisten schauten, also Messungen nicht nur an den Photonen der einen oder der anderen Kammer durchführten, sondern an denen beider Kammern zugleich. So konnten die Forscher mit dem Experiment die beiden Quantenphänomene der Superposition und der Verschränkung in einem relativ großen Ensemble aus mehreren Dutzend Photonen verbinden. Dieses komplexe Quantensystem konnten sie kontrollieren, manipulieren und vermessen. Solche Faktoren sind für Anwendungen von Quantentechnologien im Alltag mit entscheidend. Darunter fallen nicht nur fehlertolerante Quantencomputer, sondern beispielsweise auch die sichere Kommunikation mittels Quantenverschlüsselung.

"Der untersuchte Quantenzustand lässt sich leicht auf Papier festhalten, im Labor aber ist er sehr schwer zu verwirklichen"Gerd Leuchs

Serge Haroche, Nobelpreisträger für Physik 2012 und emeritierter Professor am Collège de France und der Université Pierre et Marie Curie in Paris, findet, die Studie sei "eine sehr gute Arbeit". Haroche hatte den Nobelpreis zusammen mit David J. Wineland vom National Institute of Standards and Technology der USA "für die Entwicklung bahnbrechender experimenteller Methoden bekommen, die es ermöglichen, Quantensysteme zu manipulieren". Genau diese Methoden haben Wang und Kollegen nun verwendet.

Auch für Gerd Leuchs, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik der Lichts in Erlangen, sind die Experimente eine "sehr schöne Arbeit". Der untersuchte Quantenzustand lasse sich zwar mathematisch leicht auf Papier festhalten, im Labor jedoch sei er sehr schwer zu verwirklichen. "Genau solche Übertragungen sind aber das Wichtigste, wenn man über praktische Anwendungen nachdenken will", sagt Leuchs und verweist auf das kürzlich verkündete neue Forschungsflaggschiff der EU zu Quantentechnologien. "Experimente wie das von Wang und Co. mit höherdimensionalen Katzenzuständen werden die Entwicklung dieser Quantentechnologien weiter befeuern."

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