Weltuntergang: Eine Quantensimulation zeigt, wie sich das Universum auflöst

Die gute Nachricht ist, dass Sie und alle, die Sie lieben, bereits längst nicht mehr leben, falls es dazu kommen sollte.
Doch nun zur schlechten Nachricht: An einem Tag in einer fernen Zukunft könnte das Universum von einem falschen in ein echtes Vakuum zerfallen. In diesem Fall würden sich – so die verbreitete Vorstellung – Blasen des echten Vakuums mit Lichtgeschwindigkeit im Universum ausbreiten und alles mit sich reißen, was ihnen in den Weg kommt. Ein solches apokalyptisches Ereignis würde die Gesetze der Physik auf den Kopf stellen und unsere Realität auslöschen. »Alles, was sich zuvor im falschen Vakuum befand – also auch wir –, würde sofort verschwinden, wenn sich diese Blase durch uns hindurch ausbreitet«, sagt Jaka Vodeb, Physiker am Forschungszentrum Jülich.
Seit Jahrzehnten fragen sich theoretische Physiker, ob das Universum stabil oder bloß metastabil ist. In den 1970er Jahren schlug der Physiker Sidney Coleman vor, dass sich unser Universum nach dem Urknall in einen metastabilen Zustand abgekühlt haben könnte – er nannte diesen Zustand »falsches Vakuum«. Die Zeit, bis es von diesem falschen Vakuum in einen Zustand niedrigerer Energie – ein echtes Vakuum – übergeht, schätzte er auf die Lebensdauer des Universums. Der Begriff »Vakuum« bezieht sich in diesem Fall auf einen leeren Raum, der auch dann noch Energie haben kann, wenn er keine Teilchen enthält. In den vergangenen Jahren haben Experimentalphysiker damit begonnen, analoge Systeme im Labor zu erzeugen (da die Arbeit mit echten, das Universum vernichtenden Blasen wohl etwas zu riskant wäre).
Anfang Februar 2025 veröffentlichten Vodeb und seine Kollegen die Ergebnisse ihres Blasenmodells, das sie mit Hilfe eines so genannten Quantenannealers der Firma D-Wave erschaffen hatten. Mit diesem Quantenrechner erzeugten sie eine Art eindimensionale Kette empfindlicher Magnete, die nach oben oder unten zeigen können, und simulierten damit das Wachstum und die Wechselwirkungen solcher kosmischen Blasen.
Das Forschungsteam ordnete die 5564 Qubits der D-Wave-Maschine zunächst so an, dass sie alle nach oben zeigten. Anschließend stellte es ein Magnetfeld so ein, dass eine nach unten zeigende Ausrichtung energetisch günstiger ist. Mit der Zeit kehrten einige Qubits ihre Richtung um. Die Kippvorgänge griffen schließlich auf benachbarte Qubits über, so dass sich allmählich Grüppchen – die berüchtigten Blasen – bildeten. Diese wuchsen dann und verschmolzen, was den Vorhersagen über ihre kosmischen Gegenstücke entsprach. Es ist das erste Mal, dass die Wechselwirkungen kosmischer Blasen auf einem Quantenrechner simuliert wurden.
»Ich lebe keinwegs in existenzieller Angst«Jaka Vodeb, Physiker
»Das ist eine recht einfache Demonstration, wie ein Vakuum in einem realen, physikalischen System zerfallen kann«, sagt Roopayan Ghosh, ein theoretischer Physiker am University College London und Gutachter der Arbeit. »Deshalb ist das Experiment für die Menschheit sehr interessant.«
Obwohl sie sich mit der Möglichkeit eines zerstörerischen Weltuntergangs auseinandersetzen, sehen die Physiker, die sich mit dem falschen Vakuumzerfall beschäftigen, die ganze Sache eher gelassen. »Ich lebe keineswegs in existenzieller Angst«, sagt Vodeb.
Was ist ein metastabiler Zustand?
Um die Metastabilität des falschen Vakuums zu verstehen, füllt man am besten eine Flasche mit destilliertem Wasser und stellt sie für ein paar Stunden in den Gefrierschrank. Das Wasser in der Flasche, das frei von Staub oder Chemikalien sein muss, kann auch noch unterhalb des Gefrierpunkts flüssig bleiben. Dieser Zustand ist allerdings metastabil. Stößt man die Flasche an, gefriert das Wasser sofort zu Eis und geht in einen stabilen Zustand über.
Ein weiteres Beispiel für Metastabilität ist der Grönlandkabeljau (Gadus ogac). Der bräunliche Fisch ist eigentlich völlig uninteressant – abgesehen davon, dass sein Blut bei etwa –0,7 Grad Celsius gefriert. Im Winter ist das Meerwasser in seinem Verbreitungsgebiet mit –1,9 Grad Celsius noch ein bisschen kälter. Das macht dem Kabeljau im Prinzip nichts – es sei denn, er kommt mit Eis in Berührung. Forscher, die das Phänomen in den 1950er Jahren in den Fjorden Nordkanadas untersuchten, legten die Fische auf Eis und beobachteten, wie Eiskristalle über die Haut der Kabeljaue schossen und die Fische rasch töteten.
Während der gefrorene Kabeljau und das gefrierende Wasser Phänomene der klassischen Physik sind, erfordert der falsche Vakuumzerfall den quantenphysikalischen Tunneleffekt: Eine höchst unwahrscheinliche Fluktuation versetzt dabei das Universum in einen anderen Zustand. Wie wahrscheinlich ist eine solche Fluktuation? Falls das Universum tatsächlich metastabil ist, haben Forschende seine Lebensdauer auf etwa 10790 Jahre beziffert – eine unvorstellbar große Zahl.
»Sollte sich eine solche kosmische Blase in unsere Richtung ausdehnen, hätten wir durch ihre rasend schnelle Expansion keine Vorwarnung«Sidney Coleman, Physiker
Und es gibt noch eine mehr oder weniger gute Nachricht: »Sollte sich eine solche kosmische Blase in unsere Richtung ausdehnen, hätten wir durch ihre rasend schnelle Expansion ohnehin keine Vorwarnung«, schrieb Coleman, damals Theoretiker an der Harvard University, im Jahr 1977 in einer Arbeit. In Ermangelung eines Modelluniversums, in dem sich solche Phänomene live beobachten lassen würden, haben Physikerinnen und Physiker gelernt, virtuelle kosmische Blasen in vielen verschiedenen Medien zu erzeugen. »Ein Quantenannealer ist langsam und nicht sehr nützlich für universelle Berechnungen«, sagt Vodeb, »aber seine vielen tausend Qubits sind ideal für eine derart spezifische Simulation, da sie sehr gut steuerbar sind und die Blasenbildung somit leicht initiiert und untersucht werden kann.«
Atomklumpen ahmen zerstörerische Blase nach
Im Jahr 2024 beobachtete ein Team um Alessandro Zenesini von der Universität Trient eine kosmische Blase in einer Ansammlung von etwa einer Million Natriumatomen, die fast bis auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt waren. In diesem Fall bestand die zerstörerische Blase aus tausenden Atomen, die ihre Ausrichtung änderten und so den Übergang von einem falschen zu einem echten Vakuum nachahmten.
Obwohl solche Atomklumpen dem herkömmlichen Bild einer Blase näher kommen als die Qubits des Quantenannealers in der neuen Studie, sind auch sie nur ein sehr grobes Modell unseres Universums – ihnen fehlt vor allem jede sinnvolle Einbeziehung der Schwerkraft. »Wir können auf der Grundlage des italienischen Experiments von 2024 nichts über das reale Universum sagen«, sagt der theoretische Physiker Alessio Recati von der Universität Trient.
Das wirft natürlich eine wichtige Frage auf: Ist der Kosmos tatsächlich metastabil und davon bedroht, durch eine kosmische Blase zerstört zu werden? »Könnte sein«, sagt Zenesini leichthin und zuckt mit den Schultern. »Wer weiß das schon?«

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