Mikrobiologie: Riesenvirus verwandelt Wirt zu Stein
Riesenviren sind eine noch recht schlecht untersuchte und wenig verstandene Gruppe der Viren. Eine besondere, neue Familie haben Genki Yoshikawa von der Universität Kyoto und ihr Team in einer heißen Quelle in Japan aufgespürt und im »Journal of Virology« vorgestellt: ein Mitglied der Medusaviridae, benannt nach der Medusa aus der griechischen Mythologie. Es befällt – typisch für viele bekannte Riesenviren – Amöben, wobei es sich in diesem Fall um die Art Acanthamoeba castellanii handelt. Das besondere daran: Das Riesenvirus verwandelt sein Opfer praktisch in eine Art Stein, so wie Medusa ihre Opfer zu Stein verwandelte, wenn diese in die Augen der Gorgo geblickt hatten.
Das Riesenvirus geht allerdings etwas subtiler vor: Nach der Infektion sorgt es dafür, dass die Amöbe eine dicke, harte Außenhülle ausbildet und sich dadurch in eine Art Ruhezustand versetzt. Die äußere Hülle des Erregers ist zudem mit hunderten Stacheln überzogen, die das Erbgut des Virus schützen sollen und an deren Enden runde Köpfe sitzen. Diese Form erinnerte die Wissenschaftler ebenfalls an das Haupt der Medusa, deren Kopf von unzähligen Schlangen bedeckt war. Eine Untersuchung des Genoms von Riesenvirus und Amöbe zeigte auch, dass ein horizontaler Gentransfer zwischen beiden stattgefunden hat. Das lässt Yoshikawa und Co spekulieren, ob Riesenviren in frühen Phasen der Evolution dazu beigetragen haben könnten, dass die eukaryotischen Lebewesen – Pilze, Pflanzen, Tiere – ihre typischen Zellen ausgebildet haben.
Obwohl Riesenviren teilweise mit bloßem Auge sichtbar sind, wurden sie tatsächlich erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts richtig entdeckt. Manchen Biologen gelten sie sogar als weiteres neues Reich des Lebens, doch ist diese Ansicht stark umstritten. Neben ihrer physischen Größe ist vor allem die Größe ihres Erbguts beeindruckend, die bei anderen Viren nicht beobachtet wurde. Sie enthalten einzigartige Gene, die von anderen Organismen nicht bekannt sind. Und wahrscheinlich sind sie weiter verbreitet, als man lange vermutet hatte. Ihr Nachweis ist relativ schwierig, weil sich die Zellparasiten nur in einer geeigneten Wirtszelle vermehren können – etwa in einer vom Virus infizierten Amöbenzelle. In den letzten Jahren wurden allerdings mit verbesserten Analysemethoden zahlreiche neue Vertreter entdeckt.
Anm. d. Red.: Genki Yoshikawa arbeitet an der Universität Kyoto, nicht in Tokio. Wir haben den Fehler ausgebessert.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.