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Elektrische Flugzeuge: Sauber abgehoben

Noch ist es nur ein Minizweisitzer, doch der neue "E-Fan" zeigt, dass voll elektrische Flugzeuge durchaus eine Zukunft haben könnten.
EADS E-Fan

Die Zukunft des Fliegens ist klein, eng und wenig ausdauernd. Sie bietet lediglich Platz für zwei Personen. Sie ist nicht einmal sieben Meter lang. Und sie muss spätestens nach einer Stunde wieder landen – zum Nachtanken.

Trotzdem ruhen in dem weiß-blauen Flugzeug, das der europäische Luftfahrtkonzern EADS vor 14 Tagen auf der Pariser Luftfahrtmesse in Le Bourget vorgestellt hat, große Hoffnungen. Denn bei seinen häufigen Tankstopps braucht der Zweisitzer kein Kerosin, ihm reichen ein paar Elektronen: Der in Frankreich gebaute Flieger mit dem programmatischen Kennzeichen F-WATT ist eines der ersten rein elektrisch betriebenen Flugzeuge. Und genau deshalb soll er – trotz seiner geringen Größe, seiner Enge, seiner begrenzten Reichweite – die Fliegerei revolutionieren.

Der E-Fan in einer Computerdarstellung | Mit Hilfe des E-Fans will der Flugzeugbauer EADS Erfahrungen mit voll elektrischen Flugzeugen sammeln. Für den Zweisitzer könnten sich einmal Fluglehrer und Kunstflieger interessieren: Bis zu einer Stunde kann der E-Fan in der Luft bleiben. Er erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 220 Kilometern pro Stunde.

"Dieses Projekt gibt uns die Möglichkeit, eine Wissensbasis aufzubauen, die in unseren Augen unerlässlich für die Zukunft der Luftfahrt ist", sagt EADS-Chef Tom Enders in Paris. "Verglichen mit dem, was Airbus normalerweise baut, mag dieses Flugzeug ja ein kleines Ding sein. Doch wir machen hier nicht Halt, wir haben erst angefangen." Große Worte. Dennoch ist derzeit nicht absehbar, ob der elektrische Antrieb in Passagierflugzeugen mit – wie geplant – 50 oder gar 100 Passagieren jemals Realität werden wird.

Steile Vorgaben

Sicher ist nur: Die Luftfahrtbranche steht unter Druck. Bis zum Jahr 2050, so die Vorgaben des europäischen "Flightpath-Programms", sollen die CO2-Emissionen (verglichen mit den Werten von 2000) um 75 Prozent sinken. Der Geräuschpegel soll um 65 Prozent zurückgehen, der Stickoxidausstoß sogar um 90 Prozent.

Bislang versuchten die Flugzeugbauer, die stets skeptisch gegenüber einschneidenden Veränderungen sind, diese Ziele mit Biokerosin und verbesserten Triebwerken zu erreichen. Evolution statt Revolution lautete die Devise. Noch vergangenes Jahr sagte EADS-Technikchef Jean Botti auf der Berliner Luftfahrtausstellung ILA, dass auf absehbare Zeit kein Weg an Biotreibstoffen vorbeiführe. "Um ein elektrisches Flugzeug vernünftig anzutreiben, bräuchten wir Leistungsdichten, wie sie heute allenfalls in Formel-1-Autos zu finden sind", so Botti damals.

Inzwischen klingt das anders. Biotreibstoffe sind in die Kritik geraten, unter anderem, weil ihr Anbau oftmals mit dem Anbau von Nahrungsmitteln konkurriert. Zudem könnten in Zukunft die Steuern auf Kerosin und die Abgaben auf Kohlendioxidemissionen weiter steigen, was den angepeilten Treibstoffmix der Fluggesellschaften unrentabel machen würde. In Paris sagt Botti daher: "Um die Vorgaben von Flightpath 2050 erfüllen zu können, müssen wir eine Lösung finden, die über Biotreibstoffe hinausgeht."

Das weiß-blaue Elektroflugzeug, E-Fan genannt, soll den Weg dorthin weisen. Zwei elektrische Mantelpropeller, die eng am hinteren Rumpf sitzen, treiben das kleine Flugzeug an. Zusammen erzeugen sie 60 Kilowatt Leistung und einen Schub von bis zu 150 Kilogramm. Da der Zweisitzer lediglich 500 Kilogramm wiegt, ergeben sich dadurch ähnliche Beschleunigungswerte wie in einem Airbus A320. Ein weiterer Elektromotor ist im Hauptfahrwerk untergebracht. Er hilft beim Rollen und beim Starten – bis zu einem Tempo von 60 Kilometern pro Stunde.

Acht Monate habe die Entwicklung des fliegenden Testlabors gedauert, sagt Botti. Bereits in drei Jahren soll das Elektroflugzeug, das vor allem für den Kunstflug und die Ausbildung von Piloten gedacht ist, in Serie gehen. Bis dahin wollen die Ingenieure Erfahrungen gesammelt haben, wie sich die Technik im Alltag bewährt und wie sie in großem Maßstab umgesetzt werden kann. Und natürlich soll E-Fan auch helfen, EADS und seiner Tochter Airbus ein grüneres Image zu verleihen.

Während die Europäer in Le Bourget voll auf die Elektrokarte setzen – die Ingenieure laufen sogar mit einer weiß-blauen E-Fan-Krawatte herum –, gibt sich Konkurrent Boeing deutlich zurückhaltender. "Allenfalls im Labor" werde an elektrischen Antrieben geforscht, sagt Boeing-Chef James McNerney in Paris. Bis ein großes Passagierflugzeug mit der Kraft von Batterien abheben könne, werde noch viel Zeit vergehen. "Das vorrangige Problem bleiben die Akkus", so McNerney.

"Sie glauben gar nicht, auf wie viele Probleme man selbst in so kleinen Flugzeugen stoßen kann."Jean Botti

Der Boeing-Chef ist ein gebranntes Kind: Explodierende Lithium-Ionen-Akkus haben dem neuen Dreamliner der Amerikaner zu Anfang des Jahres eine dreimonatige Zwangspause beschert. Auch EADS sieht in den Batterien ein potenzielles Problem. 120 Zellen eines Lithium-Polymer-Akkus speichern in den beiden Tragflächen des E-Fan die benötigte Energie. Eingekauft wurden sie bei einem koreanischen Hersteller, zusammengebaut hat EADS sie selbst. "Wir müssen lernen, wie man mit diesen Akkus umgeht, andernfalls laufen wir Gefahr, in größere Schwierigkeiten zu geraten", sagt Botti.

Immerhin: Für ein Flugzeug wie den E-Fan ist die Energiedichte heutiger Batterien bereits gut genug. Bis zu 60 Minuten, so die Berechnungen der EADS-Ingenieure, soll der Zweisitzer mit einer Ladung in der Luft bleiben können. Noch kleinere Maschinen wie die voll elektrischen Ultraleichtflugzeuge des Allgäuer Ingenieurs Calin Gologan sollen sogar Flugzeiten von bis zu acht Stunden erreichen.

Der E-Star bei der Luftfahrtmesse | Anders als der E-Fan durfte der E-Star in Paris schon abheben. Bei diesem Flugzeug setzten die Erbauer auf einen Hybridantrieb: Elektromotoren beziehen ihren Strom durch einen Wankelmotor-Generator.

Wirklich alltagstauglich ist all das aber noch nicht. Direkt neben dem E-Fan steht in Le Bourget daher ein Elektroflugzeug mit einer etwas anderen Technik: Der E-Star 2, ein Gemeinschaftsprojekt von EADS, Siemens und dem österreichischen Flugzeughersteller Diamond, setzt auf eine Hybridlösung. Dabei treibt ein Wankelmotor einen Generator an, der seinerseits einen Akku und einen Elektromotor mit Strom versorgt.

Klug kombiniert

Was zunächst unnötig kompliziert und ineffizient klingt, hat in der Praxis mehrere Vorteile: Im Gegensatz zu einem Flugzeugtriebwerk, dessen Schub fortwährend angepasst werden muss, kann der Wankelmotor stets im optimalen Drehzahlbereich laufen. Zudem lässt er sich mitsamt seinem Generator an einer beliebigen Stelle im Flugzeug verstauen. Übrig bleibt nur ein kleiner Elektromotor, der mit zwei Stromkabeln und zwei Kühlleitungen verbunden werden muss. Die Flugzeuge können dadurch aerodynamisch günstiger konstruiert werden. Unterm Strich senkt die Hybridlösung den Treibstoffverbrauch und die Emissionen laut Siemens um etwa 25 Prozent.

Anfang Juni hat der E-Star 2 erstmals abgehoben, elf Flugstunden sind seitdem zusammengekommen. Verglichen mit dem Vorgängermodell, das vor zwei Jahren ebenfalls in Le Bourget vorgestellt wurde, konnte die zweite Version deutlich abspecken. Sie ist nun 100 Kilogramm leichter und soll dadurch bis zu 900 Kilometer weit fliegen sowie 200 Kilogramm zuladen können.

Möglich geworden ist das vor allem durch einen neuartigen Elektromotor, der bis zu 80 Kilowatt Leistung bei einem Eigengewicht von nur noch 13 Kilogramm liefert – eine Leistungsdichte, die fünfmal so hoch ist wie bei einem herkömmlichen Elektromotor. "Da sind die am höchsten magnetisierbaren Stoffe drin, die es weltweit gibt, da haben wir wirklich alle Komponenten ausgetauscht", sagt Siemens-Projektleiter Frank Anton. Eine neuartige Kühlung erlaube es zudem, die Bauteile deutlich enger anzuordnen und so einen kompakteren Motor zu entwerfen.

Mangelnde Schubkraft

Zwar versichert Anton, dass die Technik auch bei größeren Maschinen eingesetzt werden kann, für einen elektrischen Regionaljet mit 50 bis 100 Sitzplätzen, wie ihn EADS in Le Bourget als Konzeptstudie zeigt, dürfte aber der nötige Schub fehlen. Die Ingenieure setzen stattdessen auf supraleitende Elektromotoren und auf Akkus mit Lithium-Luft-Technik – beides Konzepte, die derzeit noch erforscht werden.

Hybrides Verkehrsflugzeug | Der E-Thrust von EADS existiert bislang nur als Konzeptstudie. Bei ihm soll eine Gasturbine (Mitte) einen Generator antreiben, der einen Akku (vorne) sowie die sechs Elektrotriebwerke (links und rechts) speist. Im Sinkflug könnten die in den Tragflächen integrierten Triebwerke theoretisch aus dem Fahrtwind Strom gewinnen und im Akku zwischenspeichern.

Fluggesellschaften dürften beim Gedanken daran erschaudern. Seit mehr als 50 Jahren vertrauen sie auf die aktuelle Jet-Technologie. Die Strahltriebwerke haben während dieser Zeit eine erstaunliche Sicherheit und Zuverlässigkeit entwickelt. "Dieses Erbe ist Segen und Fluch zugleich", sagt Paul Stein, Forschungschef des Triebwerkherstellers Rolls-Royce. "Was immer wir als Nächstes entwickeln, es darf keinesfalls ein Rückschritt bei Qualität und Zuverlässigkeit sein." Letztlich, so Stein, liege die Entscheidung über eine grundlegend neue Technologie aber bei den Käufern der Flugzeuge.

Und was sagen die Airlines zum elektrischen Flieger? Jean Botti zieht die Augenbrauen hoch. "Wir machen einen ersten Schritt", sagt der Ingenieur, "all das muss sich langsam entwickeln." Deshalb wollen EADS und Siemens auch bewusst klein anfangen. "Wir sind noch im Krabbelstadium, ohne Zweifel", meint Tom Enders. Und Botti sagt: "Sie glauben gar nicht, auf wie viele Probleme man selbst in so kleinen Flugzeugen stoßen kann." Folglich dürften auch mindestens 20 Jahre bis zum ersten E-Airbus vergehen – falls es überhaupt dazu kommen wird.

E-Fan und E-Star sollen aber nicht nur technische Daten sammeln. Auch die Frage der Zulassung elektrischer Flugzeuge ist bislang völlig offen. Nach den Erfahrungen mit dem unbemannten Euro Hawk, der letztlich an der fehlenden Genehmigung für den europäischen Luftraum gescheitert ist, wollen die Hersteller möglichst schnell das Gespräch mit den Behörden suchen. Ziel ist es, in drei bis fünf Jahren klare Richtlinien für die Zulassung der neuartigen Fluggeräte zu erhalten.

Noch hapert es daran. In Le Bourget soll der E-Fan eigentlich an der täglichen Flugschau teilnehmen. Doch die Genehmigung bleibt aus. Während die Platzhirsche der aktuellen Luftfahrt wie der Dreamliner oder der Airbus A380 mit viel Lärm und viel Emissionen ihre Runden drehen, ist die vermeintliche Zukunft zum Zuschauen verdammt.

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