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Nobelpreise 2005: Scharfes Licht

Die Grundlagen für den diesjährigen Nobelpreis in Physik reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück und weisen weit in die Zukunft. Während Roy Glauber das elektromagnetische Feld des Lichts mit der quantenmechanischen Körnung durchsetzte, haben John Hall und Theodor Hänsch mit hoch entwickelten Lasertechniken die Grundlagen für unvorstellbar genaue Messungen geschaffen.
Nobelmedaille
Grund zu feiern! | Wahrlich ein Grund zu feiern: Theodor Hänsch und seine Mitarbeiter beim Sektumtrunk.
Der in Heidelberg geborene Theodor Hänsch ist mit seinen 63 Jahren der Benjamin im Trio der Preisträger. Heute ist er Professor an der Ludwig-Maximilians- Universität München und Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching. Sein Kollege John Hall von der Universität von Colorado in Boulder und dem National Institute of Standards and Technology, mit dem Hänsch oftmals zusammengearbeitet hat, ist immerhin acht Jahre älter. Die beiden teilen sich eine Hälfte des Preises "für ihre Beiträge zur Entwicklung der auf Laser gegründeten Präzisionsspektroskopie, einschließlich der optischen Frequenzkammtechnik". Die andere Hälfte geht an den 80-jährigen Harvard-Professor Roy Glauber "für seinen Beitrag zur quantemechanischen Theorie der optischen Koheränz", wie es in der Begründung heißt.

Fortschritt durch Exaktheit

Besonders die neueren Arbeiten von Hänsch zeigen, dass tatsächlich kommerziell verwertbare Produkte herauskommen können, wenn Wissenschaftler es eigentlich nur ganz genau wissen wollen. Die Fragen "Wie lange dauert eine Sekunde?" und "Wie lang ist ein Meter?" führen gegenwärtig zu super-exakten Atomuhren und ultrakurzen Laserblitzen, mit denen Forscher nicht nur die Bewegungen von Elektronen in ihren Atomen ergründen können, sondern bieten auch die Vorraussetzungen für verbesserte Navigationssysteme und eine Orientierung im Weltraum. Grundlagenforschung mit breiter Wirkung also.

Länge und Zeit stellen als Basisgrößen zwei Grundpfeiler der modernen Physik dar. Reichten 1889 noch ganz handfeste Standardtypen wie der Urmeter aus, um die Einheiten festzulegen, verlangen aktuelle Problemstellungen präzisere Werte. Für die Zeit liefern die Schwingungen von Cäsiumatomen die Norm: 9 192 631 770 Oszillationen legen eine Sekunde fest. Und der Meter orientiert sich inzwischen an der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum als die Strecke, für die das Licht 1/299 792 458 Sekunden braucht. Genauigkeiten mit zehn beziehungsweise neun Stellen, die dem heutigen Wissensdrang bereits wieder zu knapp sind. Höchste Zeit für einen Satz neuer Messinstrumente mit besseren Auflösungen.

Diesem Ziel folgten die Preisträger Hall und Hänsch mit ihren Forschungen. Mit immer neuen Ideen verbesserten sie die Technik des Lasers, dessen gleichförmiges Licht als geeigneter Maßstab erschien. In ihren jeweiligen Teams und oft durch Zusammenarbeit der beiden Gruppen sorgten sie für eine immer stabilere Frequenz der Laser, also der Schwingungen des elektromagnetischen Feldes, die wir als Farbe wahrnehmen. Umgerechnet ergeben sich aus den Schwingungen Zeiten und Entfernungen. Die Fortschritte der Wissenschaftler lassen sich ablesen an stets noch feineren Messungen atomarer Größen, beispielsweise des Wasserstoff-Spektrums.

Frisierte Genauigkeit mit Frequenzkämmen

Den Durchbruch brachte aber erst die Entwicklung des so genannten Frequenzkammes. Die Bemühungen stockten nämlich, weil keine elektronische Schaltung der Welt schnell genug war, die schnellen Frequenzen der Laser aufzulösen. Eine doppelte Hürde: Einerseits muss ein Maßstab her, auf dem die Frequenzen des Lichts abgebildet werden können, andererseits fehlte eine Art Verlangsamer, über den die Elektronik Zugriff auf die Messungen bekam. Der Frequenzkamm überwand beide Schwierigkeiten auf elegante Weise.

Frequenzkamm-Synthesizer | Grünes Laserlicht liefert die Enrgie für den Titan-Saphir-Laser in der Bildmitte, dessen Licht durch nichtlineare optische Effekte in einer Quarzfaser weiß wird. Ein Gitter zerlegt es in die einzelnen Regenbogenfarben.
Aufgebaut ist er aus einem Titan-Saphir-Laser, dessen rotes Licht in eine spezielle Quarzfaser geleitet wird. Deren besondere nichtlineare optische Eigenschaften verbreitern den Spektralbereich, bis das Licht für menschliche Augen weiß erscheint. Anders als Sonnenlicht besteht es aber aus keinem kontinuierlichen Spektrum, sondern aus unzähligen eng begrenzten einzelnen Spektrallinien, die in der Auftragung wie die Zinken eines Kamms aussehen – daher der Name. Der Abstand zwischen zwei benachbarten Frequenzen ist konstant und bekannt – sie eignen sich daher wunderbar als Maßstab. In dem Resonanzkörper überlagern sich die einzelnen Frequenzen, sodass ein kurzer Lichtpuls von wenigen Femtosekunden Dauer entsteht, der von den reflektierenden Begrenzungen hin und her geworfen wird. An der Austrittsstelle kann jedoch ein Teil des Lichtpulses austreten und gemessen werden. Nach wie vielen Reflexionen dies geschieht, können die Forscher einstellen – der gesuchte Verlangsamer.

Spektrum des optischen Synthesizers | Das Spektrum des Lasers erscheint kontinuierlich (oben). Erst bei genauerem Hinsehen ist zu erkennen, dass es aus hunderttausenden scharfer Spektrallinien aufgebaut ist (unten).
Um nun eine unbekannte Lichtfrequenz exakt zu bestimmen, wird sie in den Frequenzkamm eingekoppelt. In dem Resonanzkörper überlagert sie sich mit den benachbarten Kamm-Frequenzen, und es entsteht eine Schwebung – eine charakteristische Schwingung mit deutlich langsamerer Periode. Sie verrät den Wissenschaftlern den Wert der gesuchten Frequenz.

Frequenzkamm | Die Pulse aus einem Frequenzkamm-Laser bestehen aus sehr schnellen Schwingungen, die keine Elektronik auflösen kann. Die scharfen Frequenzbänder ähneln den Zinken eines Kamms – daher der Name "Frequenzkamm".
Mit Hilfe des Frequenzkamms lassen sich Uhren konstruieren, die anstelle von Atomen flinkere Elektronen als Pendel verwenden. Diese werden mit Laserlicht angeregt, dessen Frequenz nun präzise bestimmt werden kann. Tausendmal genauer als der aktuelle Cäsiumstandard könnte die neue Uhrengeneration sein. Damit würde auch die Positionsbestimmung mit dem GPS und ähnlichen Systemen genauer, denn hierfür ist eine exakte Zeitübermittlung notwendig. Bis auf Zentimeter oder gar Millimeter genaue Angaben wären machbar.

Und schließlich bekäme auch die Grundlagenforschung ein wunderbares Werkzeug an die Hand. Seit einigen Jahren diskutieren Wissenschaftler, ob die Naturkonstanten während der Entwicklung des Universums wirklich konstant bleiben oder sich eventuell langsam ändern. In der kurzen Zeitspanne eines Menschenlebens ist diese Frage nur dann experimentell zu beantworten, wenn entsprechende Messungen mit zuvor ungekannter Auflösung durchgeführt werden. Mit dem Frequenzkamm ist dies möglich.

Der Anfang der Quantenoptik

Roy Glauber | Roy Glauber legte mit seinen Arbeiten die Grundlagen der Quantenoptik.
Die Arbeiten von Hall und Hänsch wären undenkbar ohne die Grundlagen, die der dritte Preisträger, Roy Glauber, in den 1960er Jahren geliefert hat. Er übertrug die Konzepte der Quantenmechanik mit ihrer Quantelung von Energie konsequent auf die Natur des Lichts – die trotz besseren Wissens meistens im klassischen Sinne behandelt wurde.

Das Problem ist unter dem Schlagwort Welle-Teilchen-Dualismus bekannt: Seit der schottische Physiker James Clerk Maxwell im Ausgang des 19. Jahrhunderts das Licht als elektromagnetische Welle beschrieben und mit seinen Formeln berechenbar gemacht hat, betrachten Wissenschaftler es gerne als Schwingung. Dummerweise ließen sich so nicht alle experimentellen Beobachtungen erklären, beispielsweise der fotoelektrische Effekt, nach dem Licht erst ab einer bestimmten Grenzfrequenz Elektronen aus Metall schlagen kann. Einstein erhielt für seine Erklärung, dass die Energie des Lichts in Quantenpaketen gefasst ist – womit es sich als Teilchenstrom von Photonen verstehen lässt –, 1921 den Nobelpreis. Mal Welle, mal Teilchen und doch keines so richtig. Die Natur des Lichts stellt die Vorstellungskraft auf eine schwere Probe.

Obwohl die Quantelung der Lichtenergie deutlich machte, dass es für ein wirkliches Verständnis unumgänglich ist, Optik und Quantenphysik miteinander zu verbinden, reichte es für die meisten Fälle aus, weiterhin einfach das Wellenmodell zu verwenden. Doch wiederum machten empirische Daten der Bequemlichkeit ein Ende: Mitte der 1950er Jahre entdeckten die Astronomen Brown und Twiss in Photonenmessungen weit entfernter Objekte merkwürdige Effekte, die eine Verbindung der Photonen voraussetzten, wie sie nur aus der Quantenphysik bekannt war.

Erst Glauber gelang eine befriedigende Erklärung der Beobachtung. 1963 veröffentlichte er seine Quantentheorie der optischen Kohärenz. Darin verbindet er die klassische Betrachtung des elektromagnetischen Feldes mit den Vorgängen auf atomarer Ebene, wenn ein Atom ein Photon absorbiert. Durch diesen Vorgang verändert sich nämlich der Zustand des Feldes, und ein nachfolgendes Photon findet eine andere Umgebung vor.

In seinen Theorien führt Glauber noch weitere Konzepte der Quantenwelt ein, die sich nicht mehr anschaulich vorstellen lassen, aber mathematisch präzise Aussagen zu Versuchen und ihren Ergebnissen ermöglichen. Die Quantenoptik war geboren, auf welche heutige Wissenschaftler sich stützen, wenn sie Experimente mit einzelnen Photonen machen oder über sichere Quantenkommunikation spekulieren. Auch in diesem Fall ist die abstrakte Theorie inzwischen unverhofft auf dem Weg in das wirkliche Leben. Und das war dem Preiskommitee die Auszeichnung allemal wert.

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