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Schmerzwahrnehmung: Leise Geräusche lindern Schmerzen von Mäusen

Mäuse empfinden weniger Schmerzen, wenn sie Geräusche zu hören bekommen – allerdings nur, wenn diese nicht allzu laut sind. Die Laute hemmen spezielle Nervenbahnen im Gehirn.
Kopfhörer auf einem Tisch
In moderater Lautstärke wirken Geräusche aller Art schmerzlindernd.

Schon in den 1960er Jahren stellten Zahnärzte fest, dass Zahnoperationen bei laufender Musik weniger schmerzhaft für ihre Patienten waren. Nun scheint eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung im Tierversuch gefunden worden zu sein: Hören schmerzgeplagte Mäuse Geräusche, werden Nervenbahnen in ihrem Gehirn gehemmt, die für die Schmerzwahrnehmung zuständig sind. Die schmerzlindernde Wirkung besteht jedoch nur bei leisen Tönen und Geräuschen. Darüber berichtet ein Forscherteam um Wenjie Zhou von der Chinesischen Universität der Wissenschaften und Technik in Hefei im Fachjournal »Science«.

Die Forschenden spielten Versuchsmäusen mit entzündeten Pfoten jeweils Musik, Rauschen oder Störgeräusche vor. Währenddessen berührten sie die empfindlichen Körperteile immer stärker, bis die Tiere Schmerzen empfanden und ihre Pfoten zurückzogen. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass die Tiere kräftigere Berührungen aushielten, wenn sie rund 20 Minuten lang Musik oder Geräusche gehört hatten. Diese durften aber nur geringfügig lauter sein als die Umgebungsgeräusche. Was die Mäuse zu hören bekamen, beeinflusste ihre Schmerzwahrnehmung hingegen nicht. Die zeitgleiche Messung der Hirnaktivität ergab, dass die leisen Geräusche Nervenbahnen hemmten, die die Hörrinde mit dem Thalamus verbinden. Die Hirnregion ist an der Schmerzverarbeitung beteiligt. Dadurch stieg die Schmerzschwelle der Tiere.

Dass tatsächlich die Geräusche für die Schmerzlinderung verantwortlich waren, überprüften die Forschenden in zusätzlichen Messungen: Verhaltenstests sowie die Bestimmung des »Stresshormons« Kortison im Blut der Tiere bestätigten, dass das Gehörte keinen Einfluss auf den Angst- und Stresslevel der Mäuse hatte. Auch durch Ablenkung konnten sich die Ergebnisse nicht allein erklären lassen: Die Forschenden wiederholten ihre Versuche an drei verschiedenen Tagen. Anschließend testeten sie das Schmerzempfinden der Mäuse an zwei darauf folgenden Tagen ohne den Einfluss von Geräuschen und stellten fest, dass die Tiere weiterhin unter weniger Schmerzen litten.

Zwar lassen sich die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen: Im menschlichen Gehirn existieren noch mehr für die Schmerzwahrnehmung relevante Hirnregionen, die ebenfalls auf Musik reagieren. Allerdings liefert die Studie erste neurobiologische Grundlagen, an die künftige Studien mit Menschen anknüpfen können. Denkbar wäre, dass die leisen, schmerzlindernden Geräusche sowohl in der Musiktherapie als auch als ergänzendes Angebot in der Schmerztherapie eingesetzt werden könnten.

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