Schwammbewohnender Wurm: Die Verzweigungstat
Ein Anfang und ein Ende – der Körperbau der meisten Würmer ist bekanntermaßen recht eindimensional. Ganz anders der Ringelwurm Ramisyllis multicaudata. Seine Anatomie erinnert an einen Baum, dessen Stamm sich in Äste und diese in Zweige aufspaltet. So kann der Wurm das Kanalsystem des Meeresschwamms, den er bewohnt, vollständig ausfüllen. An dutzenden Stellen ragen seine Hinterenden dann aus der Oberfläche des Schwamms heraus ins Wasser.
Wie es dem Wurm gelingt, derart aus der Art zu schlagen, haben Göttinger Fachleute nun untersucht: Sie rückten dem Meereswurm mit Mikroskopie, Tomografie und chemischen Verfahren auf den vielfach verzweigten Leib. So gelang es ihnen, ein dreidimensionales Abbild von Wurm und Schwamm zu erstellen. Es zeigt, dass sich auch alle inneren Organe des Wurms bei jeder Teilung aufspalten.
Wie das Team um die Göttinger Forscherin Maria Teresa Aguado im Fachblatt »Journal of Morphology« berichtet, bildet der Wurm dazu spezielle Muskeln aus, die vom Team »Muskelbrücken« getauft wurden. Sie verbinden die Organe an den Verzweigungsstellen. Aus ihrer Existenz lasse sich auch ableiten, dass die Aufspaltung lebenslang geschieht und nicht etwa in einem frühen Stadium vorab festgelegt wird.
Es ist nicht die einzige Merkwürdigkeit des Schwammbewohners. Kommt die Zeit zur Fortpflanzung, bildet er aus seinen Hinterenden spezielle Fortpflanzungseinheiten, so genannte Stolone, die ein eigenes Gehirn und eigene lichtempfindliche Sinnesorgane erhalten. Sie lösen sich dann mit der Zeit ab und treiben zu einem Fortpflanzungspartner.
»Unsere Forschung löst einige der Rätsel, die diese kuriosen Tiere seit der Entdeckung des ersten verzweigten Ringelwurms Ende des 19. Jahrhunderts aufgeworfen haben«, sagt Aguado in einer Pressemitteilung ihrer Universität. Aber noch immer sei vieles unklar. »Zum Beispiel hat diese Studie ergeben, dass der Darm dieser Tiere zwar funktionstüchtig sein könnte, aber es wurde noch nie eine Spur von Nahrung darin gesehen. Es ist immer noch ein Rätsel, wie sie ihre riesigen verzweigten Körper ernähren können.«
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