Direkt zum Inhalt

Zentrum der Milchstraße: Starke Magnetfelder am Schwarzen Loch Sagittarius A*

Mit dem Event Horizon Telescope wurde die Struktur der Magnetfelder in der Nähe des größten Schwarzen Lochs unserer Galaxis gemessen.
Magnetfeldstruktur um das Schwarze Loch Sagittarius A*
Im März 2024 veröffentlichte das Team des Event Horizon Telescope dieses Radiobild vom Herzen unserer Galaxis. Inmitten eines leuchtenden Plasmarings ist der Schatten des extrem massereichen Schwarzen Lochs zu sehen. Die Strukturen im Ring folgen den Magnetfeldlinien, die aus der Polarisation der Radiowellen gemessen wurden.

Im Jahr 2019 wurde das erste Bild von einem Schwarzen Loch mit dem internationalen Radioantennenverbund Event Horizon Telescope (EHT) aufgenommen. Es war das extrem massereiche Schwarze Loch inmitten der elliptischen Galaxie Messier 87 (M87) im Sternbild Jungfrau. Drei Jahre später gelang es, ein solches Radiobild auch vom größten Schwarzen Loch unserer Galaxis aufzunehmen. Nun legt das EHT-Team eine neue Aufnahme vor, die zusätzlich die Strukturen der Magnetfeldlinien in unmittelbarer Nähe zum Schwarzen Loch zeigt. Die Feldlinien sind geordnet und folgen in etwa dem Strudel einfallender Materie. Das Magnetfeld selbst ist sehr stark. Die Kollaboration veröffentlicht ihre Resultate in der Fachzeitschrift »The Astrophysical Journal Letters«(Publikation 1, Publikation 2).

Es war auf Basis von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie klar, dass auf Grund der Gravitationsrotverschiebung keinerlei Strahlung einem Schwarzen Loch entkommen kann. Diese Objekte müssen daher als schwarze Flecken am Himmel in Erscheinung treten. Die Krux ist nur, dass wegen der extremen Kompaktheit der Schwarzen Löcher die Flecken winzig sind. Selbst ein Schwarzes Loch, das Milliarden Sonnenmassen in sich vereint, ist in etwa nur so groß wie das Sonnensystem.

Mit vereinten Kräften

Nur mit dem geballten Leistungsvermögen mehrerer global verteilter Radioantennen, die gleichzeitig die elektromagnetischen Wellen aus der Umgebung eines Schwarzen Lochs aufzeichnen, ist es machbar, den schwarzen Fleck abzubilden. Dieses erste Radiobild eines Schwarzen Lochs war der Durchbruch im Jahr 2019. Zu ebendiesem Zweck war das Event Horizon Telescope gebaut worden. Die Radioteleskope dieses Verbunds stehen auf verschiedenen Kontinenten und haben Abstände bis zu einigen tausend Kilometern zueinander. Zusammengeschaltet gleichen sie einer Riesenradioschüssel von der Größe der Erdkugel.

Zwei Schwarze Löcher kommen in Frage

Im Prinzip gibt es nur zwei gut geeignete Schwarze Löcher, deren »Schatten« mit einem solchen Teleskopverbund abgebildet werden könnte: das mit etwa 6,5 Milliarden Sonnenmassen extrem massereiche Schwarze Loch (M87*) inmitten der elliptischen Galaxie Messier 87 in gut 50 Millionen Lichtjahren Entfernung und das deutlich leichtere, aber auch nähere Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis, assoziiert mit der Radioquelle Sagittarius A* (Sgr A*) im Sternbild Schütze. Dieses schwerste Schwarze Loch des Milchstraßensystems befindet sich in der Mitte unserer spiralförmigen Heimatgalaxie in rund 27 000 Lichtjahren Entfernung und weist 4,2 Millionen Sonnenmassen auf. Beide Schwarzen Löcher erscheinen am Himmel kurioserweise etwa gleich groß. Zwar ist M87* viel massereicher, aber eben auch deutlich weiter von der Erde entfernt.

Die Winkelgröße der beiden Schwarzen Löcher erscheint so groß wie eine 2-Euro-Münze in Monddistanz! In der Astronomie gibt man diesen Winkel zu 20 Mikrobogensekunden an; Mikro steht für ein Millionstel, und eine Bogensekunde ist der 3600. Teil eines Grads. Sowohl das Schwarze Loch in M87 als auch das in unserer Galaxis sind umgeben von einem leuchtenden Plasmaring. Dabei handelt es sich um Materie, die um das jeweilige Schwarze Loch rotiert und einstürzt. Dabei gibt sie elektromagnetische Strahlung ab.

Nachdem für die Schwarzen Löcher M87* und Sgr A* Radiobilder mit dem EHT geglückt waren, wurde die Polarisation der Radiowellen untersucht. Ein Teil der Strahlung, die uns aus der Umgebung der Raumzeitfallen erreicht, schwingt in einer bevorzugten Ebene. Das liegt an ihrer Entstehung: Es handelt sich um Synchrotronstrahlung. Freie, elektrisch geladene Elektronen bewegen sich mit hohen Geschwindigkeiten vor dem Hintergrund von Magnetfeldern. Die dabei erzeugte Synchrotronstrahlung schwingt in einer bestimmten Ebene, ist also linear polarisiert.

EHT-Bilder von M87* und Sgr A* | Die im Jahr 2021 veröffentlichte Struktur der Magnetfeldlinien um das Schwarze Loch im Zentrum von Messier 87 (links) ähnelt sehr den neu entdeckten Orientierungen der Feldlinien um das Schwarze Loch von Sgr A*. Am Himmel sind die gezeigten Ausschnitte winzig. Die Skala von 50 Mikrobogensekunden entspricht der doppelten Größe einer 2-Euro-Münze auf dem Mond – von der Erde aus betrachtet!

Ausmessen von Magnetfeldern

Gelingt es, die Polarisation zu bestimmen, so können sich Astronominnen und Astronomen die mit dem EHT gemessene Synchrotronstrahlung zu Nutze machen, um die Orientierungen der Magnetfelder vor Ort, also um die Schwarzen Löcher herum zu vermessen. Bei M87* gelang das schon im Jahr 2021 (siehe »EHT-Bilder von M87* und Sgr A*«, linkes Teilbild). Nun wurde die Magnetfeldstruktur auch in der Nähe des Schwarzen Lochs von Sgr A* mit dieser Methode bestimmt. Wie bei M87* sind die Feldlinien im Plasmaring geordnet und folgen verformten konzentrischen Kreisen, deren Zentrum etwa mit der Position des jeweiligen extrem massereichen Schwarzen Lochs übereinstimmt. Eine derartige Konfiguration der Feldlinien würde man auf der Grundlage der theoretischen Astrophysik erwarten. Rotieren die Schwarzen Löcher, was ebenfalls wahrscheinlich ist, wird dieser Effekt in der Nähe des Schwarzen Lochs noch verstärkt, weil die rotierende Raumzeit die Magnetfeldlinien mitschleppt, verdichtet und so verstärkt.

Jet auch bei Sagittarius A*?

Unklar ist, ob das hungernde Schwarze Loch inmitten der Milchstraße ebenfalls gerichtete Materiestrahlen, die Jets, herausschleudert. Für ihr Entstehen spielen starke Magnetfelder eine herausragende Rolle. M87 ist bekannt für einen sogar optisch sichtbaren Jet. Im April 2024 soll das EHT erneut das Zentrum unserer Galaxis ins Visier nehmen. Mit neuen Resultaten darf daher schon bald gerechnet werden, hoffentlich auch mit Erkenntnissen zum Jet.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen

The Event Horizon Telescope Collaboration: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope results. VII. Polarization of the ring. The Astrophysical Journal Letters 964, 2024 (DOI: 10.3847/2041–8213/ad2df0)

The Event Horizon Telescope Collaboration: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope results. VIII. Physical interpretation of the polarized ring. The Astrophysical Journal Letters 964, 2024 (DOI: 10.3847/2041–8213/ad2df1)

ESO-Pressemitteilung vom 27. März 2024

MPIfR-Pressemitteilung vom 27. März 2024

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.