Künstliche Haut : Sensorwunder für Prothesen
Prothesen für Hand oder Fuß werden immer besser: Aktuellste Entwicklungen erlauben es beispielsweise, die Kunsthände direkt über Nervensignale zu steuern. Mindestens ebenso wichtig ist es aber, dem Träger das Gefühl zurückzugeben, das er einst in der amputierten Hand hatte. Diesem Ziel sehen sich jetzt Wissenschaftler der Seoul National University einen großen Schritt näher gekommen.
Das Team um Jaemin Kim entwickelte eine extrem dehnbare künstliche Haut, die auf eine herkömmliche Prothese aufgebracht werden kann und mit diversen elektronischen Nanosensoren geradezu übersät ist. Mit ihnen kann der Träger eine Berührung der Hand wahrnehmen, die Temperatur eines Gegenstands erfühlen und dessen Feuchtigkeit messen. Möglich ist es aber auch, die Hautstreckung zu erspüren, die sich ergibt, wenn man beispielsweise die Faust ballt. Derartiges Feedback soll kontrollierte Handbewegungen erheblich erleichtern.
All das funktioniert allerdings nur, wenn die Messwerte der Sensoren auch beim Prothesenträger ankommen. Voraussetzung dafür ist ein Anschluss an das Nervensystem – und der entsprechende chirurgische Eingriff, mit dem die Schnittstelle implantiert wird. Mit einem möglichen System unternahmen die koreanischen Forscher bereits ein erstes Tierexperiment. Dazu verwendeten sie eine hauchdünne Kunststofffolie ähnlich der Sensorhaut, die man im Körper um einen Nervenstrang schlingt. Ihre Elektroden aus nur Nanometer dicken Platinstäbchen leiten dann die Stromsignale aus der Prothesenhaut ins Körpergewebe und stimulieren dort die Nervenzellen. Zusätzlich eingefügtes Cerdioxid soll diese Schnittstelle besser verträglich machen, indem es reaktive Sauerstoffspezies abfängt, die in diesem Bereich sonst in großer Menge entstünden, schreiben die Forscher. Bei ihrem Rattenversuch konnten sie immerhin nachweisen, dass die Signale der Sensoren im Gehirn der Tiere ankamen – insofern scheint das Prinzip zu funktionieren. Von einem regulären Einsatz am Menschen ist das Verfahren allerdings noch relativ weit entfernt.
Extrem flexible Sensorhaut
Normalerweise sind elektronische Bauteile wenig flexibel und leicht brüchig. Dies steht einem Einsatz im Prothesenbau entgegen, schließlich soll die künstliche Haut ja wie ein dünner Handschuh an der Prothese anliegen. Jaemin Kim und Kollegen verwendeten daher ein raffiniertes Prinzip, um den Leitungsbahnen die nötige Flexibilität verleihen: Die "Kabel" werden in der Kunststoffhaut in vielfache Serpentinen gelegt, so dass sie sich ausdehnen und wieder zusammenziehen können. Andere Forschergruppen haben nach diesem Prinzip bereits sensorbestückte "Tattoos" hergestellt, dünnste Folien, die sich direkt auf die Haut aufbringen lassen und deren Bewegungen und Dehnungen mitmachen.
In die Serpentinen eingebettet befinden sich die eigentlichen Sensoren, die ebenfalls auf Nanotechnologie aufbauen, genauer gesagt auf so genannten Silizium-Nanostäbchen (silicon nanorods, SiNR). Diese knapp über einhundert Nanometer langen Drähte zeigen einen piezoresistiven Effekt, die Streckbewegung der Haut lässt sich daher via Änderung des Widerstands in ein elektrisches Signal übersetzen. Auch die übrigen Sensortypen liegen in miniaturisierter Form vor.
Andere Forschergruppen arbeiten ebenfalls daran, Prothesenträgern ihr Tastgefühl zurückzugeben. Offen ist noch, welche Technik dafür am besten geeignet ist. Möglich ist beispielsweise der Einsatz von druckempfindlichem Gummimaterial oder Zinkoxid-Nanodrähten, aber auch Graphen gilt als Kandidat. Die ein Atom dicke Schicht aus Kohlenstoff hat interessante elektrische Eigenschaften und ist ebenfalls extrem biegsam.
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